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Der Steinkönig

Der Steinkönig · Romane

Ein Wesen aus alter Vorzeit erwacht: der Steinkönig. Eine junge Frau gerät zwischen die Fronten, entdeckt ihre magische Gabe und die Liebe.

Was möchtest du mit dem Buch bewirken?

Wenn ich Geschichten erzähle, fließt darin mit ein, was ich erlebe. Mich haben intensiv die Fluchtwellen 2015/2016 beschäftigt, der Konflikt in Syrien, die Toten im Mittelmeer; machtgierige Staatsoberhäupter; Gewalt gegen Systemkritiker:innen und Minderheiten; Wut und Misstrauen, aber auch Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden; Sehnsucht nach Veränderung in einer Weltgesellschaft, in der Macht und Geld an erster Stelle stehen. Im Moment wieder und anders spürbar, weil der Krieg ganz nahe gerückt ist. Ich schreibe, weil es mir Freude macht, und weil ich hoffe, dass es euch beim Lesen auch so geht. Der „Steinkönig“ ist eine Geschichte, kein direktes politisches Statement. Meine Gedanken und Gefühle zu den oben genannten Themen kommen indirekt mit vor. Rosa und ihre Freunde sehnen sich nach Frieden und folgen bei dem, was sie tun, ihrem inneren Kompass von Richtig und Falsch. Sie stellen sich der Gefahr, ohne zu wissen, wie das für sie ausgehen wird. Mir hat das Worldbuilding unglaublich Spaß gemacht, und das Entfalten der Charaktere. Zu definieren was Magie ist und wofür sie da ist. Zu staunen, welche gewaltigen magischen Kräfte die 17jährige Rosa in sich entdeckt, von denen niemand am Anfang etwas geahnt hat. Zu sehen, wie Nebencharaktere sich wandeln, für mich selbst zum Teil unerwartet. Da ist noch einiges mehr, was ich erzählen möchte, die 350 Seiten sind gefühlt erst der Anfang.

Über den/die Autor:in

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Geschichten erzähle ich, seit ich sprechen kann. Wer mich fragt: „Harry Potter oder Herr der Ringe?“, erhält zur Antwort: „Beides!“ Ich liebe ausgearbeitete Universen genau so wie Bücher, die vom Einb...

Der Steinkönig

Fantasy-Roman von Anna Hellmich, alle Rechte bei Anna Hellmich

Das Land Gruin, unter dem der Steinkönig schläft, wird von seinen Kartographen und Historikerinnen als die „Bekannte Welt“ bezeichnet. Heran und Heddan, zwei Nachbarstaaten, werden von politischen Erschütterungen und Umweltproblemen heimgesucht. Ausgerechnet hier zieht das Erwachen des Steinkönigs seine Kreise. Eigenartige Wetterphänomene und heftige Erdbeben zeigen allen, dass Veränderungen im Gange sind.

„Am Anfang der Welt wurde der Steinkönig aus der Mitte der Erde geboren. Er war groß, so groß, dass die Erde fürchtete, sein Gewicht nicht tragen zu können. Daher schickte sie ihre Tiere, dass sie den Steinkönig zerstörten, Glied um Glied. Gewaltige Drachen und Schlangen schickte sie, aber der Steinkönig zertrat sie. Schließlich standen die Berge selbst auf und stürzten sich über ihn. So wurde der Steinkönig zermalmt und begraben. Das Gesicht der Erde veränderte sich von Grund auf. So entstand das Land Gruin aus den Gebeinen des Steinkönigs, und Menschen begannen darauf zu wandeln.“

(Ältere Geschichte der Bekannten Welt)

Der Hofzauberer und die Stallmagd

Rosa, 17 Jahre alt, arbeitet in den Ställen des Fürsten Milan von Nortia in Heddan. Sie wird aus ihrem gewohnten Leben gerissen, als sie mitbekommt, wie ihre Freundin Sindy und deren Bruder mitten in der Nacht verschleppt werden. Als Rosa ihnen heimlich folgt, stößt sie auf einen Mann, der das Geschehen ebenfalls beobachtet: den Hofzauberer Hanc von Temeryn. Eine folgenreiche Begegnung, aus der sie beide verändert hervorgehen – mit der Möglichkeit, das Schicksal der Welt zu wandeln sowie ihr persönliches Glück zu finden. Im anderen Wald – jenem Teil des Waldes, der von Magie erfüllt ist –, beginnt ihr gemeinsamer Weg.

Es regnete. Rosa hörte, wie das Wasser am Dach und an den Wänden der Hütte abprallte, aufspritzte und gluckernd und rauschend die Erde tränkte. Fast wirkte es, als hätten sich alle Wolken des Landes hier über dem Hunaforst getroffen, um gemeinsam ihre Regenlast abzuwerfen. „So ein Unsinn“, dachte sie zerstreut. „Als ob Wolken sich verabreden können. Sie sind eben immer genau da, wo man sie nicht gebrauchen kann. Jedenfalls, wenn man hier im Freien ist.“ Der Regen war außerdem nicht das Schlimmste, wurde ihr bewusst, als die Schlafschwere sie verließ. Nicht einmal die Jäger und diese Hundebiester, die sie ihnen nachgeschickt hatten, waren das Schlimmste. Rosa presste die Lippen zusammen. „Nicht schon wieder weinen“, befahl sie sich tapfer. Ihre Tränen würden nichts ändern. Sindy und Jona waren tot und sie hatte nichts dagegen tun können. Selbst der Zauberer war starr vor Furcht gewesen – oder vielleicht waren sie beide gelähmt gewesen von dem Bann. Dabei hatte er sie nicht einmal gesehen, wie sie da im Baum saßen, die Hände um die Äste gekrallt, die Knöchel weiß vor Anspannung. Ganz, als sei der Dolch auf ihre eigenen Kehlen gerichtet gewesen und nicht auf die der Kinder. Es musste ein mächtiger Bann gewesen sein, so böse, dass nicht einmal der Hofzauberer ihm etwas hatte entgegensetzen können.

Das Doppelleben des Arztes

Medico Sanas ist ein mächtiger Zauberer, auch wenn er zugleich genug von Heilkunde versteht, um als Leibarzt des Fürsten tätig zu sein. Er plant, den Steinkönig zu wecken und die freigesetzten Kräfte für seine ehrgeizigen Ziele zu nutzen. Als Vertrauter der Fürstenfamilie hat er sich im Lauf der Jahre eine vorteilhafte Position geschaffen. Als Experte für eine verdrehte Form der Tiermagie hat er die Höllenhunde gezüchtet, und bedient sich zweifelhafter Wege, um an Informationen zu kommen.

Die Fledermaus schien zu spüren, dass sie beobachtet wurde. Ihre zarten Ohren zuckten vor und zurück, als versuche sie zu hören, was um sie herum geschah. Reine Magie, dachte Sanas. Tiere bestanden ja aus nichts anderem. Was sonst hielt die Fledermaus in der Luft und sorgte dafür, dass ihre Jungen ebenfalls das Fliegen lernten? Er betrachtete die schwarzen Perlenaugen, die auf ihn gerichtet waren, obwohl die Fledermaus mit ihnen kaum etwas sah. Was nahm sie wahr, einen großen Schatten, der sich über sie beugte? Diese Fledermaus würde nicht mehr fliegen. Sie würde einem höheren Ziel dienen: Die wahre Magie zu verstehen und nutzbar zu machen, über Zaubersprüche und derartige Hilfsmittel hinaus. Sanas nahm das Messer und begann sein Werk.

Die Fledermaus schrie.

Im anderen Wald

Von Jägern und Höllenhunden gehetzt, fliehen Rosa und der Hofzauberer in den Hunaforst. Über den Brombeerpfad gelangen sie in den anderen Wald, einem von Magie erfüllten Teil des Waldes. Dort leben die Hüter des Waldes, im Volksmund „Walddämonen“ genannt. Nur wer von ihnen eingelassen wird, bekommt den anderen Wald zu Gesicht. Rosa genießt jeden Moment, den sie im anderen Wald verbringen kann – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sich mehr und mehr zu ihrem Reisegefährten hingezogen fühlt.

Sie erwachte vom vielstimmigen Gesang der Vögel. Im Halbschlaf suchte sie nach bekannten Tonfolgen und fand keine. Das, was sie zunächst für die Strophe einer Amsel gehalten hatte, klang zwar genauso melodisch und flötend, folgte jedoch einem ganz anderen Muster. Was wie Meisengezwitscher klang, nahm plötzlich einen ihr fremden Rhythmus an und mischte sich mit dem Gurren von Tauben und dem Tschilpen von Spatzen, ohne dass es klar als das eine oder das andere erkennbar war. Rosa gab auf, den Gesang einordnen zu wollen, und hörte bloß gebannt zu. Müde, wie sie war, fühlte sie sich dennoch auf eine eigenartige Weise wach und aufmerksam. „Ich bin ein Teil des Waldes“, dachte sie schläfrig. „Quell und Weg, Wurzel und Blüte. – Was denke ich da gerade, sind das meine Worte?“ Sie öffnete die Augen. Über ihr war Grün, die neuen, noch zarten Blätter einer Linde. Sie lag in Wolldecken gewickelt auf dichtem, weichen Rasen, der feucht war vom Tau und dem Regen der vergangenen Tage. Die Sonne schien durch die Blätter ihr ins Gesicht und brachte sie zum Niesen. „Gesundheit und einen guten Morgen“, sagte eine warme, vertraute Stimme. Es war Hanc, der sich gerade von einem ähnlichen Lager unter einem Baum erhob, mit zerzaustem Haar, wie sie es nun schon häufiger an ihm gesehen hatte. „Schön, dich wach zu sehen, Rosa“, sagte er im Näherkommen. „Du wirst jetzt das beste aller Frühstücke bekommen.“ „Ach so?“, fragte sie mit einem Lächeln. Es war ungewohnt für sie, so behütet zu schlafen und so spät aufzuwachen und dann nicht einmal ihr Frühstück selbst richten zu müssen. Das war ihr vermutlich zuletzt als Baby so gegangen. „Du wirst dich vielleicht waschen wollen, bevor wir zu den anderen gehen“, sagte Hanc. „Es gibt einen Weiher hier. Achte nur darauf, dass du den Weg noch siehst.“ Er wies in Richtung einer Gruppe von Kiefern. „Danke“, erwiderte Rosa. Sie versuchte sich zu erinnern, wie weit sie am Vortag noch dem Weg gefolgt waren und wie sie auf diese Lichtung gekommen war, aber die Bilder, die sie aufzurufen versuchte, verschwammen und wurden blind. „Stehe ich unter einem Zauber?“, fragte sie Hanc. Er kniff die Augen zusammen und überlegte. „Es kommt darauf an, wie du es siehst“, antwortete er schließlich. „Es ist nur der Zauber des Waldes, nichts Menschengewirktes. Keine Gefahr für dich, nur ein Schutz für diesen Teil des Waldes.“ „Hier geht niemand auf die Jagd, oder?“, fragte Rosa. Sie wusste nicht, woher dieser Gedanke kam, aber sie war sich sicher, dass er stimmte. Hanc nickte bestätigend. „Wer hier jagt, läuft in Gefahr, magische Geschöpfe zu töten oder zu verletzen. Die Folgen sind nicht abzusehen.“ Rosa fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Ihre Haut prickelte; nicht unangenehm, aber so, dass sie erwartete, in jedem Moment etwas ganz und gar Überraschendes zu sehen. Hanc lächelte ihr zu. „Du spürst es, ich sehe es dir an. Komm, ich zeige dir den Weiher, und dann suchen wir Grauwurzel und die anderen auf.“

Die Botschaft der Bienen

Der Hofzauberer hat vor Jahren das Bienenorakel der Hüter befragt, ohne dass ihm die Erlaubnis dazu erteilt worden war. Dadurch kamen viele Bienen um, und ihm wurde verboten, den anderen Wald jemals wieder zu betreten. Diesem Verbot handelt er jetzt zuwider, um sich und Rosa retten zu können. Die Hüter verzeihen ihm sein Vergehen von damals, erlegen ihm aber eine erneute Befragung der Bienen auf.

Grauwurzel trat zu den Bienenkörben und sprach nur ein Wort: „Tanzt!“ Das Summen wurde lauter. Aus den Öffnungen der Körbe strömten die Bienen und flogen, so als gehörten sie alle zu einem einzigen Wesen, direkt zu Hanc. Sie landeten auf seiner nackten Haut, bis er in einen summenden Teppich aus kleinen, pelzigen Körpern gehüllt war. Es wirkte nicht entfernt so bedrohlich, wie Rosa es sich ausgemalt hatte. „Es muss schrecklich kitzeln“, dachte sie und schalt sich sogleich für den albernen Gedanken. Die Bienen begannen zu tanzen, ein Ineinander von Wirbeln auf einer dunklen Flut. Rosa hatte erwartet, dass Grauwurzel den Tanz der Bienen in Worte übersetzen würde. Aber tatsächlich begann er selbst zu tanzen, drehte sich wie ein Brummkreisel, mit ausgestreckten Armen. Hätte Rosa nicht gewusst, dass die Bienen uraltes Wissen besaßen und Grauwurzel ihr Sprachrohr war – sie hätte den Anblick komisch gefunden. Der weißhaarige Mann in seinen grünschimmernden Gewändern, der sich drehte und drehte, mit flatternden Ärmeln, der bienenbesetzte Zauberer neben ihm, und die schweigenden Zuschauer – all das wirkte auf sie wie die Vorführung einer Truppe von Gauklern. Und doch – es lag eine Spannung darin, die sie all ihre gedanklichen Kommentare vergessen ließ. Rosa beobachtete das Wimmeln der Bienenkörper auf Hancs Haut und erkannte, dass sie alle in dieselbe Richtung krabbelten und dabei lebende Ornamente bildeten. Sie vergaß den Mann unter der Decke aus Bienen. Ihr Blick folgte den Bewegungen der Tiere, dem zarten Vibrieren ihrer Flügel. Sie ließ ihr Denken los und schaute nur noch, wurde eins mit den Bienen, sah Kreise und Drehungen und Wirbel. Über allem schwebte das Bienengesumm wie eine Kuppel aus Klang, schloss den Zauberer mit ein, die Hüter des Waldes und Rosa selbst.

Schwere Entscheidungen

Achtung: Spoiler ab hier!

Am Ufer des Flusses Letann, in einem Augenblick höchster Gefahr, rettet Rosa ihrem Reisegefährten das Leben.

Als es Abend wurde, steuerte Rosa zum heranischen Ufer und vertäute das Boot an den Wurzeln einer mächtigen Erle. Dann wandte sie sich Hanc zu. Sie musste ihn im Boot lassen, aber das war vielleicht nicht so schlecht, falls ihre Verfolger oder einige davon zu ihnen aufschlossen. Sie wusste nicht, ob sie alle an derselben Stelle auf sie gelauert hatten. Dann musste sie weiter auf dem Fluss fahren und hoffen, dass sie irgendwo Schutz fand. Zu lange durfte sie nicht damit warten, sonst war es für Hanc zu spät. Als sie ihr Gesicht seinem näherte, bemerkte Rosa, dass er vor Fieber glühte. Hoffentlich hatte sich die Wunde nicht entzündet, und hoffentlich war der Pfeil nicht vergiftet. Sie schnitt den Pfeilschaft ab, so weit es ging. Hanc stöhnte, aber erwachte nicht aus seinem Dämmerschlaf. Rosa fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Sie war so müde, dass sie auf der Stelle hätte einschlafen können. Doch das durfte sie nicht, sie musste Wache bei ihm halten und wenn möglich Hilfe holen. Wie das gehen sollte, ohne Hanc allein zu lassen, war ihr ein Rätsel. „Was mache ich bloß mit dir?“, murmelte sie vor sich hin. In diesem Moment blendete sie eine Laterne und eine weibliche Stimme fragte mehr erschrocken als streng: „Wer ist da?“ Rosa hatte keine Energie mehr übrig, um sich zu fürchten. Sie sagte: „Wir brauchen dringend Hilfe, habt ihr einen Heilkundigen dabei?“ Die Antwort war ein bitteres Lachen. „Welchen von uns möchtest du konsultieren, Heddanerin? Wir sind alle Heilkundige.“ Rosa begriff sofort – und dass sie als Heddanerin bezeichnet wurde, empfand sie als besondere Ironie der Situation. „Das Schicksal schickt euch. Wir sind genauso auf der Flucht wie ihr. Weiter stromaufwärts sind Jäger und Hunde. Gibt es ein Versteck in der Nähe?“ „Ich hole Hilfe“, sagte die Frau knapp. „Reden können wir später.“ Rosa betrachtete Hancs stilles Gesicht, während die fremde Heilerin mit schnellen Schritten davon ging, so leise, wie sie gekommen war. Sie zitterte. Ihr Kopf weigerte sich, einige Gedanken zu Ende zu denken. Wieder prüfte sie seinen Puls und war froh, dass sein Herz gleichmäßig schlug …

Das Rätselgedicht über den Steinkönig:

Der König erwacht auf zweierlei Art

Die Klaue von Amylos harrt

Blut ist der Schlüssel zur Macht

Das Flügelvolk weiß, gib Acht

Intrigen am Hof des Fürsten

Achtung, Spoiler ab hier!

Medico Sanas schürt bei dem jungen Prinzen Harolt Hass und Misstrauen gegen heranische Flüchtlinge. Während der Prinz nach Heran reist und dort ein Bündnis mit Lord Brany eingeht, auch „der Schlächter“ genannt, einem der schlimmsten Handlanger des dortigen Regimes, sucht sein Vater, der Fürst, das Gespräch mit Sina der Kammerzofe – Rosas Mutter.

Fürst Milan war es, der als erster das Schweigen brach. „So, Mistress Sina, wirst du mir denn jetzt sagen, was du mir bei unserem Gespräch verschwiegen hast, und was dich dazu bringt, mit mir gemeinsam den König aufzusuchen?“ „Das tue ich gerne, Durchlaucht, wenn wir noch ein wenig weiter vom Schloss entfernt sind. Hier habe ich ein ungutes Gefühl.“ Ihre Augen wanderten zu einem Habicht, der am Morgenhimmel Kreise zog. Der Fürst lächelte grimmig. „Vermutlich hast du recht“, sagte er. „Noch bis gestern hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich mich an meinem eigenen Hof bespitzelt fühle. Aber so ist es.“ „Um einen Teil Eurer Frage zu beantworten: In erster Linie mache ich mir Sorgen um meine Tochter“, entgegnete Sina. „Ich vermute, dass sie in etwas hineingeraten ist, das ich selbst nicht ganz durchschaue.“ „Genau so geht es mir mit meinem Sohn“, sagte der Fürst. Sina verbarg ein Lächeln. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte sie ihre komischen Aspekte voll auskosten können. Ein Fürst, der seinen Hofstaat sich selbst überließ, weil er sich dort nicht sicher fühlte, und der seinem eigenen Sohn misstraute; eine Kammerzofe, deren Tochter mit dem Hofzauberer davongelaufen war, und die ein Pferd gestohlen hatte, um ihrem Kind zur Hilfe zu eilen – ohne genau zu wissen, wie diese Hilfe überhaupt aussehen konnte. Und diese beiden im konspirativen Gespräch. „Ich habe eine Idee, Eure Durchlaucht, wo wir uns unbeobachtet aufhalten können. Auf unserem Weg liegt eine Schenke, deren Wirt ungewöhnlich penibel auf die Auswahl seiner Gäste achtet. Möglich, dass er uns helfen kann. Er lebt im Dorf Mertolan in der Grafschaft Waldyne.“ … „Der Steinkönig? Aber das ist eine Gestalt aus der Mythologie!“, wandte der Fürst ein. „Ja“, entgegnete Sina. „Und er ist zentraler Bestandteil der Lehren von Rinnar. Des geheimen, des verbotenen Teils.“ Fürst Milan rieb sich die Augen. Er bemerkte, dass er todmüde war. Konnte er dieser Frau denn trauen, die da Schicht um Schicht seine Welt auseinandernahm, bis nichts mehr übrig war? „Wir müssen bald weiter“, merkte er an. „Es wird eine gefahrvolle Reise, und ich muss dringend mit dem König sprechen. Ich möchte keine Zeit verlieren.“ „Das ist wahr“, gab ihm Sina Recht. „Nur ein Wort noch zu Sanas, wenn Ihr erlaubt.“ „Sprich, Mistress Sina“, sagte der Fürst mit einem schiefen Lächeln. „Ich bin mir sicher, mich kann nichts mehr schockieren.“ Sina zog die Nase kraus. „Sagt das nicht, Eure Durchlaucht, bevor ich fertig bin.“ Sie seufzte und fuhr dort: „Ich tue das nicht gerne, aber ich muss eine weitere Illusion zerstören. Medico Sanas, den Ihr für einen kompetenten Arzt, aber für unsympathisch und ehrgeizig haltet, und der Eurer Ansicht nach einen schlechten Einfluss auf Euren Sohn ausübt, ist nicht nur all das, sondern er hegt weitreichendere Pläne. Die Personen, mit denen ich in Kontakt stehe, gehen davon aus, dass er nicht nur mit dem Rat der Drei paktiert, sondern selbst Zugang zu den Lehren von Rinnar hat und diese für seine persönlichen Ziele nutzt.“ „Das heißt“, sagte Fürst Milan langsam, „er hat nicht nur meine Frau in ihr Unglück laufen lassen, sondern ist dabei, dasselbe mit meinem Sohn zu tun.“ Sina sah ihn mitfühlend an. „Ich fürchte, so ist es“, bestätigte sie.

Die Geflügelten

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Rosa spürt eine tiefe Verbindung zu den geflügelten Pferden, die wie Greifvögel in den Bergen leben und Gemsen jagen, und würde ihnen gerne nahekommen. Doch niemand hatte es bislang vermocht oder auch nur versucht, sie zu zähmen – aber Rosa schafft es. So reisen sie schnell und bequem nach Xunan, mit einem Zwischenhalt an der Südküste, wo Rosa zum ersten Mal das Meer sieht.

Das Licht des Abends glitzerte auf dem Meer, dessen Wellen ein seidiges Schimmern erzeugten wie ein kostbarer und sehr zerknitterter Schal. Rosa hatte von den anderen gehört, dass das Meer nach Fisch und Algen und Salz duftete, und dass ihre Haut den Duft annehmen würde. Hier oben bekamen sie nichts davon mit, sondern mussten darauf achten, sparsam und flach zu atmen und das Tuch vor Mund und Nase nicht zu verlieren. Ihre Augen, die heftig tränten, hatten sie zu schmalen Schlitzen geschlossen. Weit unter sich sahen sie Möwen schweben und tauchen. Ab und an zerschnitt der Kiel eines Bootes die glänzende Wasserfläche. Rosa war froh, dass die Pferde gut gesättigt waren, sonst hätten sie womöglich die Seevögel gejagt und sie alle in Gefahr gebracht. Im Bewusstsein des Jährlings hatte sie dieses Bedürfnis wahrgenommen und unterdrückt, indem sie Bilder von warmem Sand schickte, in dem man sich wälzen konnte. So landeten sie an der Ostseite der Halbinsel, gut verborgen hinter Sandsteinfelsen. Wer sie unterwegs gesehen hatte, musste eine Sinnestäuschung vermuten. Wer sich auskannte, hatte sich wohl gewundert, was die Geflügelten hier suchten, so weit entfernt von ihrer Heimat in den Bergen. Die Pferde, befreit von Geschirr und Traglast, wälzten sich tatsächlich als erstes im Sand, der ihre Flügel bepuderte und sie aussehen ließ wie gewaltige Sandfliegen. „Sie können hier Robben jagen“, antwortete Legiel auf Rosas besorgte Nachfrage. „Schau, dort hinten auf der Sandbank haben sie ihre Lagerplätze.“ Rosa verbannte jedes Bedauern aus ihrem Bewusstsein – die Robben hatten jetzt Jungtiere, wie sie von Legiel erfuhr – und sandte den Pferden Bilder von saftigem Robbenfleisch. Es funktionierte. Binnen kurzer Zeit schwebten die drei Geflügelten über der Sandbank und machten leichte Beute; zumindest so lange, bis die Robben begriffen hatten, was geschah, und entsetzt ins Wasser flüchteten. Rosa beeilte sich, den Pferden Zufriedenheit über die gute Jagd ins Bewusstsein zu pflanzen, damit sie die auf der Sandbank zurückgebliebenen Jungtiere in Frieden ließen. Die Robben würden zurückkehren, sobald die Jäger mit ihrer Beute in den Fängen genügend Abstand zur Sandbank gewonnen hatten. Erst jetzt entspannte sich Rosa und ließ sich in den Sand zurücksinken, den Rücken an eine Düne gebettet. Sie sah auf und begegnete den Blicken der anderen, die offensichtlich neben ihr gewartet hatten, bis sie ihre Konzentration unterbrach. Die Sonne stand tief, in kurzer Zeit würde es dunkel sein. Rosa blickte sich um und sah, dass ihre Zelte bereits standen und ein kleines Feuer brannte. „Du hast die Robbenbabies beschützt, oder?“, fragte Hanerisa. „Du scheinst mich inzwischen zu kennen“, murmelte Rosa verlegen. „Habe ich zu lange gebraucht?“ „Aber nein“, sagte Legiel. Zuneigung lag in seinem Blick. „Du hast von uns allen die wichtigste Aufgabe“, fügte er hinzu. „Dafür ist das Essen bald fertig, schau.“ Überrascht stellte Rosa fest, dass die Pferde offenbar ihre Beute mit ihnen geteilt hatten. Über dem Feuer brieten große Stücke Robbenfleisch. Sie war so darauf bedacht gewesen, die Tiere von der Sandbank wegzulocken, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wie die Falb-Stute mit einem Brocken Fleisch in den Fängen zu ihren Reitern zurückgekehrt war. Die Stute war noch da. Mit blutigem Maul ließ sie sich von Kerran die Mähne zausen und kehrte dann mit kräftigen Flügelschlägen zu ihrer kleinen Herde zurück, die sich für die Nacht in einiger Entfernung von den Menschen auf den Dünen niedergelassen hatte. „Das Ganze verselbständigt sich“, sagte Rosa leise zu Legiel. „Ist das gut oder schlecht?“ „Vermutlich beides“, entgegnete er. „Sie werden nie so sein wie zuvor. Aber sie werden viel erlebt haben. Genau wie wir.“

Ein Handel mit dem Feind

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In Xunan angekommen, werden Rosa, Legiel, Hanerisa und Reno vom heranischen Geheimdienst verhaftet. In den Kellern der Präfektur, einer Zentrale des xunanischen Geheimdienstes, werden sie einzeln verhört. Rosa überlegt sich eine List.

Der Mann am Schreibtisch zog scharf die Luft ein. Er musste entsprechende Anweisungen erhalten haben, denn er schien zu ahnen, um was es sich handelte. „Her damit“, befahl er. Rosa nahm all ihren Mut zusammen. „Werdet Ihr mich unbehelligt gehen lassen?“, fragte sie mit einem Augenaufschlag, den sie hatte üben müssen. „Schließlich habe ich eine Familie, die sich Sorgen um mich macht.“ Wieder ließ sie die Tränen fließen. „Ich weiß gar nicht, wie ich nach Hause kommen soll!“ Unter einem Fluch stand der Mann auf, und schneller, als sie ihm angesichts seiner Statur zugetraut hätte, hatte er seinen Platz hinter dem Schreibtisch verlassen und stand genau vor Rosa. Grob entriss er ihr die Metallröhre und packte mit der anderen Hand ihr Kinn, so dass sie gezwungen war, ihm aus nächster Nähe in die Augen zu sehen. „Wenn du ein falsches Spiel spielst, werden wir dich finden“, drohte er ihr mit leiser Stimme. Es gelang Rosa zu nicken, aber der Befrager war noch nicht fertig mit ihr. Er griff in ihr Haar und zog ihr den Kopf so ruckartig in den Nacken, dass der Schmerz brannte wie tausend Nadelstiche. „Du würdest dieses Haus nicht mehr lebend oder bei Verstand verlassen, Mädchen. Ganz zu schweigen davon, was wir mit den anderen anstellen werden. Ist das klar?“, brüllte der Mann mit plötzlicher Heftigkeit und schüttelte Rosa, um seine Worte zu unterstreichen. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Mann im Kittel interessiert zuschaute.

Der erste Schlüssel

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Rosa und Legiel suchen mit Hilfe der xunanischen Widerständlerin Kan nach der Klaue von Amylos. Die Klaue ist der erste Schlüssel, der den Steinkönig wecken soll. Kaum haben sie die Klaue gefunden, werden sie verhaftet und in den Tempel des Ruan in der xunanischen Hauptstadt Hiriss gebracht…

Legiel blickte zur Kuppel hinauf, während Kan die letzten Schnüre durchschnitt. Rosa bemerkte, dass die Schockstarre von ihm gewichen war und er wieder er selbst zu sein schien. „Seht“, sagte er, „ich glaube nicht, dass wir ein Problem mit Feuer haben werden. Und selbst wenn, das da ist schneller.“ Rosa begriff. „Es ist wie in unseren Träumen!“, rief sie aus. Unerklärlicherweise roch es plötzlich nach Meer; nach Salz und Tang und Fisch. Die gläserne Kuppel klirrte unter dem Aufprall einer dunklen, schweren Masse – Rosa brauchte einen Moment, um zu erkennen, was es war: nasser Sand. Erste Risse zeigten sich in dem filigranen Gebilde aus Glas und Goldornamenten. Rosa fragte sich benommen, wie mitten in der Stadt so viel Sand vom Himmel fallen konnte. In diesem Moment begann es um sie herum zu rauschen und Wassermassen strömten außen an der Kuppel herab. Überall da, wo sich Risse gebildet hatten, liefen Rinnsale zusammen und Wasser, vermengt mit Sand, tropfte in den Tempel, während die Risse sich ausbreiteten wie ein Spinnennetz. Wann immer Wasser und Sand auf dem Boden aufkamen, klatschte es laut, und in dem leeren Tempel hallte das Geräusch jedes Mal lange nach. Rosa spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der die Zerstörung voranschritt, war schwindelerregend. Da war ein Gedanke in Rosas Bewusstsein, der an ihrer Aufmerksamkeit zupfte und zerrte. Sie wischte sich Sand und Glassplitter aus ihrem Gesicht und richtete ihren Blick auf die Wandnische, in der Lord Brany die Klaue von Amylos abgelegt hatte. Die Jade – Block und Klaue – hatte weiß zu glühen begonnen, so als brenne ein Licht darin. „Seht, die Klaue!“, rief sie, aber die beiden anderen hatten es bereits bemerkt. „Ein Zerstörungszauber“, knurrte Legiel. „Als du von jenem Wandbehang erzähltest… Ich war mir sicher, dass da eine Falle ist… aber darauf wäre ich nie gekommen!“ „Lauft!“, brüllte Kan. „Der Tempel wird einstürzen!“

Mit dem Mut der Verzweiflung

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Rosa überzeugt Legiel, dass er seine Angst vor den Gespenstern der Vergangenheit überwinden und mit ihr nach Windar reisen muss, weil dort an der Küste der Steinkönig erwachen wird.

Legiel verbarg das Gesicht in den Händen. So niedergeschlagen hatte Rosa ihn noch nie erlebt, noch nicht einmal während ihrer Gefangenschaft in der Präfektur. „Komm her“, sagte sie und breitete die Arme aus, als er den Kopf hob. „Na los.“ Für einen langen Moment sah Legiel ihr in die Augen. Dann ließ er sich in ihre Arme ziehen. Rosa hielt ihn fest umarmt, bis er sich entspannte. Er seufzte tief und ließ seine Stirn auf ihrer Schulter ruhen. „Ich verstehe“, sagte sie zu ihm, „dass du dich allein fühlst. Aber du bist nicht allein.“ Sie widerstand dem Bedürfnis, ihn länger festzuhalten, seine Nähe zu suchen. Die Zeit dafür würde kommen, da war sie sich sicher. Nach einer Weile gab sie ihn frei, und sie saßen einfach nur da. Legiel seufzte erneut und sah Rosa beinahe scheu an. Sein Blick war hungrig. Rosa wurde klar, dass er die Umarmung genauso widerstrebend beendet hatte wie sie selbst. „Ich werde mitkommen“, sagte er schließlich. „Ihr braucht mich wenigstens zum Übersetzen.“ „Ich spreche Heranisch!“, versetzte Rosa empört. Er grinste sie an. „Das denkst du“, sagte er. „Was heißt: Lasst mich durch, ich bin Zauberkundige?“ Rosa verdrehte die Augen. „Dein Sinn für Humor hat sich nicht großartig weiterentwickelt. Ich schlage vor, wir ergänzen uns gegenseitig. Du sprichst die Sprache, ich steuere die Pointen bei.“ „Bevor wir damit weitermachen, möchte ich eine Sache klarstellen“, verkündete Legiel entschlossen. Er kniete sich vor Rosa auf den Boden, legte seine beiden Hände um ihr Gesicht und küsste sie fest auf den Mund. Vor lauter Verblüffung erwiderte Rosa den Kuss. Sehr schnell bemerkte sie, dass sie damit so bald nicht wieder aufhören wollte. Sie zog Legiel näher zu sich, und er schloss sie in seine Arme. Es musste unbequem für sie beide sein, aber das war ihr gleichgültig. Mit aufgeregt klopfendem Herzen genoss sie das Gefühl seiner Lippen auf ihrer Haut, als er ihren Hals küsste und dann wieder ihren Mund suchte. Nach einer Weile löste sich Legiel sanft von ihr und blieb vor ihr auf dem Boden sitzen. Damit lag die Entscheidung bei Rosa, das Begonnene fortzusetzen oder nicht. Sie richtete sich etwas zittrig auf. Was sie soeben erlebt hatte, hatte ihr die Sprache verschlagen. In ihr tobte ein Kampf zwischen derjenigen Seite ihres Ichs, die schrie: „Weitermachen! Schauen, was passiert!“, und der vorsichtigen, vernünftigen Seite, die schlicht überfordert war. Legiel schien zu ahnen, was er angerichtet hatte. „Mach dir keine Sorgen, Rosa“, sagte er. „Du bestimmst, wie es weitergeht. In jeglicher Hinsicht.“ Sein Gesicht war ernst, aber seine Augen lächelten. Rosas Blick irrte zu seinem Mund…

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