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Feilkode 418

Tree City - Die letzte Bastion

Tree City - Die letzte Bastion · Romane

Peter Seifert kündigt. Und errichtet eine alternative Gesellschaft. Was bald den ultimativen, globalen Showdown heraufbeschwören wird.

Hva vil du med boka?

Zuerst einmal möchte ich den Leser, die Leserin mit diesem Buch unterhalten. Punkt. Es soll ihn oder sie von Herzen lachen lassen. Darüber hinaus aber möchte ich das Bewusstsein der Leser gerne auch dafür sensibilisieren, dass das, was wir gegenwärtig als unsere gesellschaftliche und globale Realität erleben, auch nur eine selbst geschaffene Wirklichkeit ist, die ursprünglich aus einer Vorstellung entstand, wie die Dinge sein müssten, oder gar den limitierenden Vorstellungen, dass es "anders gar nicht ginge". Stattdessen können wir fast jede beliebige Vorstellung von Realität verwirklichen - wenn nur ausreichend viele Menschen an diese neue Realität glauben und sie zu leben versuchen würden. Das ist keine Utopie. Sondern eine einfache Wahl! Dank der modernen Hochtechnologie verfügen wir heute über die echte Möglichkeit, uns unsere künftige Realität in einer bewussten Entscheidung zu wählen. Anstatt einfach blind das weiter- und nachzuleben, was uns vergangene Jahrhunderte, in all ihren Fehlern und Unvollkommenheiten hingestellt haben. Und dafür plädiere ich, mit diesem Buch: Für eine neue, phantastische Welt und den Mut, diese einfach zu leben. Es lohnt sich, entschlossen zu träumen. Mein Buch möchte auch ein Bewusstsein dafür schaffen, Zufriedenheit im Wenigen zu finden, anstatt sich aufzureiben auf der Hetzjagd nach dem Vielen, möchte den Sinn für eine möglichst einfache, dafür aber freiere, konzentrative und achtsamere Lebensweise schärfen.

Om forfatteren

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Da gucksch!

TREE CITY – DIE LETZTE BASTION

NEU: VOYEUR-EDITION!

Disclaimer:

Alle Rechtschreibfehler, welche die werte Leserschaft in diesem Buch noch auffinden mag, sind mit purer Absicht darin gelassen worden: Zusammengefasst und richtig kombiniert ergeben sie die Lösung zur Dechiffrierung des Voynich-Manuskriptes.

 

Triggerwarnung:

Sex, Orgien, Gefangenschaft, Sklaverei, Dummheit, Stumpfheit, Ignoranz, Armut, Drogen, Hunger, psychische Anfälligkeit für Verschwörungstheorien, Korruption, Machtmissbrauch, Nötigung, Obdachlosigkeit, Einsamkeit, Massenpsychosen, Extremismus, Empfindlichkeit bei behördlicher Ignoranz, Neigung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses, Landfriedensbruch, Empfindlichkeit gegenüber Kinderarbeit, Datenmissbrauch, Fanatismus, kultische religiöse Handlungen, militärische Kampfhandlungen, Verzehr von Tieren, Jobcentermist.

 

Triggerwarnung 2:

In diesem Buch wird nicht gegendert. Doch gleiche Ehre sei jedem Menschen, jetzt und in Ewigkeit und immerdar!

 

 

„Nicht nur reden, träumen, hoffen.

Sondern, scheiße, einfach mal TUN!“

-          Greyhawk

 

 

 

 

Vorwort des Verlegers:

Das folgende Buch erzählt, auf vielfachen Wunsche hin, erstmals die Geschichte Greyhawks, sowie den Aufstieg und Fall von Tree City, das Entstehen der neuen Weltgesellschaft und alle sonstigen Geschehnisse, welche damals, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, medial größtes Aufsehen erregten.

Die vorliegende Ausgabe der "Voyeur Edition" enthält zudem die geheimsten und intimsten Auszüge aus Greyhawks persönlichem Tagebuch - der Verleger konnte, nach einem intensiven Rechtstreit, das Recht zur Veröffentlichung der entsprechenden Textstellen durchsetzen.

Die Basis zu dem vorliegenden Buch sind einerseits also die biographischen Aufzeichnungen und Memoiren, welche Greyhawk selbst als ein persönliches Manuskript verfasst hatte und das später in den Ruinen Tree City´s aufgefunden wurde, sowie die Auswertung seines wiederaufgetauchten Tagebuchs (einer seiner ehemaligen Nachbarn war so nett, dem Verleger eine Kopie zukommen zu lassen).

Aufgrund der Veröffentlichung des "Hochgeheimen Tagebuchs" des Greyhawk läuft derzeit ein Rechtsstreit zwischen dem Verfasser und Verleger. Der Verleger konnte mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung das Erscheinen der vorliegenden "Voyeur Edition" erreichen, mit der Begründung, dass "ein starkes, öffentliches Interesse auch an diesen intimsten Aufzeichnungen bestünde". Das Gericht gab dem statt. Aus diesem Grunde dürfen die Tagebucheintragungen von Greyhawk in dieser vorliegenden Edition also explizit verwendet werden! Ein Einspruch gegen diese Urteilsbegründung ging bisher nicht ein, zumal der Verbleib von Greyhawk derzeit ohnehin unbekannt ist.

Wann immer in den folgenden Aufzeichnungen Geschehnisse, Dialoge oder Gedanken bestimmter Personen beschrieben werden, von welchen Greyhawk während der damaligen Ereignisse nichts wissen konnte, so wurden diese nachträglich zusammengetragen und entstammen Zeugenaussagen von damals direkt beteiligten Menschen, sowie Akten der Staatsanwaltschaft und Tonbandprotokollen des Verfassungsschutzes oder auch diverser Boulevardblätter. Diese Zeugenaussagen wurden sorgfältig auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft.

 

Der Verleger - Buxburg, 21. April 2022

 

 

  

Kapitel 1 – Orion und Onion Rings

 

Manche Menschen gelangen zu Macht. An Macht ist per se nichts Schlechtes. Eine ganz andere Frage aber ist, wofür sie diese Macht benutzen würden.

Macht ist Möglichkeit, ist die Chance und Wirkkraft, Dinge verändern zu können. Wir alle wünschen uns das. Wer es nicht tut, der lügt.

Ich jedenfalls hatte diese Macht. Für einen kurzen Moment konnte ich die Welt verändern. Ich, ein ehemaliger "Kunde" des Jobcenters Buxburg, eine 1-Euro-Arbeitsdrohne, tief im Bauch der Sklavengaleere einer Gesellschaft, für die Geld alles, Kunst und Kreativität aber fast nichts war.

Macht kann man auf verschiedenen Wegen erlangen. Zum einen durch Reichtum. Zum anderen durch geistigen oder kulturellen Einfluss. Oder durch Waffengewalt. Letzteres schied schon mal aus. Ich bin nicht der Typ dazu. Bin eher Genießer und Gefühlsmensch. Ich liebe Nutella, meine Kuh und mein Schwein - beide hatte ich mir damals angeschafft, weil sie laut §811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als nicht pfändbarer Besitz gelten.

Auch der Typ zum Reichtum bin ich nicht, schon aus dem Grunde, weil ich Zahlen langweilig finde, Beziehungen mich immer viel zu sehr ablenken und ich sowieso lieber unter einem Baum oder an einem Fluss sitze, und einfach die Sonne, den Wind und das Rauschen der Blätter genieße, anstatt mit verkniffenem Gesicht an der Börse, in einem BWL-Kurs oder in einem chromgrauen Büro zu sitzen.

Bleibt also noch der geistig-kulturelle Einfluss. Sagt einer, der sich, wie Sie ja vielleicht noch wissen, wenn Sie damals fleißig die mediale Berichterstattung mitverfolgt haben, vor den Kameras einer Live-Talkshow vor Markus Lanz nackt ausgezogen hatte.

Ich war einfach überfordert.

Aber trotzdem - ja, das war mein Weg zur Macht. Zumindest der Beginn. Ich habe weder ein kluges Buch geschrieben, noch eine echte Heldentat begangen.

Was, werden Sie sich jetzt fragen, habe ich denn der Gesellschaft noch gegeben, außer hin und wieder einen handfesten Skandal? Die Antwort ist einfach. Das, was sie am meisten suchte, mehr als alles andere.

Ich habe der Gesellschaft ihre Seele wiedergegeben.

Etwas, das alle Menschen wieder miteinander verbindet. Anstatt schweigend und anonym aneinander vorbeizugehen. Etwas, das sie wieder aufstehen, wieder Feuer in ihren Herzen, wieder Sinn und Begeisterung fühlen ließ und etwas, wofür es sich lohnt, zu kämpfen. Und morgens überhaupt aufzustehen.

Ich habe ihnen ein Ideal gegeben, einen Leitstern, eine Vision.

Und dass ich geradezu unverschämt reich wurde, ich, der vor einem Jahr noch auf einer alten, abgewetzten, speckigen Holzbank vor dem Wartezimmer meines Jobcenter-Sachbearbeiters saß, das war nicht geplant, das war ein pures, zufälliges Nebenprodukt meines Schicksalsweges. Aber es sicherte mir diese zweite Säule der Macht - den Reichtum.

Meistens verdankt sich Reichtum einem bestimmten Produkt. Man erfindet etwas Tolles, stellt es her, verkauft es - und Schwupps! - ist man reich. Wenn das Produkt nur zugkräftig genug ist.

Das Kali-Kartell, zum Beispiel, erwirtschaftete im Jahre 1996 sieben Milliarden US-Dollar. Allein Pablo Escobar verdiente einige Millionen Dollar jeden Tag, 420 Millionen Dollar pro Woche, 22 Milliarden im Jahr, das Guadalajara-Kartell Mexikos etwa 5 Milliarden Dollar. Die Oberhäupter dieser Organisationen fanden sich in der Forbes-Liste der reichsten Männer der Welt wieder.

Diese Menschen wurden so absurd reich, indem sie die Sucht der sogenannten zivilisierten Gesellschaften befriedigten und belieferten.

Sie vergiften mit ihrem Produkt die halbe Welt und befinden sich deshalb mit unzähligen Staaten im Kriegszustand. Und dennoch scheffeln sie ein Vermögen und zählen zu den mächtigsten Organisationen dieser Welt. Tag für Tag, Jahr für Jahr.

Das ruft natürlich Gegenkräfte hervor, und diese waren enorm: Polizei, Armee, die Drogenbehörden der USA und Europas waren ständig hinter ihnen her. Außerdem gab es permanent rivalisierende Kämpfe innerhalb und zwischen den Kartellen.

Aber jetzt stellen Sie sich bitte einmal vor, was erst passieren würde, wenn Sie ein Produkt erfinden und verkaufen würden, zu dem es keine Gegenkraft geben kann? Weil es zum einen absolut unschädlich ist, im Gegenteil, es den Menschen nur zum Besten gereicht? Ein Produkt, das nicht krank macht, sondern, stattdessen, die körperliche, seelische und geistige Gesundheit des Einzelnen und damit letztendlich auch der ganzen Gesellschaft enorm fördert. Ein Produkt ohne Nebenwirkungen Ein Produkt, das primär weder auf Gewalt, noch auf Geld, noch auf Eigennutz überhaupt aufgebaut ist. Sondern alleine die Weiterentwicklung der Menschheit zum Ziel hat. Ein Produkt, das jeder lieben muss, weil es diese Welt wirklich zu einem besseren Ort macht. Ein Produkt also, das ausschließlich Begeisterung hervorruft. Ein Produkt, das so großartig, so einwandfrei nützlich und begehrenswert ist, dass man dafür nicht einmal wirklich Werbung machen muss. Und jetzt kommt das Beste: Ein Produkt, das sogar völlig kostenlos ist.

Sie schenken es praktisch jedem! Jedem, der es annehmen möchte. Wer möchte, kann natürlich spenden - aber niemand muss. Und bevor Sie jetzt fragen: Nein, es werden keine Verbraucherdaten verwendet, weiterverkauft oder ähnliches. Wie ich schon sagte: Alles völlig ohne Nebenwirkungen.

Was wäre also, wenn Ihnen die Erfindung eines solchen Produkts gelänge? Richtig, genau: Sie wären in kürzester Zeit einer der reichsten und beliebtesten Menschen der Welt. Ohne das Geschichtsbuch zu besudeln, indem Sie eines Tages abgedruckt sein würden. Und ohne Twitter kaufen zu müssen oder einen Sportwagen in den Weltraum zu schießen.

Jetzt, da ich milliardenschwer bin, da kenne ich endlich das wahre Geheimnis des Reichtums. Soll ich es Ihnen verraten? Kommen Sie, ich tue es einfach. Jetzt und hier. Schon allein damit all diese windigen Geschäftemacher, diese angeblichen Erfolgscoaches und Esoterik-Tanten nicht mehr an Ihnen verdienen können, Ihnen nicht mehr das Geld aus den Taschen absaugen können.

Also, hier ist es - haben Sie einen Stift? Schreiben Sie mit:

Es gibt fünf dunkle Wege, zu Reichtum zu gelangen. Und nur einen ehrlichen. Nein, nicht harte Arbeit. Damit wird niemand reich. Aber beginnen wir mit den fünf zweifelhaften Wegen. Diese sind:

Weg Nummer eins: Erbe das Geld von Mama und Papa. Peinlich.

Weg Nummer zwei: Habe ein Startkapital - und lasse fortan das Geld für Dich arbeiten. Langweilig. Etwas für unkreative, uncharismatische BWL-Studenten und andere Sesselfurzer.

Der dritte Weg: Lass andere für Dich arbeiten. Auch etwas für Unkreative, und für Faule noch dazu. Gründe zum Beispiel einen Buchverlag, lebe von der Kreativität anderer und speise die Autoren mit einem Euro pro verkauften Buch ab.

Eine vierte Möglichkeit: Betrüge andere - und sauge ihnen ihr Geld ab. Werde Esoterik-Tante oder Verschwörungs-Onkel.

Oder, Fünftens: Habe Kontakte und Beziehungen. Schlafe Dich hoch und schleime Dich ein, lecke Stiefel oder sieh einfach scheiß gut aus.

Manche Menschen schaffen es tatsächlich, alle fünf Methoden auf einmal für sich zu nutzen - und ich bin ganz sicher, in der Hölle gibt es einen extra Platz für sie.

Oder aber - und nun zur einzig ehrlichen Methode: Habe eine wirklich hervorragende Idee. Kein Hype-Mist, kein Luna-Luna-Hey oder so etwas. Sondern erschaffe etwas, das wirklich alle Menschen wollen und wirklich brauchen.

Ich habe so etwas erschaffen. Und es war gar kein Produkt, es war nichts zum Anfassen, ja man konnte es noch nicht einmal kaufen! Es war wirklich nur das eine: Eine Idee. Und sie war nicht geschützt, war nicht meine eigene, war nicht patentiert - aber dennoch hat diese Idee die Welt verändert. Ich meine, sehen Sie sich um. Heute leben nur noch etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt. Und sie leben wieder in Dörfern, in einer Zivilisation, die auf Wasser-, Dampf-, Wind- und Sonnenkraft basiert. Der dritte Weltkrieg, der da noch kurz reingegrätscht ist, für den kann ich nichts. Mehr als er aber noch hat meine Idee die Welt verändert. Sie zu dem gemacht, wie Sie sie heute kennen.

Ich habe diese Idee nicht erfunden. Nein, ganz sicher nicht. Aber vielleicht war ich der erste, der sie mit einer solchen Konsequenz, mit solch einem Nachdruck, ja solch einer Brachialität umsetzte und verwirklichte, dass sie diesen gewissen viralen Impact auslöste.

Und dann, auf einmal, wenn Du diese eine, magische Grenze überschritten hast, wenn Du irgendwann einfach nur bekannt genug, oder reich genug, oder angesagt genug bist - dann ziehst Du auf einmal all diese Typen des dunklen Weges wie ein Magnet an – sie wollen von Dir erben oder wollen in Dich investieren und bieten Dir Kapital an. Sie wollen für Dich arbeiten (um an Dir mitzuverdienen). Sie wollen Dich betrügen, oder Dich dazu verleiten, andere zu betrügen. Und: Sie wollen mit Dir schlafen und Deine Stiefel lecken, und einfach nur an Deiner Seite scheiß gut aussehen. Bis Du hoffentlich früh genug stirbst.

Ja, all diese Typen habe ich auf meinem Weg getroffen und kennengelernt. Aber dazu später noch mehr.

Und jetzt fragen Sie sich vielleicht, um Gottes Willen, komm doch endlich zum Punkt, Mann! Was es denn für eine Idee war, die mich so unverschämt reich gemacht hat, die das Leben von Millionen Menschen verändert hat und die dafür gesorgt hat, dass die altbekannten, gezuckerten Worthülsen all dieser Politiker der Generation 1.0 ein für alle Mal ausgedient hatten.

Die folgende Geschichte handelt also von einem solchen Produkt, das eigentlich nur eine Idee war.

Und diese Idee war: Ein neuer globaler Traum.

Denn wer den globalen Traum beherrscht, der beherrscht die Herzen der Menschen. Wer aber die Herzen der Menschen besitzt - der beherrscht die Welt.

Alles also begann vor rund einem Jahr:

Gleißendes Sonnenlicht flutet durch den blütenweißen Vorhang, der sanft im Wind der geöffneten Balkontüre weht und fällt auf ein ebenso reinweißes, satinglänzendes Laken. Langsam erwache ich durch die Schreie und Rufe aus Millionen Menschenkehlen, welche in meinen Schlaf dringen. Sie fordern jemanden zu sehen. Dann fällt mir wieder ein, dass dieser jemand ja ich bin. Ich blicke verschlafen auf die Uhr. Ja, es ist Zeit. Langsam erhebe ich mich und schlurfe Richtung Bad. Putze mir die Zähne. Benutze Zahnseide. Ehe ich vor die Menge treten werde. Kurzer Blick in den Spiegel. Kein Pickel, keine Zahnpastaflecken? Die meisten Zahnpastaflecken sieht man erst später deutlich, wenn sie getrocknet sind. Das macht sie so fies. 

Heute werde ich eine neue Welt verkünden. Es soll die Geburt einer neuen Menschheit sein. Den Blick in den lebensgroßen Spiegel des Kleiderschranks spare ich mir, ebenso wie sein Öffnen. Ich weiß, was ich anhabe und es ist sowieso nichts anderes drin, er ist leer. Ich trage eine schwarze Jogginghose, dazu ein graues T-Shirt. Ich trage beides schon seit Wochen. Das geht, wenn man es selbst mit der Reinlichkeit hat. Lieber wasche ich mich täglich, als meine Klamotten. Und noch lieber achte ich darauf, dass mein Geist frei und rein bleibt. Alles muss stets den richtigen Stellenwert haben. Ich weiß, dass ein Ketchupfleck auf meinem T-Shirt prangt. Es ist egal, eigentlich genauso egal, wie Zahnpastaflecken oder Pickel. Ich bin einer der wenigen Promis, denen so etwas nichts anhaben kann. Weil der eigene Nimbus nicht auf Äußerlichkeiten aufgebaut ist. Im Gegenteil. Ich bin ungeschminkt, unplugged - und genau so will man mich haben.

Wissen Sie, die Menschen sehnen sich nach einem mehr als nach allem anderen: Nach dem unverfälscht Echten. Zu viele sind des zuckersüß verklebten Glamour überdrüssig, möchten diese übersüßte, verlogene Zuckerplörre auskotzen, die man ihnen jahrelang vorsetzte. All das falsche Lachen, das einstudierte Getue der Politiker, diese aufgesetzte, hirnwegsprengende Privatsender-ADS-Fröhlichkeit, all diese glitzernde, glänzende, gackernde Influencer-Hohlheit. Weg! Wegwegweg!

Ach, eines fehlt noch: Ich ziehe kurz meine Jogginghose aus, ebenso die Unterhose. Ziehe die Jogginghose wieder an, aber ohne die Unterhose. Genieße das freie, luftige Gefühl zwischen meinen Beinen. Ich nehme die Unterhose (das einzige, das ich täglich wechsle, Sie können die Hand wieder vom Mund nehmen) in meine Hände. Und dann stülpe ich sie mir auf meinen Kopf. Ich betrachte mich im Spiegel. Sehr gut. Dann trete ich auf den Balkon, den Millionen erwartungsvoll gespannten Blicken, Rufen, Tumulten entgegen.

 

Oder, wenn ich so darüber nachdenke - begann es vielleicht doch viel früher?

Denn an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit, etwa zwei Jahre noch vor jenem Morgen - in einer anderen Welt und in einem anderen Leben - da blickte ich noch voller Sehnsucht in den kristallklaren Sternenhimmel einer kalten Winternacht empor. Ich war nichts, ich hatte nichts. Nicht einmal die Macht über mein eigenes Leben. Ich war allein. Der Mensch, der mir bald am Nächsten steht, würde bald mein Jobcenter-Ansager sein. Und wir werden uns hassen.

Um mich auf andere Gedanken zu bringen, sah ich auf, in das Tiefschwarz dieses Himmels mit seinen klar flimmernden Körnern aus funkelndem Gold. Der Himmel vermittelte mir eine Größe und eine Erhabenheit, welche mir in meinem Leben so sehr fehlte. Ich fühlte tiefste Bewunderung angesichts dieses unvorstellbar genialen Uhrwerks, vermochte unsere Vorfahren zu verstehen, für die eine solche planvolle Unermesslichkeit nur von einer alles überragenden kosmischen Intelligenz erschaffen, erdacht wurde und verwaltet werden konnte, die wir niemals auch nur im Entferntesten und auch nur ansatzweise würden begreifen können.

Die Sternbilder. Hüter der Zeit. Rund 25.000 Jahre soll es dauern, bis diese Sterne nach ihrem Lauf durch die Jahrtausende jeweils wieder an exakt dieser gleichen Stelle über uns angekommen sind, dort, auf welcher ich sie heute, in dieser kühlen Winternacht direkt über mir sehe. Fünfundzwanzig Jahrtausende, das sind 250 Jahrhunderte, oder über 800 Generationen. Wahnsinn - nur der Himmel hat so viel Zeit.

Ich versuchte mir zu vergegenwärtigen, was in den letzten 25.000 Jahren so alles passiert ist: Der Aufstieg, Glanz und Fall von Imperien. Atlantis versinkt in den Fluten. Griechenland erhebt sich, eine Kultur entsteht, Sparta, die Thermophylen, danach nur noch Staatsschulden und drohender EU-Austritt. Moses führt die Israeliten aus Ägypten. Rom wird geboren, erstrahlt in seinem Glanze und versinkt ebenso wieder in der Bedeutungslosigkeit. Europa wird erschaffen und wird wieder verlassen, denn: Amerika wird entdeckt, Indianer ausgerottet und die Welt, wieder einmal, neu geordnet. Das Erblühen und verlöschen von unzähligen Kulturen, Menschenleben, Religionen, Modeerscheinungen, ganze Geistesrichtungen. Völkerwanderungen. Verrat, Meuchelei und Intrige. Heinrich VIII. und unzählige, weitere Psychopathen als Knechter ihres eigenen und anderer Völker. Nahezu jede wichtige Erfindung der Menschheit. Das Feuer, das Rad, Architektur, die Pyramiden, das Katapult, Dampfmaschine, Auto, Computer, Internet, Raumfahrt, Mikrowelle, Wasserstoffbombe. Der elektrische Eierschneider. Die Pille. Die Penispumpe. Pokémon.

Nachdenklich wanderte mein Blick nun von den Plejaden hin zum silberschimmernden Mond - derselbe Mond, welcher Troja erleuchtet hatte, welcher auf Kolumbus und auf seine Schiffe schien, er war Zeuge der Unabhängigkeitserklärung, Zeuge der Beutezüge der Wikinger.

Dann griff ich zu einer Rolle aus Recycling-Papier und deponierte sie neben mir. Mehr als dies und eine Zigarette für danach, damals rauchte ich noch, hatte ich mir von zuhause nicht mitgenommen.

Ob wir wirklich jemals tatsächlich auf dem Mond waren? Oder war die Mondlandung wirklich nur ein Fake? In der Stille der Nacht dachte ich über viele Dinge nach.

Dort, das Sternbild es Orion, der große Jäger des Himmels, mit seinem Hund, Canis Major.  Orion soll einst der Sohn des Meeresgottes Poseidon gewesen sein, jener Gottheit, nachdem die große und mächtige Hauptstadt von Atlantis benannt wurde, Poseidia, die später, aufgrund ihrer Dekadenz und Verderbtheit für immer in den Fluten versank, wie es heißt. Und wenn diese alten Geschichten wirklich wahr sind? Ein heiliger Schauer überfällt mich. Überwältigt knabbere ich ein paar von den Onion Rings, die ich mir mitgebracht hatte. Mein Himmels-Netflix.

Und dort, etwas darüber, siehe da, das funkelnde Sternbild der Plejaden. Die alten Sumerer nannten es das Siebengestirn, Sitz je sieben guter und sieben böser Dämonen.

Ihre Sterne sind abgebildet auf der Himmelsscheibe von Nebra, einem Artefakt aus einer magischen Zeit, in welcher ein gigantischer Ozean aus undurchdringlichem Wald noch unser Europa bedeckte. In ihrem Halbschatten, voller dunkler und magiebegabter Wesen, lebten Menschen, die nicht selten ihr Leben lang niemals den freien Horizont sahen. Einst trug ein Druide diese Himmelsscheibe in seiner Tasche durch jenen dunkelgrünen, niemals endenden Ozean aus Wäldern.

Was, wenn sie tatsächlich noch sehen konnten, was wir heute nicht mehr sehen können?

Einst war diese Welt magisch, voller Geheimnisse. Größe, Ehrfurcht und Erhabenheit bestimmten das Leben der Menschen. Die Natur war beseelt. Götter lauerten in den tiefen Wäldern, unter den Wassern der Meere und den hohen Gipfeln der Berge, Trolle lauerten unter Felsen und Wassergeister spielten um die Quellen. Weiße Flecken warteten auf der Landkarte. Die großen Entdecker der Jahrhunderte. Es gab Zeiten, da bauten Menschen ihren Göttern gewaltige Tempel.

Jedes Land dieser Welt kennt magische Mythen und Legenden, Geschichten von Zauberern und Drachen, Baumgeistern und Trollen. Das muss doch etwas bedeuten.

Jeder Baum, jedes Moor, jeder Berg und jeder Fluss war belebt von seinem guten oder bösen Geist. Das Wetter und die Elemente, das Feuer, die See, der Sturmwind und die Berge, sie alle wurden bewohnt, belebt, regiert von guten und bösen Geistern. Wo sind sie nur alle hin?

Einst war alles von Wunder und Staunen beseelt, was heute aus getrocknetem Steinbrei und tot ist. Wo ist all das Leben hin, diese Kraft der Phantasie, diese Welt des Ahnens im Halbschatten dunkler Wälder, die Welt des Fühlens? Der Ozean der Phantasie hat sich zurückgezogen und wir leben in der erbarmungslos sengenden Hitze einer spirituellen Wüste, wandeln auf ihrem ausgedörrten, unfruchtbaren Boden umher, irrend wie ziellose Idioten.

Heute ist alles tot und leer. Eine seelische Wüste. Es gibt nichts mehr zu entdecken, nichts zu träumen. Jede Vision, jedes Wagen und Wollen wird von Bürokraten und Sesselfurzern mit verkniffenen Gesichtern zerstört. Diese Welt war einst magisch - ehe sie von Buchhaltertypen gehijacked wurde und wir uns einen globalen Traum von nichtssagender Belanglosigkeit und der persönlichen Bedeutungslosigkeit haben aufdrücken lassen, in der allein das Geld regiert. Das Geld weniger, wenn man es genau nimmt. Denn die heutigen Tempel, das sind die Banken, und ihre Herrscher sind Wenige.

Heute leben die guten und die bösen Geister hinter Aktenbergen und Paragraphen, sie lösen sich pflichtbewusst ein Ticket, ehe sie zur Tat schreiten, sie haben ihre Freiheit verloren und ihre Magie verlernt. Oder sind der geraden Wege der Menschen und ihrem rechten Winkel überdrüssig und geflohen. Willkommen im Bürokratizän, dem Zeitalter der alles ausbremsenden Bürokratie. Ich sehne mich nach jenen schiefen Winkeln dieser Welt, wo all diese Geister noch lebendig sind. Sehne mich nach ihren Rückzugsorten, ihren geheimen Asylums, den verborgenen Palästen einer uralten Magie, versteckt vor den Blicken der modernen Menschheit, die aufgehört hat zu hoffen, zu glauben, zu wagen, zu fühlen und zu ahnen, verlernt hat, das Wundersame zu erhoffen und das Unmögliche zu wagen.  Die nur noch reflexhaft die nächste Befriedigung niederer Reize sucht, torkelnd ins Nirgendwo, ohne spirituelles Ziel und ohne höheren Sinn.

Und dann jene, die eine beseelte Schöpfung geheimer Mächte und Kräfte verneinen, an keine Schöpferintelligenz mehr glauben, für die selbst die Liebe nur der biochemische Rülpser in einer mathematischen Gleichung ist. Für die Selbstlosigkeit auch nur eine Form des Egoismus ist. Jene, die mit zynischen Worten alles zerfleddern und entweihen möchten, weil sie Wunderbarkeit nicht ertragen können. Denn Wunderbarkeit ist letztendlich größer als sie und unkontrollierbar - und sie können nichts Größeres über sich und nichts Unkontrollierbares neben sich dulden.

Wir alle bestimmen gemeinsam unsere Wirklichkeit. Das ist der globale Traum, den wir gemeinsam träumen. Wir alle erträumen gemeinsam unsere Welt in der wir leben - einfach, indem wir einen bestimmten Glauben besitzen, wie diese Welt sei - und wie sie zu sein hat.

Der gegenwärtige Traum aber, der gefiel mir nicht. Ich mochte einen anderen entwerfen.

Wir könnten aus dieser Welt innerhalb nur weniger Jahre ein Auenland machen - jeder glücklich, frei und froh, in vollendeter Schönheit und Harmonie lebend. Wenn nur alle, in einer einzigen gemeinsamen Entscheidung es wollten. Oder wir konnten weiter daran arbeiten, aus diesem Planeten ein Höllenloch zu machen, einen verwahrlosten Pfuhl kaputter Psychen, von Gier getrieben, aber doch stets nur mit Leere angefüllt.

Und nun saß ich dort - auf dem Dach eines BMW, S-Klasse. Es war nicht meiner. Sondern der meines Chefs. Neben mir diese Rolle aus recyceltem Papier. Und ich plante den ersten Schritt meiner revolutionären Befreiung. Ein kleiner Akt für die Menschheit. Aber ein riesengroßer für mich.

Zwei Jahre später trete ich langsam zum Balkon. Nur noch ein Schritt. Noch ein Blick über die Menge, nein die Masse. Die ganze Welt steht hier. Sie stehen seit Stunden in der prallen Sonne Roms, hier, vor dem protzigen Gebäude des Four Seasons. Stehen auf Autodächern, klettern auf Laternenmasten, nur um einige wenige Meter näher zu sein. Sie schubsen sich, hieven sich gegenseitig an steinernen Stufen hoch. 

Jetzt trete ich auf den Balkon - und im selben Moment ertönt ein Laut aus Millionen Menschenkehlen, der sich nicht beschreiben läßt. Man kann diesen Laut auch nicht auf Tonträgern einfangen. Man muss ihn körperlich erlebt haben. Unendlich tief und alles durchdringend, fast scheint er das Mauerwerk zum Vibrieren zu bringen. Unzählige Gesichter wenden sich um, unzählbare Augenpaare heften sich auf mich. Und dann schwillt das Geräusch an zu einem akustischen Sturm voller Macht und Kraft und Gewalt. Die Magie der Masse. Jetzt versteht man, warum die Mächtigen dieser Welt süchtig nach ihr sind und sie zugleich so sehr fürchten. Sie skandieren ein Wort, das man kennen muss, um es aus diesen Millionen Kehlen verstehen zu können. Es ist ein Name, der indianisch klingt: Greyhawk.

Langsam hebe ich die Hand. Und mit dieser einen, kleinen Bewegung lege ich, wie durch einen Zauber, vollkommene Stille über diese Welt. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Auch das ist Magie. Mit nur einer leichten Handbewegung, kaum mehr als würde ich wie beiläufig eine Fliege verscheuchen, habe ich vollkommene Stille über Millionen Menschen gelegt. Ganz ohne Bußgelder, Soldaten, Schläger oder bewaffnete Trupps. Sondern in einem vollkommen harmonischen, wortlosen Einverständnis. Der unerreichbare Traum für all die Putins dieser Welt.

Wer ist dieser "Greyhawk", der diese Wirkungen auslöst? Nun, meine eigene Person spielt wirklich keine Rolle. Greyhawk, ja, das war vor langer Zeit einmal Peter Seifert, einst kauernd auf dem Dach eines deutschen Wagens der gehobenen Klasse. Aber Peter Seifert gibt es an diesem Tag, zwei Jahre später, nicht mehr.

Greyhawk ist eine Verkörperung des neuen globalen Traumes. Eines Traumes, den keiner der Herrschenden bislang richtig auf dem Schirm hatte. Oh sicher, sie geben vor, es zu haben. Aber sie können einfach kein Gefühl dafür entwickeln. Sie fühlen das Blut und das Herz dieses Traumes nicht. Und wenn man das nicht empfindet, dann sind auch ihre typischen Anbiederungen an die Völker sinnlos, bleiben inkongruent, hölzern, uncharismatisch, unauthentisch, lächerlich und leer. Die Masse hat, wie immer in ihrer Geschichte, nur auf jemanden gewartet, der als ideale Projektionsfläche für die Verkörperung ihres aktuellen Traumes fungieren kann. Leider bin ich momentan derjenige. Und das ganz aus Versehen. Denn eigentlich wollte ich nur meine Ruhe haben. Und über allem, immer und stets, meine eigene Freiheit. Ich wollte wieder das Leben spüren in mir. Das wahre Leben. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so vielen anderen ebenso ging.

Früher war ich ein Niemand. Aber jetzt bin ich endlich wer. Heute tragen diejenigen, die mich einst noch abgelehnt hatten, selber Ketchup-Flecken. Allerdings wohl platziert, mit Absicht und aus Kalkül, es soll diese Flecken inzwischen sogar als Stoff-Aufkleber geben. Diese Menschen werden niemals echt, spielen es nur. Heute umhegen und umschmeicheln mich diejenigen, die gestern noch voller Verachtung auf mich herabsahen.

Seit dem geleakten Strache-Video wissen wir ja: Die Reichen und Mächtigen schauen auf die Nägel und die Schuhe. Mit beiden haben sie bei mir echt Pech gehabt. Schuhe: Segeltuch, 15€, Loch vorne links, rechte Sohle klappt bereits herunter. Nägel: Lassen wir das. Ich kaue sie nicht ab, ich zupfe. Schon seit der Kindheit. Und ich werde das auch nicht mehr ändern. Für wen? Ich habe gehört, dass nun schon die ersten Reichen und Mächtigen angefangen haben, selbst zu zupfen. Oder zumindest so tun. Soviel dazu. Zumindest hier und heute bin ich reicher und mächtiger als die meisten von ihnen. Und ich mache ihnen deutlich: Ich sehe auf Eure Nägel und auf Eure Schuhe - und wenn sie mir zu fein, zu lackiert, zu herausgeputzt, zu ungezupft sind - dann stimmt da irgendetwas nicht für mich! Zupft also!

Falls Sie jetzt vielleicht glauben, ich würde es genießen derart verehrt zu werden, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist eine naive Vorstellung. Wie jeder Promi, der noch halbwegs bei Verstand ist, bin ich mir darüber im Klaren, dass sie nicht mich lieben. Sie wissen ja gar nicht, wer ich wirklich bin - wenn ich es selbst überhaupt jemals wusste. Nein, sie lieben das, was ich darstelle. Was aber ebenso gut auch jemand anderes hätte tun können, vielleicht sogar um einiges besser. Promi, das ist auch nur eine Rolle, die ein Mensch verdammt ist zu spielen.

Niemals wird ein Prominenter seines wahren Charakters wegen geliebt. Niemals. Wie auch - seinen Charakter kennt niemand, mit Ausnahme seines Ehepartners vielleicht. Nein, nein. Es ist immer nur der Nimbus, den wir lieben, das Hineinprojizierte oder in die Köpfe der Menschen hinein hypnotisierte Bild eines Menschen oder einer Sache. Image, Branding und Framing.

Nimbus ist alles. In Nepal gibt es ein Sprichwort: Durch Anbetung kannst Du selbst einen Hundehaufen zum Leuchten bringen.  Ich muss es wissen. Denn ich komme aus der Werbung. Jenem Bereich der Dienstleistungen, in welchem sich die mit Abstand unfähigsten Menschen mit dem mit Abstand größten Kokainverbrauch tummeln, deren einzige Fähigkeit in der Selbstvermarktung liegt und deren eigentliche Hauptarbeit darin besteht, dass man gerade all das nicht merkt. Ja, ich habe viele Hundehaufen zum Leuchten gebracht.

Es ist nicht der Schauspieler, es ist die Rolle, die er verkörpert, die wir lieben. Das Einzige das ich tun kann, ist, die Rolle dieses Greyhawk so gut darzustellen und auszufüllen, wie ich es vermag, so, wie ein Schauspieler es tut. Und wie es den Menschen, die an diesen Traum träumen, würdig ist.

Wert - das ist etwas höchst Subjektives. Alles hat stets nur jenen Wert, den wir ihm hinzudichten: Sex. Geld. Unsere Politiker. Alles eigentlich keine große Sache, nur Reibung, nur Papier, nur plappernde Menschen. Unsere Vorstellung erst versieht all das mit ihrem scheinbaren Wert für uns. Mit ihrem Nimbus.

In Wirklichkeit kochen sie alle nur mit Wasser.

Sie glauben zum Beispiel, Michael Jackson hätte den Moonwalk erfunden? Falsch. Schon 1943 führte ihn der Stepptänzer Bill Bailey im Musical Cabin in the Sky auf. Sie glauben, Graham Bell hätte das Telefon, die Gebrüder Wright den Motorflug erfunden? Wieder falsch. In Wahrheit waren es Philipp Reis, Clément Aders, Gustav Weißkopf und viele andere, von welchen Sie noch nie gehört haben und die einfach nie die große Trommel geschlagen hatten. Und Darwins Theorie vom Überleben des Fitteren stamme von Darwin? Ha! Wieder falsch. Auch er hat nur geklaut. Hier von Alfred Russel Wallace.

Aber das Nächste, worauf es ankommt ist: Wenn Du berühmt bist, dann hast Du ebenso nur ein ganz bestimmtes Zeitfenster, eine ganz bestimmte Frist, die irgendwann ablaufen wird. Und diese Zeit musst Du nutzen. Für was auch immer Du verändern oder erreichen willst. Wenn Du Dir einen Bankkredit sichern, oder mit einem Zwillingspärchen in einer Badewanne voll warmer Schokolade baden möchtest, dann ist Jetzt! das Zeitfenster dafür. Was auch immer Dich umtreibt, tue das jetzt und schnell, ehe Dein Stern fällt! Oder Du möchtest vielleicht lieber etwas Sinnvolles tun, die Welt verändern? Jetzt ist der Zeitpunkt Deines Einflusses! Verschwende dieses Zeitfenster nicht, indem Du Dich der Illusion hingibst, Deine Berühmtheit hätte tatsächlich irgendetwas mit Deiner realen Person zu tun und würde ewig andauern. 

An diesem Morgen, auf diesem Balkon im Herzen Roms erschaudere ich zutiefst, weil ich begreife, welches Potential, welche gewaltige Macht diese Möglichkeit, die Menschen zu einen, zu begeistern und hinter sich zu wissen bedeutet: Nämlich das größte und vielleicht mächtigste Königreich auf Erden zu verwirklichen, das dieser Planet jemals sah. Ein Reich, dessen Grundlage, Grenzen und Macht weder auf Geld noch auf Soldaten fußt, sondern ganz anderer Natur ist. Kein Reich, das aus Linien oder Paragraphen auf Papier besteht, kein Reich, das einer bestimmt und dessen er viele Untertan macht, kein Reich, das den eigenen Bürgern im Grunde gleichgültig, verhasst, verleidet oder aufgezwungen ist. Sondern ein immaterielles Königreich, das tatsächlich von Millionen einzelnen Menschenherzen tagtäglich getragen, geliebt, verteidigt und begeistert verwirklicht wird. Ein Reich, wie es dies also ganz, ganz selten nur in der Geschichte der Menschheit gegeben hatte. Diese Einheit und Zustimmung der Menschenherzen ist die wertvollste Währung dieser Erde, ist das, was alle Herrscher, Autokraten, Diktatoren und Verkäufer, Klassensprecher und Klassenschläger dieses Planeten sowohl am meisten begehren als auch am meisten fürchten.

Wahre Macht ist, auf die Herzen der Menschen und damit auf das Potential so vieler zugreifen zu können. Wahre Macht ist ein Königreich schaffen zu können.

Hier also ist sie, diese allergrößte Macht auf Erden. Und ich werde diese Macht nutzen und ein solches Reich errichten. Dies ist die Geburtsstunde des neuen globalen Traumes - und die Dinge würden niemals wieder sein wie zuvor.

Denn diese Welt muss sich verändern. Aber ihre Entführer wollen sie nicht aus ihren Händen lassen. Und deshalb braucht es eine Befreiungsbewegung. Aber eine der ganz anderen Art. Eine, die gegen nichts und niemanden handelt - sondern es einfach nur selber besser machen möchte. Und wie handelt man selber besser? Indem man selbst ein besserer Mensch wird. Stärker, reiner, klarer. Liebevoller. So etwas gab es nie: Bisher zielten alle -ismen auf die Missionierung und Knechtung, die Veränderung und Überzeugung, Bekämpfung oder gar die Eliminierung der jeweils anderen ab. Oder aber die Bekämpfung dessen. Aber sich einfach nur selbst verbessern? Der Buddhismus kannte dies vielleicht, oder die frühen, noch authentischen Religionen, ehe sie zum Instrument der Mächtigen wurden. In meiner Bewegung aber, da gibt es keinen Führungsgedanken, nichts Verpflichtendes (außer so etwas wie eine Hausordnung vielleicht, auch Teppiche kosten Geld) - nur Angebote und Möglichkeiten, mehr nicht. Jeder ist frei. Und Selbstverantwortlich. Und wir alle, ausnahmslos, sind Brüder und Schwestern.

Das Einzige, das jeden von uns führen soll, das ist die Vernunft, die Liebe und der gesunde Menschenverstand. Ein Streben, welches nicht auf Macht, Geld oder Gebietsgewinnung aus ist. Und alles, was wir für uns verlangen, das ist die gottverdammte Freiheit, eben dies zu tun: Es besser zu machen. Und wieder so frei und magisch und wunderbar leben zu können, wie unsere Vorfahren - ehe diese Welt von einigen Wenigen in die psychiatrische Abteilung einer Höllendimension entführt wurde.

Jetzt also liegen sie in meinen Händen: Sowohl die Macht, als auch die Möglichkeit zur Verkündung dieser neuen Welt. Heute werde ich dieses Königreich ausrufen. Ich werde mein Zeitfenster nutzen. Nur dafür tue ich das alles. Heute werde ich es verkünden, heute wird sein Grundstein gelegt. Nur darum spielte ich diese Rolle.

Es wird die Verkündung eines wahrhaft neuen Zeitalters sein. Die Stunde 0 des Jahres 0 des neuen globalen Traumes. Einer neuen Welt, geformt aus der Hoffnung und den Träumen von Millionen und den blutigen und schmerzvollen Lektionen der letzten 300.000 Jahre Menschheit.

300.000 Jahre, um endlich an diesen, heutigen Punkt der Evolution der Menschheit zu gelangen: Millionen Menschen unter mir greifen unter sich - und setzen sich etwas auf. Die Farbe der Masse verändert sich schlagartig und wird zu einem gigantischen Meer aus überwiegend reflektierendem Weiß. Es sind Unterhosen. Voller Stolz getragen auf Millionen Häuptern, während sie mir frenetisch zujubeln. Ja, sie jubeln mir zu. Und dennoch wird die Hälfte von ihnen mich bald verdammen. Wie, Sie verstehen nicht ganz? Keine Sorge. Sie werden es noch verstehen. Später.

Und dann, dann geschieht es. Ich blicke erwartungsvoll zum Horizont. Dann sehe ich es nahen, weit hinter dieser ganzen Masse, dort oben am Horizont. Und mit einem Male sehen einige Gesichter nach oben, vereinzelt erst. Menschen zeigen in den Himmel. Dann beginnen immer mehr Teile der Millionenmasse sich umzudrehen und nach oben, in den Himmel zu blicken.

Offene Münder, staunendes Erstarren. Manche können nicht einordnen, was sie dort sehen, halten sich ihre Hände vor den Mund, erschrocken oder fasziniert. Handys werden gezückt, Fotografen halten ihre Teleobjektive nach oben, TV-Teams reißen ihre Kameras hektisch herum und hinein in das tiefe, wolkenlose Blau des Himmels.

Jetzt blickt niemand mehr auf mich. Millionen Augen sehen stattdessen in den Himmel. Und sie sehen dort das Symbol eines neuen Zeitalters. Heute gebe ich der Welt ihre Wunder und den Menschen ihre Träume zurück!

Ein riesiger Schatten beginnt sich langsam über die Menge zu legen und über sie hinweg zu wandern, immer weitere, größere Teile der Masse erfassend. Bis sich schließlich eine gigantische Silhouette vor die Sonne schiebt.  Schockierte, weit aufgerissene Blicke, Jubel, unfassbares Staunen. Kinder schreien vor Begeisterung. Erwachsene erstarren ungläubig. Welch erhabener, majestätischer Anblick!

Ja, erblicket meine Vision dieser neuen Wirklichkeit! Das ist Magie! Das ist die Renaissance der Gegenwart!

Oh ja - heute wird diese Menschheit staunen!

Und da ertönt - der Ruf. Erschütternd, markdurchdringend. Ein Ton, nicht von dieser Welt, sondern wie das tiefe Grollen der Götter. Und dieser Klang breitet sich aus wie Druckwellen über diese Masse des Volkes, die dort unten steht, wie gelähmt und mit fassungslosen Gesichtern, während sie versuchen dieses Schauspiel am Himmel über ihnen zu begreifen.

 

In jener kalten Winternacht, zwei Jahre zuvor, als diese Welt und ich noch andere waren, senkte sich mein Blick von den Sternen wieder nach unten.

Auf dem Dach des Wagens kauernd hatte ich eine Aufgabe zu erledigen. Auf das Autodach zu klettern war schwieriger als ich gedacht hatte, vor allem, wenn man es lautlos tun möchte.

Wie edel er aussah, schimmernd und hochglänzend im Schein der Straßenlaterne. Was dieses Auto wohl alles konnte? Ob das schon eines dieser selbstfahrenden Autos war?

Ich stieg zuerst auf die Kühlerhaube, dann schob ich mich, auf dem Bauch liegend, leise auf das Dach des Wagens und ging dort in die Hocke. Dabei ertönte ein verräterisches Geräusch von sich eindrückendem Blech. Panisch sah ich mich rasch um, hielt Ausschau nach plötzlich aufglimmenden Lichtern in der stockdunklen Straße. Nichts. Gott sei Dank.

Dies war die Nacht, in der ich begann, mich endlich zu wehren. In dieser Nacht würde ich ein Fanal setzen. Genug gewartet, genug ertragen. Noch einmal badete ich in der bedeutungslosen Leere meines Lebens, noch einmal spürte ich meine physische Armut, die sich als ewige, ungute Verkrampfung in meiner Bauchhöhle eingenistet hat, noch einmal versagte ich dabei, einen tieferen Sinn in allem zu sehen, noch einmal spürte ich die Entschlossenheit zu meiner Tat. Ja, dies war die Nacht. Heute würde ich es tun. Jetzt.

Zwei Jahre später, während die Menschenmasse ungläubig in den Himmel starrt, trete ich vom Balkon-Geländer weg, wieder hinein in das Appartement. Raunen, Lachen, Schreien aus Millionen Menschenkehlen. Einige weinen, aber mit glücklichen Gesichtern. Dieses Geräusch noch immer in meinen Ohren nehme ich den Aufzug und fahre in den ersten Stock hinab. Drei Herren in dunklen Anzügen und mit Sonnenbrillen nehmen mich in ihre Mitte und führen mich einen abseitigen Gang entlang. Sie öffnen eine schwere Türe. Dahinter ein Raum, erhellt von gleißendem Licht mehrerer Studio-Scheinwerfer. Kamera-Leute wuseln hektisch herum. Mehrere dunkelrote Sessel in der Mitte des Raumes. Ich kenne die Gesichter derjenigen, die dort sitzen und auf jemanden zu warten scheinen. Jeder kennt sie. Und wieder fällt mir ein, dass der, auf den sie warten, ja ich bin. Ich: Jogginghose, T-Shirt mit Ketchupfleck.

Barack, Robby, Britney begrüßen mich überschwänglich. Barack tippt kurz auflachend auf meinen Ketchup-Fleck und findet ihn a fantastic Accessoire!

Britney lacht bei allem was ich sage hysterisch. Robby legt immer wieder seine Hand auf die meine und gibt mir brüderliche Klapse.

Vergessen Sie all die Erfolgsratgeber. Wir müssten nur positiv denken, uns das Gewünschte plastisch vorstellen, so tun, als wäre es bereits so, müssten Geld zu lieben lernen, vor dem Spiegel, irre grinsend wie der Joker, irgendein Mantram aufsagen oder bei Vollmond auf einem Friedhof 24 mal um ein Hühnerei tanzen. Alles Käse.

Nichts von meinem Aufstieg unterlag meiner Kontrolle, nichts davon hatte ich gewollt oder mir so vorgestellt. Ich wollte immer einfach nur meinen Frieden. Und meine Freiheit. Was also nun, liebe Erfolgs-Coaches dieser Erde, die ihr nur allzu gerne meinen Geldbeutel für Euch öffnen und daran saugen und schmatzend schlutzen wollt? Der Erfolg der mir geschehen ist, war ein verdammter Unfall. Oder Glück, oder Vorsehung, je nach persönlicher Vorliebe des Geschmacks. Das Einzige was ich selbst tat, das war, endlich ich selbst zu sein. Mit all meinen Unsicherheiten, all meinem Schmerz, und durch all meine eigene Dunkelheit hindurch.

Greyhawk - bin das ich selbst? Wie kann ich es sein, wenn ich vor nur zwei Jahren noch ein ganz anderer war?

Wenn ich beurteilen müsste, wer oder was ich selbst wirklich bin - dann würde ich sagen: Ich bin sowohl das Höchste, als auch das Niedrigste in mir. Ich bin meine Liebe, bin mein Hoffen, meine Ideale - ich bin die Einheit dieser Welt und aller Völker, ich bin die Einfachheit eines natürlichen Lebens, ich bin das einsame Rauschen des Windes im Wald, ich bin das Glühen der Liebe in meinem Herzen, wenn ich meiner Geliebten in die Augen sehe. All das macht mich aus, mehr als alles, alles andere. Ich bin aber auch unendlicher Schmerz, ich bin Verzagtheit, ich bin Selbstzweifel. Vor zwei Jahren, in jener kalten Winternacht, da war ich noch der Typ, der seinem Chef einen Denkzettel verpasste und schließlich jeden Monat bettelnd ins Jobcenter rennen musste. All das bin ich. Was an mir hat also nun diesen Erfolg generiert?

Das Geheimnis meines Erfolges, wenn es überhaupt eines gibt? Jeder Mensch möchte einem höheren Sinn dienen. Der eine glaubt es im Dienste einer Armee zu tun, der andere in der Hingabe an ein Ideal, der Forschung, Wissenschaft oder der Liebe. Jeder Mensch möchte, dass sein Leben etwas Besonderes ist.

Und: Jeder Mensch möchte in einer magischen Welt leben. Netflix weiß das. Und ich sage Ihnen eins: Jeder Mensch hat das beschissene, verdammte Anrecht dazu, etwas Besonderes zu leisten und in einer magischen Welt zu leben! Auch Magie und Wunderbarkeit sind einklagbar!

Ich hab hier so ne Theorie am Start, also... Warum gibt es so viele Unzufriedene Menschen auf der Welt? So viel Aggression und Depression? Ich sage Ihnen warum. Weil wir uns diese Welt seit einigen Jahrhunderten von Bürokraten, Buchhaltern, Zynikern, Kleingeistern, Trockenfurzern haben hijacken lassen. Die Welt hat ihre Wunderbarkeit, das Leben seine gefährliche Großartigkeit, hat seine Magie und wir unser Heldentum verloren. Wir kommen erschüttert und tränenverschmiert aus dem Kino, nachdem wir uns The last Samurai angesehen haben, weil wir für Momente wieder das wahre Leben gespürt hatten, wie es eigentlich gemeint ist - ehe wir nur wenige Stunden später langsam wieder im Morast versinken, welchen jene Bürokraten und Zyniker uns als ihre Version einer vermeintlichen Wirklichkeit ausgeschissen und der Welt aufgezwungen haben. Aber ihre Herrschaft ist jetzt zu Ende. Wir lassen uns die wahre Magie des Lebens nicht mehr ausreden. Wir respektieren nur noch Heldenmut, wahren Idealismus, Großherzigkeit, nur noch die größte und kühnste aller Visionen - nichts anders, nichts Kleineres mehr!

Ich blicke in die Kamera, die auf mich zoomt.

Habe… habe ich mir eigentlich die Nasenhaare geschnitten?

Ich sitze also bei Lanz.

Und auf einmal ist alles wieder da, mit einem Schlag – all die Unsicherheit, all diese Selbstzweifel, als diese Hemmungen, alles, das mich früher ausmachte. Ich dachte, ich hätte es überwunden! Jetzt aber, in diesem Moment, da wird mir klar, dass ich völlig unvorbereitet bin für diese Rolle. Ich werde es nicht schaffen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Auf diesem Balkon zu stehen, in sicherer Entfernung, das ist eine Sache. Aber hier zu sitzen, im gleißenden Scheinwerferlicht des Studios zu grillen, bis sich die Schweißflecken unter meinen Achseln, die bald so groß wie der Ammersee sein werden. Wenn ich das jetzt nicht hinkriege – dann war´s das, mit den neuen, globalen Traum. Reiß Dich zusammen, Greyhawk, reiß Dich verdammt noch mal zusammen!

Markus Lanz sitzt irgendwo zu meiner Rechten. Warum hängen diese verdammten Lichter Dinger so tief? Ihre Wärme lässt mich doppelt so intensiv schwitzen. Blähungen. Aber kein Problem. Ich darf mich nur nicht nach vorne beugen. Hab' ich Schweiß auf der Stirn? Jetzt nur kein Hitler-Vergleich, sonst raus.

Zufriedene Gesichter in den ersten Reihen. Die Freikarten-Abteilung. Drei der pompösen Kameras, jede von ihnen bei Weitem größer als der jeweils kleine und fast wie unsichtbar an sie gepresste Mensch dahinter, fahren jetzt lautlos und geschmeidig um uns herum und saugen gierig alles in sich hinein und spucken es in abertausend Wohnzimmer. Dazwischen hektisch wie lautlos herumwuselnde Kabelträger. Alle in schwarz. Techno-Ninjas.

Gut, dass ich mir das Nasenhaar geschnitten hatte. Doch, erst vorgestern. Ich bin fast sicher. Beinahe hatten sie mir einmal in Dubai am Zoll den Nasenhaarschneider abgenommen. "What is this?", fragte der uniformierte Zöllner verunsichert. Mir fiel das englische Wort nicht ein, wahrscheinlich wusste ich es gar nicht, weil es für manche dämlichen Dinge einfach kein Wort in anderen Sprachen gibt. "Ähm.. to cut the hairs in the nose!". Der uniformierte Zöllner blickte mich an, bereit jeden Moment los zu prusten. Er war sichtlich amüsiert über diese merkwürdigen, verklemmten Europäer, die sich sogar ihres Nasenhaares schämten.

Lanz´ Stimme durchträufelt jetzt säuselnd die Luft wie zimmerwarme Marmelade auf einem Brot, das man etwas zu schräg hält und führte mich sanft aus meiner nachdenklichen Trance, in die mich mein Lampenfieber und irgendein Selbstschutzmechanismus in mir hatten flüchten lassen.

Hektisch wuseln die Kabelträger umher, und aufregt lasse ich das leere Wasserglas in meinen Händen spielen, das auf einem Beistelltischchen neben meinem Sessel zu finden ist. Tatsächlich, dort auf dem Boden des Glases steht es: IKEA. Ich hätte es nicht austrinken sollen. Meine Blase meldet sich. Was ziemlich fatal ist, denn zusammen mit dem Dinkel-Joghurt und dem Nutellabrot, das ich heute Morgen gegessen hatte, und die wieder einmal furchtbare Blähungen in meinem Reizdarm auslösten, ist jetzt nochmals weniger Platz in meinem Bauchraum vorhanden. Das Sitzen wird zunehmend zu einer sekündlichen Tortur.

Und wieder schieben sich meine Nasenhaare in mein Bewusstsein. Hatte ich wirklich an meine Nasenhaare gedacht? Ja! Oder?

Und da fiel es mir auf einmal siedend heiß ein: Die Ohrenhaare! Oh mein Gott die Ohrenhaare!!...

"... darf ich heute Greyhawk bei uns als Gast begrüßen. Er ist Deutschlands wohl derzeit berühmtester aber auch meist diskutierter Gesellschaftskritiker und propagiert einen alternativen Lebensstil, der ...“

"Hi", sage ich, in einem Anflug bewundernswerter Schlagfertigkeit und gleißender Brillanz und mit einem völlig miserablen Timing, da Lanz gerade noch weiter redet und ich bestimmt aussehe, wie eines dieser Fraggles, denen ein lila Busch aus den Ohren hängt, verdammtes HD-Fernsehen!

Gesellschaftskritiker. Ja, so kann man das Brauen von Löwenzahntee, um nicht verhungern zu müssen, natürlich auch schönreden.

Ich bin kein Gesellschaftskritiker. Es wäre ohnehin Lebenszeitverschwendung. Würde ich wahrhaft die Gesellschaft kritisieren, dürfte ich gar nicht hier sitzen. Und damit helfen und dazu beitragen, diesen ganzen irrsinnigen medialen Zirkus am Laufen zu halten. Nein. Ich habe lediglich mit meinem eigenen alten Leben konsequent gebrochen. Diese Konsequenz war und ist wohl das Einzige, das mich von jenen Menschen in den Wohnzimmern unterscheidet. Ich bin nicht reich - um ehrlich zu sein besitze ich überhaupt kein eigenes Geld, nicht einen Cent. Und dennoch lebe ich in der größten Wohnung überhaupt, größer als jede Villa. Ich zahle keine Miete - keine Hypothek. Ich habe kein Schimmelproblem und keinen Vermieter, der mir aufs Dach steigt.

Konsequenz, die: Als konsequent wird unter anderem die Zielstrebigkeit des Handelns einer Person bezeichnet. Das Gegenteil von Konsequenz ist

Inkonsequenz, die: Eine Handlung anzukündigen, diese aber nicht durchzuführen.

Ich habe die meine ausgeführt. Ich habe irgendwann den Aus-Knopf auf der Fernbedienung meines Lebens gedrückt, als nur noch Scheiße lief.

Und alternativer Lebensstil. Welcher Lebensstil ist hier wirklich der Alternative? Eurer oder der meine? Was ist normal? Ich empfinde es als recht alternativ, in einer Welt die unter einem globalen Treibhauseffekt leidet mal eben nach Mallorca zu jetten. Normal ist das jedenfalls nicht.

Und genau genommen kann ich auch gar nix. Na ja, ich kann natürlich schon einige Dinge. Ich kann recht gut auf Bäume klettern. Konnte ich immer, schon als Kind. Ich kann mit meinen Füßen eine Wohnzimmertüre öffnen, wenn ich beide Hände voll Essen habe. Und ich kann ein Rad schlagen, und das in einer Zeit, in der Stadtkinder noch nicht einmal mehr rückwärtslaufen können, oder einfach mal dort umfallen wo sie gerade stehen. Lachen Sie nicht. Hab' ich gelesen. Ach ja, Stricken konnte ich auch mal. Das haben wir damals in der Schule gelernt. Ich weiß nicht, wer damals für das Bildungsprogramm an bayerischen Schulen zuständig war. Aber der entsprechende Mensch muss eine gesunde Männlichkeit für die Wurzel allen irdischen Übels gehalten haben. Wahrscheinlich ein 68er. Männer die stricken, werden keine Kriege führen oder so. Ich habe schon seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gestrickt, das letzte Mal genau genommen mit zehn, als mich eine kleinbusige Handarbeitslehrerin mit Brosche und Habichtblick dazu zwang. Vielleicht sah es deshalb-so schlecht um die Welt aus.

Östrogen wie auch Testosteron soll die Haare wachsen lassen. Preisfrage: Welches von ihnen beiden ist für die Nasenhaare zuständig? Falls es das Testosteron war, wäre es ein weiteres Stück Männlichkeit, das wir uns mit einem Nasenhaarschneider amputieren.

Mir ist übel. Lampenfieber

Hat Lanz eigentlich Nasenhaare?

Ich sitze also ganz rechts außen, von Ihnen aus gesehen. Dort sitzen immer diejenigen, die man sich bis zum Ende der Sendung aufhebt. Kriminalpsychologen. Fußball-Trainer. Raumfahrer. Comedians. Die den Zuschauer bei der Stange halten sollen. Verhindern sollen, dass er sich in die buntfröhliche und selbstvergessene LSD-Welt der Privatkanäle hinwegzappt, während derjenige ganz links, der nur einen Flugzeugabsturz aus zehntausend Metern Höhe überlebt hat seine langweilige Geschichte erzählt.

Gott, mir ist speiübel vor Aufregung. Ich glaub ich muss kotzen. Ich sehe mich bereits aufstehen, hektisch einige Meter rennen und dann gegen eine der sauteuren Kameras kotzen. Ob das irgendeine Versicherung deckt?

Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, welcher Sitzplatz der Richtige ist.

Herrgott Greyhawk, Mensch! Jetzt reiß Dich verdammt nochmal zusammen! Fokus! Yoga-Konzentration! Himalaya!

Greyhawk - diesen Namen habe ich mir übrigens nicht während irgendeines mehrmonatigen Aufenthaltes in irgendeinem gefährdeten Indianerreservat verdient. Ich komme auch nicht aus der Esoterik-Branche, wo sich niemand irgendwas verdienen muss, sondern jeder alles ist, was er will, wenn er nur eifrig daran glaubt – und eifrig dafür zahlt. Nein, stattdessen hat er nicht einmal großartig etwas zu bedeuten, auch wenn viel darüber gerätselt wird. Eingefallen ist er mir auf dem Klo, einfach so, gibt keine tolle Geschichte dazu.

Ja, im Grunde sitze ich eigentlich nur aufgrund meiner eigenen Konsequenz hier, in Lanz´ Schmuse-Ecke – bis man plötzlich gegrillt wird. Ich sitze eigentlich nur, weil ich nicht hinnehme, was Sie gerade tun. Weil ich, wenn schon, und trotz aller Angst, trotz allen Lampenfiebers, trotz aller Gefühle von Minderwertigkeit und trotz Nutella, nur noch vor der Kamera sitzen will, aber niemals mehr hinter ihr, wie Sie gerade.

Denn einer musste endlich aufstehen.

Trotz der kalten Winternacht, zwei Jahre zuvor, knöpfte ich meine Hose auf.

Es war ein ungewohntes Gefühl, in einer solchen Nacht nackt über der Straße zu kauern.

Möchte ich das wirklich tun? Noch gab es ein Zurück. Einfach aufstehen, von diesem Autodach herabklettern, wieder nach Hause gehen. Aber allein der Gedanke daran, in dieses alte Leben zurück zu gehen, verursachte in meinem Bauchraum wieder das Gefühl eines Magenschwingers. Nein. Die Weichen waren längst gestellt.

In jener Nacht also konzentrierte ich mich. Jetzt gab es also kein Zurück mehr.

Ich drückte noch ein letztes Mal, eine letzte Anspannung, ein letzter Schubs. Dann folgte meine Aufmerksamkeit dem Empfinden der nachfolgenden Entspannung, das durch meinen Körper strömte.

Es war vollbracht. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für mich.

Ich griff zur Rolle Recycling-Papier neben mir, während sich mein Blick noch einmal hob, um mein Bewusstsein am zeitlosen Spiel der Erhabenheit des Universums über mir teilnehmen zu lassen.

Es war vollbracht.

Mein Stolz und meine Würde waren wiederhergestellt. Ich hatte meine persönlichen Grenzen erfolgreich verteidigt. Ich fühlte mich, das erste Mal wieder seit langer, wirklich langer Zeit, erhaben und gut.

Befriedigt blickte ich in die kalte Nacht und den kleinen, weißen Dampfwölkchen nach, welche mein Atem.

Das Fanal war gesetzt. Und auch dieses Fanal dampfte in der kalten Winternacht nun fröhlich vor sich hin. Ein Streifen Recycling-Papier ragte aus ihm heraus.  Kunst muss nicht immer schön sein. Aber sie muss echt sein.

Ich zog mein Handy aus der Tasche, schoss ein Foto und schickte es meinem Chef.

Anschließend stieg ich vorsichtig vom Wagen herab, öffnete ihn, setzte mich hinein und schloss die kalte Winternacht aus. Mein Chef vertraute mir. Etwa so, wie man eben seinem Kuli vertraut, auf eine eher gedankenlose, ignorante und selbstgefällige Art und Weise. Er hatte mir seinen Wagenschlüssel anvertraut. Zum Einparken in die Tiefgarage. Während er mit der Sekretärin, die übrigens vor nicht langer Zeit noch meine Freundin war, naja, Sie wissen schon. Die Anziehungskraft des Geldes. Aber wirklich geliebt hatten wir uns ohnehin nicht, es war ebenso nur eine Affäre. Ich habe mir nie etwas anderes eingeredet.

Ich hätte das Fanal auch in das Wageninnere setzen können, aber Himmel, wer tut so etwas? Es gibt Grenzen. Immer fair bleiben.

Ich machte es mir auf dem Fahrersitz bequem, klappe trotz der Nacht die Sonnenblende herunter und betrachte mich kurz selbstreflektierend und im Schein der Laternen im Spiegel. 10-Tage-Bart, die ersten Haare und Bartstoppeln beginnen zu ergrauen. Wo waren die letzten fast vierzig Jahrzehnte meines Lebens hin? Die meiste Zeit davon vergeudet. Aber jetzt nicht mehr. Zum ersten Mal seit geraumer Zeit blickte mir wieder so etwas wie ein leichter Anflug von Selbstachtung entgegen, eine gewisse, gesunde Grundaggressivität. Ich war ein wenig stolz auf meine Befreiungstat. Nicht nur träumen - handeln! Und ich hatte gehandelt. Hatte Grenzen gesetzt. Oder zumindest damit begonnen. Ab jetzt konnte es nur noch aufwärts gehen. Ich blickte noch einmal aus dem Fenster nach draußen, in den Sternenhimmel.

Seltsam. Konnte es sein, dass sich die Sterne bewegten?

Nein, es waren nicht die Sterne, die sich bewegten... Es waren die Häuser. Sie begannen sich rückwärts zu bewegen. Verwundert betrachtete ich dieses Phänomen. Und auf einmal wurde mir klar, dass sich nicht die Häuser bewegten - sondern dass der Wagen rollte! Die Handbremse war wohl nicht gezogen. Passt zur nachlässigen Art meines Chefs, dieser Vollidiot. Mein Chef hatte ihn auf der Kuppe des Hügels gegenüber von unserem Bürogebäude geparkt und der Wagen begann also zu rollen, als ich mich hineingesetzt und wie ein Blöder meine grauen Barthaare betrachtet hatte. Ganz langsam erst, dann schneller. Der Wagen beschleunigte nun lautlos immer weiter.

Du meine Güte, neinneinnein!!

Ich öffnete kurz die Türe, nein, das war zu schnell, ich traute mich nicht mehr herauszuspringen. Die Karre raste die Straße hinab, unaufhaltsam auf das Bürogebäude zu. Genauer gesagt auf das Panoramafenster des China-Restaurants im Erdgeschoss, direkt unter unseren Büroräumen.

Verdammte Scheiße, ich will raus, oh Gott, oh Gott!!! Ok - es ist also definitiv keines dieser selbstfahrenden Autos!

Ich sah das Fenster immer näher kommen, versuche verzweifelt das Lenkrad herum zu reißen, doch es war zu spät, zu spät!

Mit einem gewaltigen Krachen fahren das Auto und ich in das riesengroße Fenster. Glas zerbirst, Scherben sprenkeln glitzernd wie in Zeitlupe an mir vorbei. Doch die Fahrt endet nicht. Wir rollen, nahezu ungebremst, weiter durch das Restaurant (Einmal Nudeln süßsauer bitte, ja, zum mitnehmen - es ist seltsam, wie unser Verstand manchmal arbeitet, ich kann ihn nicht mehr ernst nehmen), vorbei an den leeren Tischen, auf etwas Seltsames, Undefinierbares zu.

Und dann erkenne ich es - es ist das Forellenaquarium. Der Wagen berührt es - und es scheint nahezu sofort zu explodieren. Fische klatschen vor mir auf die Windschutzscheibe. In dem Bruchteil der Sekunde, ehe der Airbag sich öffnete, sehe ich gerade noch, dass sich der Scheibenwischer eingeschaltet hat und eine glotzende Forelle aus meinem Gesichtsfeld entfernt und in diesem Augenblick, als sich die Zeit endlos dehnt, da sehe ich in die Augen der Forelle und sehe nur diese eine, große Frage darin: Warum?

Und auch ich habe mir dieses Warum seit zwei Jahren immer wieder gestellt.

Und dann geht der Blinker geht an. Und die Alarmanlage. Und die Hupe. Wunderwerke deutscher Technik.

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