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Feilkode 418

Ella - das Kuckuckskind

Ella - das Kuckuckskind · Sci-fi und Fantasy

Was ist es für ein Gefühl, vor denen fliehen zu müssen, die du liebst? Du willst sie doch nur retten, sie dich davon abhalten.

Hva vil du med boka?

Ich habe die Welten der Fantasie schon immer verehrt und geliebt. Ich möchte die Leser in ein Gefühlschaos stürzen, sie faszinieren und zum Nachdenken anregen. Irgendwann hatte ich eine Idee für eine Geschichte, die mich nicht loslassen wollte und so begann ich zu schreiben. Autoren sind Künstler, sie zeichnen mit Worten und erschaffen etwas wundervolles. Es ist mein Traum, ein Teil von ihnen zu sein.

Om forfatteren

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Ich lese schon seit Jahren unglaublich gern und habe vor langer Zeit angefangen, selbst Kurzgeschichten zu schreiben. Mittlerweile arbeite ich an eigenen Büchern.

Leseprobe (max. 60 000 Zeichen)

1

Nach einem erfolgreichen Tag gab es für Ella nichts schöneres, als es sich auf einem horizontal gewachsenem, doppelbettbreitem Ast gemütlich zu machen, welcher ihr Kleid nur geringfügig mit seiner Borke aufrieb und dessen wiederum im rechten Winkel abstehende, kleinere Äste süße aber stachelige Früchte trugen. Und ungeachtet dessen, dass der Tag noch nicht einmal richtig begonnen hatte, war er für das Mädchen bereits als erfolgreich abgestempelt. Das lag daran, dass sie heute überhaupt keine Aufgaben erhalten hatte und dementsprechend schon beim aus dem Bett steigen mehr als nötig zustande gebracht hatte. Es gefiel ihr noch nie, über einen längeren Zeitraum untätig zu sein, doch solange sie die Langeweile noch nicht spürte, genoss sie die entspannte Atmosphäre mit dem Blick gen Himmel gerichtet. Zumindest soweit es das mit zunehmender Höhe dichter werdende Blätterdach über ihrem Kopf zuließ. Den Namen der Baumart, die ihr aktuell als Liege diente, hatte sie schon wieder vergessen und ihre Hand, auf welcher Ella sich immer Worte notierte, die sie sich merken will, stützt zu bequem ihren Kopf, um nachzusehen. Lieber erfand sie fantasievolle, leicht herzuleitende Namen. Würde man von ihr eine Führung durch den Palast erhalten, so wäre dies schnell bestätigt. Beispielsweise trugen in Ellas Welt die Silberzungenkäfer den Namen Lyvlyra, weil die Tierchen Ella mit ihrer völlig weißen Panzerung an das gleichfarbige Lieblingsschiff des weißen Königs erinnerten. Umgekehrt hatte sie damit auch den perfekten Namen für den ebenso heimischen, nachtfarben gefiederten Sonxvogel. Dieser bekam von ihr, der Gleichberechtigung der Schiffe halber, den Namen eines aschschwarzen Schiffes aus dem Besitz des schwarzen Königs, welcher sich nie zu einem Favoriten bekennen wollte. Johnnipe. Im Gegensatz zu seinem Bruder weigerte Asherah sich nicht nur, ein Schiff zu wählen, das ihm am meisten zusagt, er lehnt zudem das ungeschriebene Gesetz ab, den Schiffen ausschließlich weibliche Namen zu geben. Ursprünglich erhielten die Schiffe ihre Titel ausgehend von der Bezeichnung des Magiers, der als Beschützer vor Unterwasserungeheuern an Bord angeheuert war. Und dies war bis von gar nicht so langer Zeit noch ein reiner Frauenberuf, weil ihre Kräfte zwar oft ein wenig schwächer, ihre Sinne und Reaktionsgeschwindigkeit aber deutlich besser waren als die der Männer. Dem schwarzen König war diese Tradition indes zu konservativ. Und mit dem Wissen, dass Nishah, sein Bruder, der weiße König, König der Vergangenheit, an diesem Ritus wohl auf ewig festhalten wird, setzte er, der König der Gegenwart, den Kurs weiter voran und nannte sein erstes Schiff Johnnipe. Es ist schon lange still, dachte Ella, ob sie wohl schon wieder schreiben müssen? Vorsichtig, um den Stoff ihres Kleides nicht noch weiter durch die Borke aufzuscheuern, setzte das Mädchen sich aufrecht und beugte sich über den Rand des massiven Astes. Um nicht den Halt zu verlieren, hatte sie beide Hände fest um eine Gruppe von Zweigen gepresst, die über ihrem Kopf hingen. Sie gaben ein paar Wimpernlängen nach, würden Ella aber mit Sicherheit bei einem Sturz halten können. Am Fuße des kleinen Hügels auf dem Ellas Baum stand, saßen etliche junge Magier und kritzelten unter höchster Konzentration auf ihren Tafeln und in ihren Notizpergamenten, während ihr Professor lediglich wie ein Lyvlyra ins Leere starrte als würde er einem ahnungslosen Beutetier auflauern. Professor Loikh war ein unglaublich gebildeter Mann und begabter Dichter, das stand für Ella außerfrage, sie liebte seine Geschichten, doch wenn er nicht gerade schrieb oder sprach oder sich darauf vorbereitete zu schreiben oder zu sprechen, dann starrte er ins Nichts wie ein Idiot. Und obwohl dies gelegentlich einen sehr belustigenden Anblick offerierte, so bereitete es den meisten Leuten Unbehagen. Er soll doch weitersprechen, bedachte sie und schob sich eine ihrer goldenen Locken hinters Ohr, in der ihrem Finger kurzerhand ein Zweig Widerstand bot. Das gehörte nun einmal als nerviger Zusatz zu den Privilegien, die ihr der Platz auf dem Baum im Zentrum des Lehrgartens erwies. Weil sich der Garten auf dem Einzugsgebiet von Asherah befand, war sowohl der Baum mitsamt seinen Blättern und Früchten, als auch das Gras unter den Gesäßen der fleißigen Schüler unter Ella tiefschwarz. Das ungeschulte Auge vermag in einer Natur wie dieser ein ehemaliges Schlachtfeld oder eine verbrannte Welt zu erahnen, doch jedes Wesen dieses Königreiches kennt den Schwur, den die Königsbrüder lange vor jedermanns Zeit geleitet haben. Ein Schwur, der Krieg und Gewalt verwehrt, wenn auch nicht torpediert. Ein Schwur, der ihnen auferlegte, die Liebe, die sie teilen, auch ihren Untertanen und er ganzen Welt entgegenzubringen. Denn als Wesen mit der Macht, sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart in ihren Händen zu halten und zu verzerren, wäre ihr Einfluss endlos. Ohne Limits. Nur war ihre brüderliche Liebe zueinander und zu jeder übrigen Existenz stärker und sie entschlossen sich einstimmig, einen solchen Schwur zu schreiben, zu versiegeln und zu leisten.
Anstelle seine Geschichte fortzuführen, von der Ella den Großteil gedankenversunken verpasst hatte, klappte Professor Loikh sein Buch geräuschvoll zu und beendete die Stunde mit einer Verbeugung kommentarlos. Die Lehrlinge taten es ihm gleich und zogen sich ohne weitere Umschweife zurück in Richtung der Häuserplätze, sicherlich um wieder ins Bett zu gehen und das Gelernte rechtzeitig zu vergessen, bevor es etwas tatsächlich Relevantes aus ihrem Gehirn verdrängt. Zum Beispiel was es heute zum Essen geben wird. Beim Räumen des Feldes begannen einige auch noch sich zu unterhalten und zerrissen damit die harmonische Stille in der Luft. Die Mühe zu flüstern machten sie sich nicht.
„Nun, Ella. Haben Sie die häutige Frage vorbereitet? Im Anschluss findet für meine Wenigkeit und eine Handvoll anderer Dichter und Denker eine Versammlung statt. Ich vermag Ihnen nicht vorzuenthalten, dass meine Vorfreude sich darauf in Grenzen hält, ich genehmige Ihnen und ihrer Frage qualitative und quantitative Ausschweifungen.“
Mit neu gewonnener Euphorie sprang Ella von ihrem Ast und stolperte unbeholfen den kleinen Hang hinunter, bis sie vor Professor Loikh zum Stehen kam. Der Mann ist wiederholt in idiotisches, geistesabwesendes Starren entglitten. Mal wieder wahrlich in Rekordzeit, dachte sie sich amüsiert und gab ihm Hilfestellung zurück in die Wirklichkeit, indem sie aus Gewohnheit heraus mit der offenen Hand vor Professor Loikhs Nase herumfuchtelte. Leise räuspernd rückte er sein Buch zurecht um beschäftigt auszusehen, bis das Mädchen im weißen Kleid mit dem durch Baumrinde aufgeriebenen, grauen Fleck am Rücken ihre Frage stellte. Die häutige Frage quälte Ella schon über einen weit gestreckten Zeitraum, der sich, ihrem Empfinden nach, zog wie Zähmasse. Denn das letzte Gespräch mit dem Gelehrten hat sie mit einer Fülle an Problematiken zurückgelassen, doch an Asherah und Nishah wollte sie sich damit nicht wenden, sie möchte die Königsbrüder lieber mit selbstständig angeeignetem Wissen überraschen, was gar nicht so einfach war, wie sich schnell ergab. Und ungeachtet der Tatsache, dass Ella als Lehrling des schwarzen Königs Asherah höchstpersönlich privaten Unterricht und exorbitante Aufmerksamkeit genoss, so blieb die Geschichte der Brüder, welche sie besonders reizte, völlig unbeleuchtet. An aggressivem Nachhaken wollte sie sich aber auch nie bedienen. So blieb ihr nichts weiter übrig, als den royalen Gelehrten aufzulauern und mit ihnen zu philosophieren, um Antworten zu bekommen. Erfolgreich. Denn auch wenn Professor Loikh eine unkonventionell eigene Persönlichkeit war, so war er gleichermaßen genial. Ihre letzte Konversation bezüglich der Lichtschattenrose war alles andere als Aufschlussreich, woraufhin Ella sich für den heutigen Tag mit Fragen und Informationen eingedeckt hatte, um ihren Gesprächspartner akkurat auf die vorherrschende Wissenslücke hinzuleiten.
„Sie sind sich doch bestimmt der philosophischen Problematik des Dichters Sohgaget de Mur bewusst.“
„Recht und Macht gebühren weder dem moralisch, noch dem intellektuell überlegenen Individuum, sondern solle primitiv betrachtet dem natura Älteren übertragen werden.“
„Ja richtig, das meine ich. Ich habe gelesen, dass dieses Fazit basierend auf der Evolution der Menschen und Menschenähnlichen gezogen wurde. Weil die die zuerst da waren, die Magier, die am höchsten entwickelten Wesen dieser Rasse seien. Die anderen sind dann im Laufe der Zeit durch Mutationen entstanden. Das hat de Mur irgendwie von der jahrhundertübergreifenden Zeitspanne auf Altersunterschiede von wenigen Tagen oder gar Minuten übertragen. Bedeutet, selbst wenn ich eine Zwillingsschwester besäße, müsste mir das gesamte Erbe der Familie zufallen, wenn ich vor ihr geboren wurde.“
Professor Loikhs Augen wurden wieder glasig, er verlor das Interesse. Dabei hatte Ella ihre Frage noch nicht einmal gestellt. Mit verminderter Erheiterung erhob das blonde Mädchen erneut die Hände und schüttelte sie vor dem Körper. Diesmal benötigte ihr Gegenüber ein paar mehr Zeiteinheiten, um aus der Trance zurückzufinden, was auch an Ellas Nerven rieb. Dabei war sie in puncto Geduld ausgesprochen strapazierfähig.
„Kommen Sie zum Punkt, Debütantin.“
Ignoranus. Er machte sich tatsächlich nie die Mühe Respekt zu heucheln, ganz zu schweigen von Interesse, Freundlichkeit, Achtung und was nicht sonst noch alles. Die nächste Krankheit deren Namen Ella sich nicht merken kann wird Loikh heißen. Simplifiziert und zutreffend. Ella ist sich sicher gewesen, der Mann würde ihr gegenüber irgendwann auftauen, wenn sie sich nur ausdauernd und adäquat mit ihm beschäftigte. Auf lange Sicht geschlussfolgert waren die vielen zusätzlichen geflissentlichen Floskeln eine breitgefächerte Verschwendung ihrer kostbaren Zeit.
„Auch wenn Asherah und Nishah sich in Betracht der aktuellen herrschaftsrechtlichen Situation den Thron teilen können, ist es nicht ausgeschlossen, dass das Volk oder die hohen Posten einen autark regierenden König fordern. Oder dass eine in der Zukunft aufkommende Situation dies unerlässlich macht. Welcher Bruder würde die Krone bekommen? Theoretisch sind sie ja zeitgleich auf die Welt gekommen. Aber ist das überhaupt möglich?“
„Negativ.“
„Also?“
Der Professor fuhr sich kurz mit den langen, spindeldünnen Fingern durch den seltsam spärlich wuchernden Bart und nickte, zur Demonstration seines Verständnisses der Frage. In der Zeit, in der er sich der Sache annahm, war nun Ella an der Reihe, die Gedanken für den Bruchteil einiger Wimpernschläge schweifen zu lassen. Die Komplexität der Thematik an und für sich interessierte Ella nicht allzu intensiv, umso mehr dafür aber die Vorgeschichte der Brüder, die selbst nicht viel davon hören ließen. Warum eigentlich?
„Nun, die Faktenpergamente um die Geburt der Könige sind rar und hart umkämpft, ich selbst habe mich nie großflächig mit diesem Thema auseinandergesetzt. Mein Fokus liegt vorrangig auf den Jahrhunderten danach. Aber die Philosophen haben auch dazu einige Theorien aufgestellt, die mir persönlich nicht missfallen. Nishah, als die Verkörperung der Vergangenheit selbst, wird immerfort als der ältere Bruder dargelegt. Bekanntlich existiert ein zu interpretierender Kreislauf, um die Sache zu betrachten.“
Ohne in der Erklärung innezuhalten zog der Professor eine Pergamentrolle aus seinem Lederkoffer, für den mindestens eine Handvoll Pfeifenschwanzpersel ihr Leben lassen mussten, die sich mit großer Sicherheit selbst harpuniert hätten, wenn sie gewusst hätten, wo sie einmal enden. Darauf begann er zielsicher ein Fließschema zu notieren.
„Fundamental definiert die Vergangenheit alles Existierende. Es gab immer eine Vergangenheit vor der Gegenwart, aus diesem Grund sollte Nishah der Ältere sein. Umgekehrt aber muss erst einmal eine Gegenwart existieren, um die Vergangenheit zu schreiben. Jede Vergangenheit war zuvor immer eine Gegenwart, weshalb Asherah ebenso älter sein könnte. Allerdings wurde nie bestätigt, dass das Alter beider von ihrer Bestimmung anhängt. Sie verstehen die Problematik? Die Übereinkunft ist aber, dass die Krone im Falle des Falles Nishah zufiele. Angeblich wissen nicht einmal die Könige selbst, welcher der beiden zuerst das Licht der Welt erblicke. Zusätzlich sollten Sie bedenken, in politischen Angelegenheiten haben die Philosophen und Ethiker eine Meinung, keine Stimme. Eine schreckliche Bestimmung, wirklich.“
Ella nahm das fertige Schema an sich und betrachtete die Übersicht. Der Dichter hatte nichts ausgelassen, weshalb die Übersichtlichkeit Einbußen machte. An der eleganten Handschrift ließ sich Loikhs Erkennungszeichen ausmachen, sogar ohne Signum. Diesem Stück Pergament könnte in ein paar Jahrzehnten viel Wert im Handel zuteilwerden, vorausgesetzt der Professor würde im Intervall der nächsten Jahre etwas Großartiges leisten, was es bis über die Grenzen unserer Ländereien schaffte. Doch diesen Gedanken erstickte der Professor postwendend im Keim, als Ella den Blick von der Schrift hob und stante pede vor dem glasigen Blick erschrak. Mit Mühe gelang es ihr, eine Reihe harter Flüche zu unterdrücken und den Mann nur imaginär versehentlich zu beschimpfen. Würde er wenigstens zweitweise blinzeln, dachte Ella, nachdem ihr Herz nach einem flüchtigen Aussetzer seinen allgegenwärtigen Rhythmus wiederfand. Dann sähe er nicht gänzlich aus wie eine aufrechtstehende Leiche. Freilich kann und darf kein Wesen für seine Erscheinung verurteilt werden, diese Prämisse bläute Asherah ihr mehr als einmal ein, aber Dinge, die einem im Schreck über die Lippen kommen, sind nun einmal nicht so ohne Weiteres als Nichtig abzutun. Bevor das blonde Mädchen ein zweites Mal den Kopf hob, bereitete sie sich mental auf diese Unbehagen bereitenden Augen vor, wurde indes abermals überrascht. Denn Professor Loikh war nicht nur physisch, sondern auch psychisch völlig anwesend. Mit weit aufgerissenen Augen fixiert er etwas hinter Ella, außerhalb ihres Blickfeldes.
„Novizin.“
Eine raue, dunkle Stimme schnitt durch die Schwüle in der Luft und verebbte in tiefen Schwingungen. Sobald sich der Atem dieses geheimnisvollen Wesens in Form schwarzer Nebelschwaden über ihre Schultern schob, dort wie Trockeneis über Ellas Körper heruntersegelte und den Boden mitsamt ihren Füßen zu verschlingen drohte, wusste sie bereits, wer sie so überraschend adressierte und warum sein Erscheinen derart unvorhersehbar war.
„Kaegan, verfolgst du mich?“
„Wie amüsant, wirst du diesem Spruch niemals überdrüssig, Mädchen?“
„Gewöhne es dir ab, aus dem Nichts hervorzuspringen wie ein Schachtelclown, dann ziehe ich es in Erwägung. Was kann ich für dich tun, mein Hübscher?“
Mit einer Kehrtwende drehte Ella Professor Loikh den Rücken zu, ihre hellgrauen Augen, die perfekt zu dem weißen Kleid passten und sich mit dem goldenen Schopfe bissen, trafen auf die leeren, schwarzen Höhlen in dem Schädel des schwarzen, pferdeähnlichen Nebelwesens hinter ihr. Kaegan war der royale Bote von Asherah, dessen Fähigkeiten es ihm erlaubten, Figuren aus pechschwarzem Nebel zu erschaffen. Selbstredend hatten diese jedoch für gewöhnlich kein eigenes Bewusstsein, das Pferd war eine Ausnahme. Überall wo es sich befand, Mähne und Schweif mündeten ringsum in Nebel, gleich die Hufe. Ella wusste nicht, ob Kaegan den Boden überhaupt berührte oder eine Wimpernlänge darüber auf einer Nebelwolke schwebte. Kaegan schnaubte aggressiv als Antwort auf ihre Stichelei, ließ sich aber den Nasenrücken streicheln, genoss es sogar. Die unheimliche Aufmachung veranlasste im Allgemeinen, dass alles und jeder einen großen Bogen um ihn machte, was natürlich Sinn und Zweck der Angelegenheit war. Aber wie bereits bestätigt hatte Kaegan als Ausnahme eigene Empfindungsfähigkeiten, welche Ella nicht verletzen wollte.
„Der Herr verlangt nach dir.“
Kurz nachdem Asherah sich bereiterklärte, Ella als Vormund unter seine Fittiche zu nehmen, hatte dieses Pferd ihr so große Angst gemacht, dass der König ihn für völlig unnütze, irrelevante Botschaften aussandte, um ihn von dem restlos überforderten Mädchen fernzuhalten. Auch wenn die Geste von Sorgsamkeit zeugte, war es nicht förderlich für die Bekämpfung ihrer Furcht. Nachdem sie sich aber ein wenig eingelebt hatte, neue Bekanntschaften schloss und nach und nach verstand, wie die Welt an der Spitze, buchstäblich unter der Krone funktionierte, verebbte die Phobie. Kaegans auffallen tiefe Stimme erhielt eben über die Zeit sogar eine beruhigende, entspannende Wirkung auf Ella. Gerade als sie beabsichtigte ihm zu antworten, ertönte ein Rascheln, gefolgt von einem dumpfen Knall hinter ihr. Professor Loikh hatte den Schock, ausgelöst von dem schattenhaften Auftauchen Kaegans, eklatant schlechter als angenommen verarbeitet, konkretisiert hatte er es gar nicht. Stattdessen fiel er in Ohnmacht.
„Kaegan, sag, ist dir das bereits einmal passiert? Oder ist das hier eine Premiere?“
„Ich wünschte es wäre so.“ Kaegan schnaubte. „Asherah wartet, Mädchen. Der Professor wird sich bald auskuriert haben. Wir sollten eilen.“
Mit einem majestätischen Wippen seines Kopfes warf das Pferd die Mähne auf die von Ella abgewandte Seite seines stämmigen Halses und ließ sich auf die Vorderfußwurzelgelenke sinken, dem Zweck folgend Ella aufsteigen zu lassen. Die Distanz zum Schloss, vielmehr zu dem geschmackvoll ästhetisch ausgestatteten Thronsaal, welcher von Asherahs eindrucksvollen Sinn für Inneneinrichtung zeugte, konnte das Mädchen allein unmöglich in einer Zeit überwinden, die ihr der König nicht anlasten würde. Also bot Kaegan bereitwillig seine Dienste an. Auf einem fusionierten Haufen Nebel zu reiten würde sie mit großer Sicherheit auf ewig mit gemischten Gefühlen erfüllen, doch ist es unmöglich abzustreiten, dass es gleichwohl etwas Magisches an sich hatte. Es füllte sie mit Euphorie und Adrenalin, mit einem wohligen Kribbeln in Ellas Bauch. Sofort als Kaegan sich mit Leichtigkeit zurück in die Aufrechte zu stemmen begannt, preschten die Gefühlswallungen heraus.
„Kaegan, ich frage mich…ist es für dich unangenehm, etwas oder jemanden auf deinem Rücken zu transportieren? Botschaften zu übermitteln ist immerhin eine verbale Aufgabe, Asherah hat es mir erklärt, ich bin aufrichtig beeindruckt. Deshalb bist du immer völlig allein unterwegs.“
Ella ergriff den Teil der pseudo Mähne, der sich noch nicht in dem kalten Nebel verlor und verschaffte sich selbst ausreichend Halt, denn in der vorherigen Position wäre sie höchstwahrscheinlich bereits im Schritt früher oder später von dem Tier heruntergerutscht. Daraufhin warf sie einen letzten Blick auf Professor Loikh.
„Mach dir keine Sorgen, ich spüre eine Konzentrationsanreicherung seiner Magie, er wird in brevi sein Bewusstsein wiedererlangen.“
Versicherte Kaegan ihr, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und setzte sich ohne weitere Umschweife in Bewegung. Nicht dass der arme Mann vor Schreck im Anschluss gleich nochmal umkippt.
„Und um auf deine Frage zurückzukommen, für mich ist dies keineswegs unerquicklich. Meine sensitiven Fähigkeiten sind durchaus ausgeprägt, manifestieren sich jedoch nicht auf solch triviale Dinge. Sei bitte so gut und entziehe deine Absätze aus meinen Seiten. Vielen Dank. Wenn du den Rücken durchdrückst dann sitzt du bequemer und bekommst mehr Festigkeit.“
Den Anweisungen folgend spürte sie ziemlich schnell die Bequemlichkeit, die der breite, wenn auch muskulöse Rücken bot. So hoch oben über dem Boden fühlte Ella sich als würde sie fliegen, Kaegan hatte die Größe eines ausgewachsenen Rosses aus der provisorischen Armee der Könige. Beide Königreiche vereinigten eine einzige Armee unter ihren Fahnen und diese bedarf auch nur im Falle eines Angriffs in Einsatz zu treten. Eine rein obligatorische Vorsichtsmaßnahme. Tatsächlich waren die Fähigkeiten bezüglich Taktik und Kampf besorgniserregend, kaum geschult. Es war schwierig nachzuempfinden, wie Asherah und Nishah sich derartig in Sicherheit wiegen konnten, denn auch wenn Ella in außenpolitischen Maßnahmen nicht, genauer gesagt überhaupt nicht aufgeklärt war, kannte jeder das Sprichwort, dass im Endeffekt jeder Freund nur ein Feind ist, dessen Strategie noch nicht offenbart wurde. Geografisch betrachtet waren das schwarze und weiße Königreich ideal gelegen, die Dörfer im Süden grenzten an viele begehrte Wasserwegsverbindungen, im Osten existierten reiche Erzbestände und das Klima wurde von den lokalen Farmern und Züchtern konstant hoch gepriesen. Dadurch dass Ella gedanklich so weitschweifend abdriftete, überkam es sie mehr als überraschend, als Kaegan in einen gemachen Trab überging.
„Aufmerksamkeit, die Tugend der Könige“
„Entschuldige.“ Ella straffte die Schultern und hielt sich fester. „Okay, jetzt bin ich bereit. Zweiter Versuch.“
Also akzelerierte Kaegan ein zweites Mal, über Trab zu Galopp, und so erreichten sie die kolossalen Marmortüren des Schlosses in Rekordzeit. Zumindest wenn man verinnerlicht, dass Ella an einer Hand abzählen könnte, wie oft sie zuvor auf einem Pferd geritten ist. Ohne jegliche Mühen ihrerseits öffneten sich die schweren Schwingen der Tür wie auf Kommando, als Kaegan Fuß auf die ebenfalls marmornen Steine auf der Oberfläche der Fußgängerbrücke setzte. Monotones Klacken der Hufe, gefolgt von einem kurzen Echo verkündeten zwei Dinge: Kaegan berührte offenbar tatsächlich den Boden und Asherahs Vorliebe für Marmor ließ ihn nicht einmal davor zurückschrecken, eine aufgebäumte Brücke mit ebendiesem zu bestücken, auch wenn sie dadurch bei Nässe ein tödliches Hindernis zu werden drohte. Die schwarz und weiß gesprenkelten Steine ergänzten sich brillant mit seiner schwarzen Einrichtung, aber Ella bevorzugte die Kombinationen aus Weiß und Silber, zu finden im weißen Königreich.
„Warum verlangt Asherah nach mir? Meiner Kenntnis gemäß stand heute eine Audienz mit einem…hm, mit wem eigentlich?“
„Nein, der König ist derzeit vakant.“
Ella verzog verwirrt das Gesicht zu einer Grimasse, Kaegan verstand ohne den Blick auf sie zu richten.
„Ich meine er ist verfügbar. Verzeih meine Wortwahl, Novizin. Ich neige dazu zu vergessen, dass du nicht im Schloss aufgewachsen bist. Dass sich der König als Vormund für dich bekannt hat ist eine große Ehre. Ich hoffe du bist dir deines Glückes bewusst.“
Glück. Ella wusste, dass Asherah als Erziehungsberechtigten zu haben unzählige Vorteile mit sich brachte, doch sollte nicht außer Acht gelassen werden, was an Opfern nötig war, um es so weit zu bringen. Ihre Eltern waren bereits seit ihrer Geburt verschollen, sie wuchs auf der Straße auf, wäre mehr als einmal fast verhungert oder zertrampelt worden und lebte vom Mitleid der Passanten. Zu stehlen verweigerte sie von klein auf, doch das war auch nicht nötig. In der südlichen Hafenstadt Katurah, wo Wesen aus aller Welt zusammenkamen, galt es als höflich, spendabel und zuvorkommend zu sein. Nachdem Ella dort fußfasste hatte sie es gut. Bis zu dem schicksalsgeküssten Tag, an dem magische Kräfte sich ihres Körpers bemächtigten und sie somit die Aufmerksamkeit der Königsbrüder auf sich zog, die am selbigen Tag die Stadt besuchten. Durch einen Zusammenstoß mit einer großgewachsenen, krankhaft mageren Frau, von deren außergewöhnlicher Erscheinung Ella den Blick von Neugierde getrieben nicht abwenden konnte, wurde ein magisches Potential ausgelöst, dass so stark war, dass zwischen ihnen beiden ein Blitz in den gepflasterten Boden einschlug. Dabei war der Himmel glasklar, die Sonne warm. Wie durch ein Wunder verblieb Ella völlig unbeschadet, die Frau verschwand spurlos. Die Menge auf der Straße verfiel in Panik, so auch Ella, denn das damals noch gebrechliche, kleine Mädchen wurde durch den lauten Knall gepaart mit dem enormen Schreck gänzlich orientierungslos und das Adrenalin pochte schmerzlich in ihren Ohren. In dem entstandenen Tumult schlang sie hilflos die Arme um den eigenen Körper, kämpfte erfolglos gegen die Panik und wurde von Heulkrämpfen geschüttelt, in dem Wissen, dass sie unausweichlich jemand treten oder über sie stürzen würde. Aufstehen und Schutzsuchen kam nicht in Frage, ihre Beine gehorchten nicht, es war alles zu viel. Sie war allein auf der Welt und in diesem Moment wurde ihr dies zum ersten Mal schmerzlich bewusst. Doch von einer Sekunde auf die Nächste verebbte die angestaute Verzweiflung. Ein kraftvoller Herzschlag drang durch das Klingeln in den Ohren, starke Arme schirmten ihren kleinen Körper von dem hitzigen Tumult der Außenwelt ab und ein warmer Atem streifte ihre Wange, während jemand beruhigende Worte auf sie einflüsterte. Der Krach wurde erstickt. Der zärtliche Griff des Fremden bewirkte tatsächlich, dass Ella langsam wieder zur Ruhe kam. Sie fühlte sich sicher und geborgen, doch raste ihr Herz noch immer unermesslich geschwind. Als dann nach einiger Zeit, welche ihr wie eine gefühlte Ewigkeit erschien, der betäubende Druck in ihrem Kopf nachließ, realisierte sie erst einmal, dass keine Schreie mehr zu hören waren, keine gehetzten Schritte hallten mehr durch die Gassen. Und so wagte sie es, die Augen zu öffnen und über die Schulter der noch immer unidentifizierten Person zu blicken, in deren Armen sie das Chaos ohne einen Kratzer überstanden hatte. Die Menge stand still. Als wäre die Zeit gestoppt wurden, nicht einmal ein Zwitschern der Vögel konnte Ella vernehmen, nichts zeigte ein Zeichen von Leben in sich. Alle starrten auf ein und denselben Punkt, auf sie. Aber warum? Vor ihr stand eine für Ellas Verhältnisse riesengroße Kutsche, Diamanten schmückten das schwarze Holz, Brokat und Seide verzierten die Ränder und sogar in das Geschirr des schwarzen Gespanns waren funkelnde und glitzernde Edelsteine eingebettet. Das Dach fehlte und bot der Kleinen einen perfekten Blick auf die Person, die es sich auf dem geschmeidigen Polstern bequem machte und Ella mit ihrem unbekannten Retter neugierig musterte. Es war ein jung aussehender Mann in einem unvorstellbar kostbaren, weißen Anzug, silbrigweißen Haaren und fesselnd weißen Augen. Der seidig weiche Stoff des Gewands des Mannes an dem Ella sich festkrallte machte sie nun doch neugierig und zwang sie, den Blick von der Kutsche und ihres Insassen abzuwenden. Er war das genaue Gegenteil von dem Mann in der Karosse und doch waren sie sich in Anmut und Eleganz ebenbürtig. Schwarzer Anzug, aschfarbene Haare und dunkle, endlos tiefe Augen. Wie Ella so zu ihm aufsah, erwiderte der Mann den Blick und lächelte so zärtlich, dass sie ihre Angst und Verzweiflung vergaß.
„Asherah, was tust du da?“
Rief der Weißhaarige zu ihnen hinüber, worauf sein Begleiter aber nicht reagierte. Er wandte den Blick von dem Kind nicht ab. Der Kutscher sprang alarmiert von seinem Platz und schloss sich den drei mit Schwertern bewaffneten Wachen in schimmernden Rüstungen an, die Asherah von der stierenden Menge abzuschirmen versuchten. Über ihre breiten Schultern hinweg konnte Ella nicht blicken, ein tiefer Schatten fiel über sie und den in warmes Schwarz gehüllten Mann. Neugierig reckte sie den Hals und versuchte es trotzdem, der weiße Schopf bewegte sich über den eisernen Schulterplatten des Rüstungen hinweg erneut aber es war nicht erkennbar, welches Ziel er anstrebte, ihre Mühe bewirkte ein elegantes Schmunzeln seitens Asherah.
„Dieser Blitz gerade…“, flüsterte er und strich dem Mädchen angenehm zärtlich über den Rücken. „Warst du das, hm?“
Ella wusste es nicht besser als einfach den Kopf zu schütteln und auf unschuldig zu plädieren. Sie hatte Angst, der Mann würde sie bestrafen. Stattdessen wendete er letztendlich doch den Blick ab und beäugte die Wachen und die noch immer gaffende Menge. Ihr war es egal worüber Asherah sich den Kopf zerbrach, sie schloss die Lider und legte den Kopf zurück auf seine Brust. Dieser Herzschlag den sie vernahm, er war so beruhigend, und seine Wärme ließ Ella entspannen. Verstehend hielt Asherah sie etwas sicherer.
„Nishah, ich bezweifle, dass die Kleine dafür verantwortlich gewesen ist. Irgendwelche Reste von Magie?“
„Nein.“ Nishahs Stimme ertönte von der Stelle, in die der Blitz einschlug. „Ich schätze die Überladung hat sie neutralisiert. Es ist unmöglich zurückzuverfolgen, von wem der Impuls ausging.“
„Eure Majestäten, wir liegen bereits weit hinter der verabredeten Zeit. Ich bitte um Verzeihung aber ich bin dazu veranlasst anzumerken, dass diese Audienz eile erfordert.“
Der Kutscher fuchtelte nervös mit einer Taschenuhr in der Luft herum, sodass es unmöglich war das Ziffernblatt zu lesen. Viele Glitzersteine reflektierten das einfallende Licht und aus Reflex versuchte Ella, nach dem glitzernden Gegenstand zu greifen. Sofort zog der schnöselige Pferdelenker die Uhr außerhalb ihrer Reichweite und kniff die Augen warnend zusammen.
„Überlassen Sie sie ihr, ich stelle Ihnen eine neue.“
Bemerkte Asherah sanft und nahm dem Mann vorsichtig die Uhr aus der Hand, der sich tausendmal für sein Verhalten entschuldigte und sich jedes Mal dazu verbeugte. Die Uhr wurde schöner je näher sie betrachtet wurde. Das Zentrum der schwarzen Zeiger ward von einem Diamanten in Form einer Rose besetzt. Er funkelte in unendlich vielen Farben, eine bezaubernder als die andere. Das silberne Zifferblatt besaß eine schwarze Beschriftung und in der oberen linken Ecke war eine zweite, kleinere Uhr eingelassen. Leises, monotones Ticken rief erneut die Erinnerung an Asherahs Herzschlag wach und machte Ella unglaublich glücklich. Ihr herzliches Lächeln ließ auch Asherah kurz auflachen. Dann ging er auf die Knie und setzte Ella ab, strich ihr die Haare hinters Ohr und schloss sich dem anderen Mann, Nishah, auf dem Weg zurück zur Kutsche an. Die nächsten Jahre würde sie die Könige vorerst nicht wiedersehen.

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