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Feilkode 418

Hirschherz

Hirschherz · Romane

Nach dem Tod seines Großvaters eröffnet sich Kai die verborgene Welt der Magie. Zusammen mit dessen Schützlingen sucht Kai den Mörder.

Hva vil du med boka?

Neben Ehrgeiz treibt mich vor allem an, die Leser in magische Welten mit herzerwärmenden Lovestorys zu entführen. Mit dem Buch will ich eine versteckte Welt zeigen, die ebenso wie unsere Gesellschaft ihre ganz eigenen Probleme hat. Eine Co-Existenz ist nur schwer möglich, doch gibt es immer ein paar Idealisten, die sich dem Frieden verschreiben und alles daran setzen, ihn durchzusetzen.

Om forfatteren

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Dhalia B. Winters, geboren in Bonn, ist in der Kranken- und Altenpflege tätig. Schon als Jugendliche hat sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckt, obwohl sie selbst keine sonderlich große Leserat...

Prolog

Das garstige Krächzen einer Krähe riss Kai unsanft aus dem Schlaf. Seine Glieder schienen ihm im ersten Moment nicht zu gehorchen und er kämpfte sich unter größter Mühe in den Schneidersitz. Sonnenstrahlen brachen durch das Dickicht aus Laub und Nadelwerk, warfen leuchtende Flecken auf das Unterholz.

Skeptisch sah er sich um. Dieser Wald kam ihm seltsam vertraut vor. Müsste er ins Blaue raten, würde er auf die umliegenden Wälder von Oaklake tippen.

Zweige knacken, brachen die Stille und Kais rehbraunen Augen suchten nach der Ursache. Hinter einem Baum reckte ein Geweih hervor, bestehend aus wallendem Nebel, und ein Hirsch trat einige Schritte vor, offenbarte seinen Körper, der restlos aus dichtem Dunst bestand.

Still sah das Tier in Kais Richtung, verharrte. Sekunden vergingen, addierten sich zu Minuten, bis es schließlich umdrehte und sich in Bewegung setzte.

Das konnte nur ein Traum sein, dachte Kai, doch trotz des Wissens regte sich etwas in seinem Innersten. Ein Impuls – wie ein Ruf. Zögernd beschloss er, dem Tier zu folgen, so lange, bis er hinter einer Tanne abbog und sich einfach in Luft auflöste.

„Opa!“

Kai horchte auf, folgte dem Klang der aufgeregten Kinderstimme. Zwischen Stämmen und Ästen erkannte er eine winzige Lichtung. Dort lag ein umgestürzter Baumstamm, auf dem ein alter Mann saß, in dessen kastanienbraunes Haar sich bereits einige silberne Strähnen geschlichen hatten.

Bei dem Anblick schürte sich ihm die Kehle zu. Dieser alte Mann – er war sein Großvater gewesen.

„Opa, sieh mal, was ich gefunden hab!“, rief der Junge – Kai selbst – stolz aus und hielt Großvater beide Hände entgegen.

Der Alte lenkte seinen Blick auf die Ausbeute. „Oh, du bist ja ein richtiges Naturtalent!“

„Also kann ich die Pilze in den Korb werfen?“

„Das könntest du tun“, antwortete er. „Aber bist du dir auch wirklich sicher, dass das echte Pfifferlinge sind?“

Der Blick des Jungen fiel in seine Handflächen. „Ich ... ich weiß nicht.“

Langsam beugte sich Großvater vor und kramte ein Taschenmesser aus seiner Hose. „Du musst sie anschneiden“, sagte er und hob einen der Pfifferlinge aus der Hand des Jungen, schnitt ein Stück heraus. „Ich glaube nämlich, dass das ist ein falscher Pfifferling ist. Das Fleisch ist Orange, siehst du?“

„Wirklich ...?“

„Du hast doch dein schlaues Buch dabei, oder? Dann such mal nach dem Gabelblättling.“

Er nickte eifrig, legte die Pilze in die Wiese und zog ein von Schutzfolie ummanteltes Heftchen hervor, blätterte darin.

„Hilf mir mal auf die Sprünge“, sagte Großvater. „Welche Farbe hat das Fleisch vom Gabelblättling nochmal?“

„Ähm ... Gelb bis Orange!“

„Ach, ja, stimmt. Und das der Pfifferlinge?“

Erneut blätterte der Junge im Heft und hob die Seite in Richtung Großvater. „Weiß mit gelbem Rand.“ Enttäuscht blickte er auf den Haufen Pilze zu seinen Füßen. „Also ... können wir die nicht essen?“

„Man kann sie schon essen“, antwortete Großvater und gab ihm den Pfifferling zurück. „Aber sie schmecken nicht gut und wir könnten davon Blähungen kriegen.“

„Ihhh!“ Kai verzog das Gesicht und warf den Pilz direkt in die Wiese, als wäre er hochgiftig. „Bloß nicht!“

Großvater grinste amüsiert, beugte sich vor und hielt dem Jungen den Griff des Taschenmessers entgegen. „Aber wir müssen doch erst einmal sehen, ob die wirklich alle falsch sind, was meinst du?“

Eilig umfasste der kleine Kai den Griff. Sein Großvater mahnte jedoch: „Wie lautet die wichtigste Regel im Umgang mit Messern?“

„Die Klinge immer weg vom Körper!“

Noch immer verharrte Kai im Schatten des Dickichts und beobachtete sie, wie sie Stücke aus den mutmaßlich falschen Pfifferlingen schnitten. Nur drei von ihnen fanden ihren Weg in den Korb und als sie fertig gewesen waren, verabschiedete sich der Junge wieder zu einem weiteren Pilzraubzug. Großvater blieb allein zurück.

Kai erinnerte sich gut. Damals war er sieben Jahre alt und dort nahm ihr herbstliches Ritual seinen Anfang. Betroffen ließ er den Kopf sinken, als er daran dachte, dass es nun sein Ende gefunden hatte und dass sie das letzte Mal vor zwei Jahren überhaupt miteinander gesprochen hatten. Jetzt ... war es ohnehin zu spät gewesen.

Wie automatisiert trat Kai einige Schritte vor, hinaus aus den schützenden Schatten der Bäume und Großvater sah in seine Richtung.

„Oh, guten Tag.“ Freundlich hob Großvater die Hand.

Er schien Kai nicht zu erkennen – wie auch, wenn man bedachte, dass diese Erinnerung nun schon ganze 15 Jahre zurücklag?

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Großvater und deutete Richtung Norden. „Falls Sie sich verlaufen haben – Oaklake liegt in diese Richtung.“

„Vielen dank“, antwortete Kai zögernd. „Aber ich war nur spazieren.“

Stirnrunzelnd sah er ihm entgegen. „Ah, mein Fehler. Sie sahen so verloren aus, deshalb dachte ich ...“

„Es ist schön, dich zu sehen, Opa“, wollte Kai sagen, doch er stoppte sich im letzten Moment. Wie auch hätte er es übers Herz bringen können, Großvater zu eröffnen, dass er bereits tot war? Dass es sich lediglich um einen Traum handelte, machte für Kai keinen Unterschied.

„Sicher, dass es Ihnen gut geht?“, hakte Großvater nach und rutschte auf dem Stamm ein Stück nach rechts. Mit dem Schwenk seiner Hand bedeutete er Kai, sich zu setzen.

„Schätze, ich hab einfach zu wenig getrunken und mein Kreislauf spielt verrückt“, antwortete er freundlich lächelnd und kam dem Platzangebot seines Großvaters nach, setzte sich.

„Ich habe noch eine Flasche Sprudel dabei, wenn sie möchten?“

Er winkte ab. „Vielen Dank, aber es geht gleich wieder.“

Beide verfielen dem Schweigen. Kai lauschte dem Rascheln der Blätter und das Trällern einer einzelnen Meise drang durch die Wälder, hinaus auf die Lichtung. Aus dem Augenwinkel erkannte er, wie Großvater ihm hin und wieder einen kurzen Blick zuwarf.

„Wissen Sie“, brach er schließlich die Stille und wandte sich an Kai. „Es ist merkwürdig. Sie sind meinem Sohn wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Oh, tatsächlich?“

„Ja, nur gut zehn Jahre jünger.“ Er stoppte abrupt, winkte peinlich berührt ab. „Tut mir leid, das muss für Sie sehr seltsam klingen. Sie kennen mich ja gar nicht. Nur ... Sie erinnern mich sehr an ihn.“

Nur selten verlor er ein Wort über den Vater, an den Kai sich nicht einmal mehr erinnern konnte. Vielleicht konnte er Großvater noch ein paar Informationen entlocken?

Doch kaum stand der Gedanke im Raum, schlug er sich im Geiste direkt selbst dafür. Das war ein Traum. Sein Traum. Was für Informationen sollte Großvater also besitzen, die Kai nicht selbst besaß?

„Macht nichts, wirklich“, versicherte Kai. „Jeder hat einen Doppelgänger, hab ich zumindest mal gehört.“

„Das stimmt schon. Aber dass ich gerade hier auf das Ebenbild meines Sohnes treffe ... ist wie verhext.“

Ein Schmunzeln konnte Kai nicht unterdrücken. Er erinnerte sich noch gut daran, dass er in Großvaters Büro einmal über ein Buch über Magie und Hexerei gestolpert war. Interessant zu lesen, aber Unfug. Wie oft hatte er sich an heimlichen Ritualen versucht, in unbekannten Sprachen und mit magischen Symbolen. Nie hatten die Zauber funktioniert. Umso erstaunlicher war es, wie wütend Großvater geworden war, als er ihn einst inmitten eines Runenzirkels gefunden hatte, den er mit einem Holzstock in den Dreck gezeichnet hatte.

„Magie gibt es nicht“, antwortete Kai daraufhin. „Womöglich war es einfach nur Schicksal.“

„Sie glauben nicht an Magie?“

„Nein. Sie etwa?“

„Durchaus“, antwortete Großvater ernst und faltete die Hände vor dem Gesicht. „Ich denke, dass sie sehr wohl existiert. Nur glaube ich, dass sie bei Weitem nicht so romantisch ist, wie sie sich die Menschen gerne vorstellen.“

Stirnrunzelnd sah Kai ihm entgegen. „Was meinen Sie?“

„Ich glaube nicht an die Existenz von versteckten Gassen, Briefeulen und Zauberstäben. Ich glaube, dass die Realität viel brutaler ist. Dass die, die der Magie mächtig sind, in den Schatten leben und dazu gezwungen sind, Doppelleben zu führen ... und das sie Feinde unter ihresgleichen und den Menschen haben, die sie jagen.“

„Klingt mehr nach einer Idee für einen düsteren Roman.“

Großvater hob einen Zeigefinger. „Nichts macht den Menschen mehr Angst als das Unbekannte. Also kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Welt der Magie eine Bedrohung für die Ottonormal-Gesellschaft wäre.“

„Klingt fast so, als würden sie fest daran glauben.“

Eindringlich sah Großvater ihm entgegen. „Nehmen wir mal an, diese zweite Gesellschaft wie diese existiert tatsächlich – dann hoffe ich, dass Sie niemals mit ihr konfrontiert werden.“

„Opa!“

Kai lenkte den Blick zu seinem jüngeren Ich, das über die Wiese flitzte und vor seinem Großvater zum Stehen kam, dabei beinahe über die eigenen Füße stolperte. Stolz präsentierte er ihm einen Steinpilz von gigantischem Ausmaß.

„Da hast du aber ein wirklich feines Exemplar gefunden. Hat der auch wirklich keine faulen Stellen?“

„Hab keine gesehen.“

„Und ist er auch nicht angefressen?“

Er schüttelte den Kopf und lenkte daraufhin den Blick zu Kai. „Hallo, ich bin Kai!“, sagte er und hielt ihm die Hand entgegen. „Bist du ein Freund von Opa?“

Zugegeben – es war mehr als nur befremdlich, mit sich selbst konfrontiert zu werden, befand er stumm für sich, ehe er dem Jungen die Hand reichte. „Nur ein Bekannter. Ich heiße ... Jace. Freut mich.“

Anerkennend nickte der Junge ihm zu und Kai sah über seinen Kopf hinweg, in den Wald – wo sich der weiße Hirsch erneut aus wallendem Nebel zu manifestieren begann. Kai kniff die Augen zusammen, er konnte es fühlen – seine Zeit hier war abgelaufen.

Langsam erhob er sich, ließ seinen Blick nicht von den Augen des Hirsches ab. „Also dann“, sagte er. Großvater und sein jüngeres Ich schienen das Tier nicht zu bemerken. „Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.“

„Charles.“

„Wie?“

„Mein Name.“ Großvater blickte zu ihm auf. „Charles Duvall.“

Kai lächelte, nickte Großvater zu und wandte sich schließlich an den Jungen. „Dich natürlich auch, Kai. Macht es gut.“ Er winkte ihnen zu und lief schließlich in Richtung des Hirschs, dessen Nebel sich auf dem Boden ausbreitete und den Wald mit jeder Sekunde mehr vereinnahme.

„Machs besser!“, erreichte ihn die Stimme des Jungen und er wandte sich amüsiert um, sah ihn noch frech grinsen. Dass er als Kind so vorwitzig gewesen war, hatte er gar nicht mehr so recht in Erinnerung.

Der Junge winkte und Großvater lächelte mild, ehe der Nebel auch die Lichtung völlig verschlang. Keine Sekunde später dröhnte das penetrant rhythmische Piepsen eines Weckers in Kais Ohren.

Er schlug die Augen auf, starrte an seine Zimmerdecke, reglos. Nach einer Weile glitt sein Blick langsam zum Kalender.

Heute war der dreizehnte September – die Kachel mit einem schwarzen Kreuz versehen: Der Tag von Großvaters Beerdigung.

An diesem Morgen hatten sich an die 150 Trauergäste auf dem Friedhof eingefunden, gekleidet in faltenfreie Anzüge und langärmlige Kleider. Auch Kinder waren zugegen, das Haar der Mädchen in brave Zöpfe geflochten, das der Jungs penibel gekämmt.

Doch nicht nur Menschen wohnten der Beerdigung bei, denn ein schwarzer Kater beobachtete das Treiben auf dem Friedhof, verborgen im Schatten einer Fichte. Stur blieb er dort sitzen und ließ die gesamte Trauerrede über sich ergehen.

Lalo hörte jedes einzelne Wort, jedes Schluchzen, das vom Wind den Hügel hinab getragen wurde und konnte nicht anders, als die Ohren anzulegen.

Es war die reinste Qual gewesen. Der Pfaffe trug viel zu dick auf, faselte vom reinen Herzen bis hin zu Gottes sanfter Umarmung und der glückseligen Ewigkeit. Er unterdrückte er den Impuls, zu würgen – denn diesmal würden es bestimmt keine Haarballen werden.

Im Angesicht des überschwänglichen Schmalzes war er dennoch gekommen, um seinem Mentor Charles die letzte Aufwartung zu machen und mögliche Informationen über dessen Tod zu sammeln. Für diese Aufgabe war er wie geschaffen, denn in den wenigsten Fällen – quasi gar keinen – bezichtigte man eine Katze der Spionage.

Mit Argusaugen wachte er über die Beerdigung. Charles hatte mal einen Enkel erwähnt, den aber weder er, noch seine anderen Schützlinge Damien und Ariel je zu Gesicht bekommen hatten. Kai war sein Name, entsann sich Lalo, und seine bernsteinfarbenen Katzenaugen suchten in der Menschenmenge nach dem Enkel. Schließlich stoppten sie bei dem jungen Mann, der zu Beginn der Beerdigung viel zu viele Hände schütteln musste.

Er war von schlanker Statur und hatte kastanienbraunes Haar. Ein eher unauffälliger Kerl, selbst in Anzug und Krawatte. Der alte Chuck hatte bis auf dieses eine Mal nie ein Wort über Kai verloren, vermutlich um ihn zu schützen und ihm ein normales Leben zu ermöglichen.

„Meine Wenigkeit ist entzückt zu sehen, dass zumindest eines von Charles kleinen Vögelchen sich herbemüht hat.“

Schwarze Pumps traten auf dem Waldboden neben Lalo auf, behaftet mit dem intensiven Duft von Rosen. Er musste nicht einmal nach oben sehen, um zu wissen, wer dort neben ihm stand. Der Singsang ihrer Stimme und ihre Wortwahl waren unverkennbar.

„Was willst du hier, Rose?“, fragte er knapp und sah zu ihr auf. Schwarze Rosen zierten ihr weißblondes Haar, der voluminöse Zopf so lang wie eine Brautschleppe.

„Natürlich hat sich meine Wenigkeit hier eingefunden, um sich von dem werten Charles zu verabschieden.“

„Warum? Du hattest nie etwas mit ihm zu tun.“ Lalos Schwanz schwang unruhig hin und her. „Oder bist du vielleicht sogar verantwortlich für seinen Tod?“

„Wie überaus unschicklich, mir eine solch garstige Tat zu unterstellen!“ Arglos drehte sie den schwarzen Schirm in ihren Händen, bestehend aus teurer und aufwendig gearbeiteter Spitze. „Meine Wenigkeit hat mit seinem überaus bedauerlichen und tragischen Dahinscheiden nichts zu tun.“ Fassungslos hielt sie sich die Hand vor die Lippen. „Welch entsetzlicher Gedanke!“

Ja, wie kam er nur darauf, dachte er voll des Sarkasmus. Rose war nicht umsonst als die Schlange bekannt. Niemand wusste genau, wie weit ihr Einfluss und ihre Geschicke reichten, doch Lalo würde es nicht wundern, wenn sie neben Obdachlosen auf der Straße sogar Zugang zu Regierungsorganen hatte. Dass sie ausgerechnet auf Charles Beerdigung aufkreuzte, war mehr als nur alarmierend.

„Mein liebster Lionel, du solltest wissen, dass ich Charles sehr geschätzt habe. Er war wahrhaftig ein Idealist. Frieden zwischen Menschen und ihren magisch begabten Verwandten, welch entzückend rechtschaffene Vision!“ Das Lächeln auf ihren puppenhaften Zügen verlor sich nicht, schien fast wie festgefroren. „Dabei wissen die Menschen nicht einmal, dass wir überhaupt existieren – dank unserer vielgeschätzten Krähen, die unsereins als Laborratten halten oder abschlachten wie Vieh.“

Lalo stutzte. Sie schien ebenfalls zu glauben oder vielleicht sogar zu wissen, dass Charles Tod kein Natürlicher war. Die Frage war jedoch: Woher?

„Zum Verdruss anderer ... Parteien schien Charles den Idealismus mit Pazifismus verwechselt zu haben, so dachten zumindest viele andere, die nichts von seinem Vermächtnis wussten.“

„Sein Vermächtnis?“

„Kai Duvall“, sagte sie und drehte ihren Schirm unaufhörlich. „Ist es denn nicht wahrhaft ... bizarr, dass sein Enkelchen nicht die geringste Spur von Magie aufweist? Nicht ein Fünckchen! Er ist eine Kursiosität unter Unseresgleichen!“

„Keine Magie? Das ist unmöglich“, erwiderte Lalo skeptisch. Zugegeben, auf die Entfernung hätte er niemandes Magie ausmachen können, doch dass jemand – dass Kai – keine Magie innewohnen sollte, war schlicht unmöglich. Jeder Betroffene wusste, dass der Fluch der Hautwanderer an die Nachkommen weitergegeben wurde, und das seit Jahrhunderten.

Für einen Moment schwieg Rose, ehe sie sich lächelnd zu Kater Lalo hinab beugte und ihm hinter dem Ohr kraulte. „Wer weiß?“, trällerte sie. „Vielleicht hat der gute Charles tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, den Fluch zu brechen?“

„Mach dich nicht lächerlich.“ Lalo duckte sich unter ihrer Hand hinweg, erkannte aus dem Augenwinkel ihre zierliche Hand in Spitzenhandschuhen, die passend zu ihrem Chiffonkleid ausgewählt waren. „Er war ein Hautwanderer, kein Hexer. Ausserdem haben die Krähen alle Hexen und Hexer getötet.“

Lächelnd erhob sie sich, drehte weiter ihren Schirm. „Ist sich das kleine Vögelchen dessen auch wirklich sicher?“

„Ja, so ziemlich.“

„Dann lass mich dir etwas ... Unglaubliches verraten“, sagte sie und beugte die Knie, hielt sich einen Finger vor die Lippen. „Sicher ist: wer auch immer den alten Charles abgemurkst, ich meine ... das Lichtlein ausgeknipst hat, wusste, dass er den Fluch der Hautwanderer – welch widerliches Wort im Übrigen – zumindest manipulieren konnte.“

„Selbst wenn das stimmen würde, ist dir hoffentlich klar, dass du dich mit all dem vermeintlichen Insider-Wissen überhaupt nicht verdächtig machst?“

Rose ignorierte seine Anspielung und richtete den Blick gen Hügel. Die Trauergäste verabschiedeten sich nach und nach. Kai hingegen blieb noch einige Minuten länger, ehe auch er das Grab seines Großvaters verließ.

„Zu ihrem Verdruss sind die Krähen nicht allmächtig. Möglicherweise sind diesen elenden Drecksäcken, ich meine ... werten Weltverbesserern ein paar kleine Vögelchen entflogen. Vögelchen, die Charles geholfen haben, Lavenzas Fluch zu manipulieren. Aber was weiß meine Wenigkeit schon? Ich bin lediglich ein ... Zuschauer, wenn auch ein äußerst lästiger.“

Lalo stand auf, begab sich auf alle vier Pfoten und wandte sich an Rose. „Selbst wenn es auf dieser Welt noch irgendwo Hexer geben sollte, ist keiner von ihnen annähernd so mächtig, wie Hexenmutter Lavenza es war.“

„Es mag stimmen, dass der Fluch der Hautwanderer ein wahres Meisterwerk von ungeahnter Komplexität und Schönheit ist, dazu noch seit über 800 Jahren ungebrochen, allerdings ...“, trällerte Rose und hob einen Finger, „Heißt das nicht, dass es eine Unmöglichkeit sei.“

„Nehmen wir mal für eine Sekunde an, dass das, was du da vom Stapel lässt, tatsächlich der Wahrheit entspricht – dann wurde Charles also wegen der Decodierung ermordet?“

„... für die einen die ersehnte Rettung ...“ Ihr Blick schärfte sich mit einem Mal, durchbohrte seinen Körper wie ein Richtschwert. „Für die anderen Hochverrat.“

„Es ... waren also nicht die Krähen?“

„Absolut nicht, mein kleines Vögelchen!“, sang sie und drehte eine Pirouette. „Vielleicht waren es die Hexer? Oder vielleicht sogar die Phönixschwinge? Wer weiß?“

Du, offensichtlich, dachte er, schwieg jedoch. Ob er Roses Warnung glauben schenken sollte? Zumindest waren sie sich in dem Punkt einig, dass es einen Mörder gab, allerdings war das Wer ausschlaggebend. Durchaus denkbar, dass Rose ihn auf eine falsche Fährte ansetzen wollte, um von sich selbst oder jemandem, den sie beschützten wollte, abzulenken. Der Fakt mit den Krähen könnte allerdings stimmen, denn bisher hatte sich kein einziger dieser Bastarde im schwarzen Mantel blicken lassen – nicht in Oaklake. Noch nicht.

„Man stelle sich bloß vor, welch grausigen Konsequenzen es wohl hätte, wüsste man, dass Lavenzas Fluch nicht unfehlbar wäre!“ Schließlich machte Rose einen Knicks. „Ihr solltet besser gut auf den jungen Hirschen Acht geben, denn Drachen lauern hinter jeder Ecke. Meine Wenigkeit legt Charles kleinen Vögelchen jedoch dringlichst ans Herz, sich vorher gut zu überlegen, ob sie sich mit schurkischen Drachen anlegen möchten.“

Mit diesen letzten Worten wandte sich Rose von Lalo ab, stiefelte den Hügel hinauf und drehte unablässig ihren Schirm.

„Was denkt sie sich eigentlich dabei, mir so einen Mist aufzutischen?“, fragte Lalo sich selbst. Doch ... obwohl ihre Worte unmöglicher nicht hätten klingen können, so regte sich Unbehagen in seinem Herzen. Was, wenn sie doch die Wahrheit gesagt hatte?

So oder so, ganz allein darüber zu grübeln, brachte nichts und Lalo machte sich auf den Weg, tapste in Richtung Stadt, um sich mit Damien und Ariel zu beratschlagen.

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