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Liv und Celeste

Liv und Celeste · Romane

Einsame Rockbassistin trifft auf quirliges Fangirl. Eine Geschichte rund um Verführung, Zuneigung und Kreativität.

Was möchtest du mit dem Buch bewirken?

Die Begegnung zweier Frauen, verschieden an Alter, Herkunft, Überzeugungen und Erfahrungen. Dazu gibt es Rockmusik, Diversity und Kaninchen. «Liv und Celeste» bricht mit Klischees, Vorurteilen und festen Vorstellungen, spielt damit und setzt sie neu zusammen. Ich möchte zeigen, dass vermeintliche Schwächen Stärken sein können, das Offensichtliche nicht das Wichtige sein muss und Grenzen sich verschieben können. Und wie mit allen meinen Büchern möchte ich die Leser*innen unterhalten, berühren, herausfordern und ihnen Lesestunden schenken, während denen sie ganz in eine Geschichte eintauchen können.

Über den/die Autor:in

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Mirjam Wicki, geboren 1976, ist mit Herz und Verstand Autorin, Selfpublisherin und Pädagogin. Mit ihrer Familie und zwei Kaninchendamen lebt sie in der Schweiz, nahe der deutschen Grenze. Obwohl sie ...

Celeste

Ich puste mir die Haare aus dem Gesicht. Zumindest würde ich das gern, doch sie kleben an Stirn und Wangen, werden festgehalten vom Schweiss-Make-Up-Gemisch, das mir in die Augen und Mundwinkel läuft.

«Sagt mir, dass es nicht vorbei ist!», stöhne ich ins Nichts.

«Es ist vorbei.» Der Typ, der mich immer wieder angerempelt hat und eine Mitschuld daran trägt, dass meine Haare nicht nur kleben, sondern auch nach Bier riechen, grinst mich an. «Lust auf die Afterparty?»

«Vielleicht.» Ich lege den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Mit beiden Händen fahre ich mir durch die Haare, streife das Haarband ab, das sie zusammenhielt, und schüttle meine Locken. Ich stütze die Arme auf die Abschrankung vor uns und schaue auf die Bühne. Die Roadies sind bereits dabei, Kabel aufzurollen, das Schlagzeug abzubauen, Verstärker auf Rollwagen zu laden

Das Licht blendet mich, die Stille pfeift in meinen Ohren.

«Über die Strasse liegt die Bar, in der sich Crew und Band normalerweise treffen», raunt der Kerl mir zu.

Steht denn der immer noch hier?

Ohne mich umzudrehen nicke ich. «Bis dann.»

«Wartet!», ruft er und eilt von mir weg. Endlich scheint er verstanden zu haben, dass bei mir nichts zu holen ist.

Noch nicht. Erst nehme ich mir Zeit, die Musik, die Energie, die Überreizung, die ich liebe, auch wenn sie mich überfordert, aus mir herausfliessen zu lassen.

Ich drehe mich wieder um und lasse mich der Abschrankung entlang zu Boden gleiten. Lege die Hände neben mich, ignoriere, dass die linke kleben bleibt, lehne den Kopf ans Gitter und schaue in den Saal. Am Stand mit dem Merch stehen Menschen. Hinter mir geht Musik an, wahrscheinlich halten die Bühnenarbeiter die Stille nicht aus.

Ich wackle mit den Zehen in den Stiefeln, versuche, sie wieder zu spüren. Schüttle die Knie, die unter dem Jupe hervorgerutscht sind. Strecke die Arme über den Kopf. Die Ketten um die Handgelenke rutschen nach hinten und klirren. Ich atme ein und schaue mir dabei in den Ausschnitt der Korsage. Mir gefällt, was ich sehe. Ob das mit ein Grund ist, weshalb der Kerl das ganze Konzert über an meiner Seite blieb, und nun in der Bar auf mich wartet?

Ohne die Hände abzustützen, springe ich auf die Füsse und drücke mich in den Stand. Es braucht keinen Blick zurück zur Bühne. Vor mir wartet das nächste Abenteuer.

 

Liv

Ich liebe es, mich nach einem Konzert unter die Leute zu mischen. Mit Drahtgestellbrille, Haremshose und Longsleeve, das meine Tattoos bedeckt, hält man mich wohl für eine der Merch-Verkäuferinnen. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, die Haare so aufzudrehen, dass die Spitzen in hellem Frühlingsgrün nicht zu sehen sind. Das Bad in der Menge ist meine Art, das Adrenalin in meinem Körper zu reduzieren, bevor ich mich nach einem Gig den Menschen zumute.

Heute leert sich die Halle in Windeseile. Der Herbstabend lockt nach draussen und man sagt, in der Bar gegenüber würde die Stimmung an den Afterpartys diejenige der Konzerte gern übertreffen. Aber nicht, wenn wir gespielt haben!

Ich unterdrücke ein Grinsen, das mich verraten könnte bei den Fans, die sich an mir vorbei nach draussen drängen.

Also dann: Zurück in die Garderobe, zurück in die Rockstar-Klamotten und ab über die Strasse in die legendäre Bar, in der die Lounge für uns reserviert ist.

Ich blicke mich um. Soll ich es wagen, hier aufs Klo zu gehen, auf die Gefahr hin, einem Fan zu begegnen, der sich von meiner Maskerade nicht täuschen lässt? No risk, no fun, und schliesslich habe ich schon nach anderen Gigs auf der Toilette Autogramme verteilt!

Am Lavabo im Damenklo steht ein Mädchen auf den Zehenspitzen. Im Spiegel sehe ich, wie sie die Stirn runzelt und die Nase kraust. «Bääh!», entfährt es ihr. Erst jetzt sehe ich, dass sie eine Strähne ihrer Haare in der Hand hält, die Locken geradezieht und offenbar daran gerochen hat.

«Hier!»

Sie wirbelt herum, die Locken federn zurück in ihre ursprüngliche Form.

Ich werfe ihr die Dose zu, die ich in der Hand halte, seit ich die Garderobe verlassen habe. Weil ich manchmal Dinge tue, ohne zu wissen warum. Dinge, die manchmal plötzlich Sinn machen, so wie jetzt.

Das Mädchen – nein, die Frau – oder? – greift danach, schaut aber nicht, was sie gerade aufgefangen hat. Sie schaut nur mich an.

«Ich bin Liv», wähle ich den Weg nach vorne.

«Ich weiss.» Es ist keine Aufregung in ihrer Stimme, die kratzt, als hätte sie in ihrem Leben zu viel geraucht. Wahrscheinlich hat sie aber einfach das ganze Konzert mitgeschrien. Sie ist mir nicht aufgefallen. Von der Bühne aus hätte ich vielleicht ihr Gesicht sehen können, die dunklen Locken, doch nicht diese Augen, die wie zwei Onyxsteine aus dem Gesicht leuchten und mich beinahe aufspiessen mit ihrer Intensität. «Du …», sie bricht ab.

«Ich bin auf der Suche nach dem Superfan, der mich auch in diesem Aufzug erkennt», erkläre ich im Tonfall einer Talkmasterin. «Du hast gerade ein Trockenshampoo gewonnen. Setze es gut ein!»

Endlich schaut sie die Dose in ihrer Hand an. «Echt?»

«Nein.»

«Schade.»

«Du darfst das Shampoo trotzdem benutzen.» Ich trete etwas näher, schnüffle laut und nicke. «Es lohnt sich.»

Sie lacht. «Ich weiss! Eigentlich sollte ich den Kerl umbringen, der sein Bier über mir ausgeschüttet hat, aber ich stehe auf seinen Vampirlook, und zudem war es bei meinem Lieblingssong, den er offenbar auch mag. Also …»

«Also lohnt es sich, dich aufzubrezeln, bevor du ihn wieder triffst.»

Sie nickt. «Darf ich wirklich? Danke!» Sie dreht sich von mir weg zum Spiegel.

Ich verschränke die Arme, lehne mich an eine Kabinenwand und beobachte die junge Frau, die sich nicht aus der Ruhe bringen lässt davon, dass eine Rockbassistin hinter ihr steht, die in der Szene beileibe keine Unbekannte ist. Ihr Po im Schottenkaro-Rock entspricht nicht den üblichen Idealmassen, aber er passt zu den Schultern, deren Muskeln spielen, als sie die Arme hebt, um sich das Shampoo aufs Haar zu sprühen.

«Celeste», sagt sie und sucht im Spiegel meinen Blick. «So heisse ich. Celeste, dein Superfan.» Sie verlagert das Gewicht, und mein Blick fällt auf ihre schweren Stiefel, die aussehen, als müssten sie sie am Boden festhalten. Wahrscheinlich müssen sie das auch.

Ich widerstehe dem Impuls, ihr die Dose aus der Hand zu nehmen und mich selbst um ihre Frisur zu kümmern. Es ist ihre Stärke, die meinen Beschützerinneninstinkt weckt, und ich weiss, dass sie ihn hassen würde. «Bei welchem Song hat der Vampir das Bier verschüttet?», frage ich stattdessen.

«Rate!» Sie dreht mir ihr Gesicht zu. Das Lächeln zieht es noch etwas mehr in die Breite, die Onyxaugen funkeln.

Ich lasse mir Zeit. So viel, dass sie die Geduld verliert.

«Thunderrain», sagt sie.

«Das dachte ich!»

Wieder lacht sie, schüttelt die Haare und macht einen Schritt auf mich zu. «Besser?»

Ich strecke den Kopf vor, schnüffle wieder und nicke. «Perfekt für einen Vampir im Gewitterregen.»

«Danke!» Sie strahlt und streckt mir die Shampoodose entgegen.

«Behalte es», sage ich und warte auf den Autogrammwunsch oder das Selfie vor dem Händetrockner.

Doch Celeste verlangt nichts davon. Sie steckt das Shampoo in die Tasche, die um ihre Schultern hängt, und nickt mir zu. «Bis dann!»

«Ich bin Liv, dein Superfan», entfährt es mir, nachdem sie den Raum verlassen hat und nichts als Leere zurücklässt.

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