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Roman

Roman · Romane

Nie im Leben hätte sich Joanne vorstellen können mit einem Vampir nach Pompeji zu reisen. Jedoch ...

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Ich liebe gute Geschichten, besonders Fantasy und SF. Da ich bereits in der Grundschule anfing zu schreiben, absolvierte ich ein Fernstudium, um mich weiter zu entwickeln.

Über den/die Autor:in

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Schriftstellerin aus Leidenschaft

Der letzte Zeuge von Pompeji

Prolog

Der Feuerdrache erwacht

Der Bote, der an diesem Morgen, im Jahr 62 n. Chr., an Marcus Lucrezias Eingangstür pochte, schien wie von bösen Geistern gehetzt worden zu sein. Mit bleichem Gesicht und zitternd, bat er Poppina Lucrezia, Marcus Mutter, die ihm die stark verrammelte Tür öffnete, ihn sofort und unverzüglich zu ihrem Sohn zu bringen.

„Es ist dringend, ehrwürdigte Poppina“, meinte er leise, dabei sah er sich immer wieder um. „Meine Herrin, die wunderbare Sabina, bittet Marcus, sofort zu ihrem Gatten Valerius zu kommen. Seit dem Erdbeben wurde er vermisst und ist letzte Nacht wieder aufgetaucht, schwer verletzt. Meine Herrin meint, es sähe nicht gut aus und euer Sohn solle sich eilen!“

„Was ist mit Valerius“, fragte Poppina, die ihren Sohn nicht stören wollte. Seit dem Erdbeben waren sieben Tage vergangen und ihr Sohn, der ein angesehener Arzt war, hatte Stunden um Stunden den Verletzten zur Seite gestanden. „Auch hier gab es Verletzte, die mein Sohn behandelt hat. Gibt es keinen anderen Arzt für den Sohn des Weinhändlers?“

„Nein, Herrin. - Bitte, es ist dringend. Seine Wunden sind schwer und tief. Als ich das Gut verließ, lag er in Fieberkrämpfen. Wie lange er noch lebt, mögen nur die Götter wissen.“ Der Sklave, unsicher ob seine Worte Gehör fanden, überlegte, ob er nicht doch bei einem anderen Arzt vorbei schauen sollte. Nur die strengen Worte seine Herrin, die ihn befahlen, Marcus Lucrezia zu bringen, hielten ihn davon ab, das Weite zu suchen.

Poppina nickte langsam. „Es ist ein ungünstiger Zeitpunkt, Maritimus. Aber, Valerius ist ein Freund der Familie. Marcus wird es sich nicht verzeihen, seinem besten Freund nicht geholfen zu haben.“ Sie drehte sich zu der Tür hinter ihr. „Euricke! Euricke! Bitte wecke Marcus auf. Wir haben einen dringenden Notfall.“

„Ich eile mich Herrin“, schallte es zurück.

Euricke, die gerade in der Küche das Frühstück für ihre Herrschaften zubereitete, wischte ihre feuchten Finger an der Rockschürze ab und eilte durch das Atrium, in den hinteren Bereich des imposanten Hauses.

Sachte klopfte sie an die Türe zum Schlafgemach von Marcus, das sie bereits vor Morgengrauen verlassen hatte.

„Marcus, Herr! Ein Bote von Valerius wartet im Eingangsbereich auf Euch. Er sagt, sein Herr bräuchte eure medizinische Hilfe“, sagte sie, nachdem sie das Gemach betreten hatte.

„Wie spät ist es, Euricke“, fragte Marcus verschlafen.

„Der Hahn hat schon gekräht und die Handwerker gehen ihrem Tagewerk nach.“

Marcus streckte sich und ergriff ihre Hände. „Warum liegst du nicht hier, neben mir? Schämst du dich meiner?“

Euricke schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich bin nur eine Sklavin, die arbeiten muss. Auch wenn sie die Nächte in den Armen des Hausherren verbringt. - Stehst du jetzt auf?“

„Ich würde lieber liegen bleiben, mit dir. Aber, ich denke, meine Mutter wird mir keine Ruhe lassen. Reich mir mein Gewand, Geliebte.“ Mit Schwung streckte er die Beine aus dem Bett und schlüpfte in die Kleider, die ihm Euricke gab.

„Danke. Wenn ich zurück bin, benötige ich deine Dienste, meine Liebste. Da wird meine Mutter nichts dagegen haben, denn ich würde gerne den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Sag, kannst du dir vorstellen, als freie Frau an meiner Seite zu leben?“ Forschend sah er die schöne Griechin an. 

Euricke lächelte und gab ihm einen Kuss. „Ich liebe dich, wie du weißt. Und ja, gerne werde ich deine Frau. Aber nicht, um frei zu sein, sondern, um mit dir zu leben.“

„Gut. Ich kümmere mich jetzt um Valerius und wenn ich zurück bin, spreche ich mit meinem Vater.“ Er zog sie in seine Arme und küsste sie lange und leidenschaftlich. „Er wird nichts gegen die Heirat haben. Sobald das Haus wieder aufgebaut ist, haben wir unsere eigenen Räume.“

„Ich warte auf dich, denn ich habe ein Geschenk für dich. Bleib nicht zu lange weg, Marcus.“ Hand in Hand gingen sie zurück in den Eingangsbereich, wo der Bote mit Poppina ungeduldig wartete.

„Herr, eilt euch! Valerius liegt in Fieberkrämpfen. Die ehrwürdige Sabina bittet euch, sofort aufzubrechen.“

„Keine Sorge, Maritimus. Er bekommt meine Hilfe!“ Marcus wandte sich an seine Mutter. „Habt ihr mein Pferd satteln lassen?“

„Sicherlich, mein Sohn. Gaius wartet auf der Straße mit dem Ross.“

Marcus nickte. „Ich denke, ich werde heute Abend wieder zurück sein. Bereite ein Festessen vor, denn ich habe etwas zu verkünden.“

Poppina musterte ihn Sohn fragend, mit hochgezogener Augenbraue. „Willst du doch Leibarzt des ehrenwerten Helvius Sabinus werden? Er ist ein guter Mann, der im Wahlkampf meine volle Unterstützung hat.“

Marcus schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, Sabinus ist nicht mein Mann. Warte bis heute Abend, und ich verrate dir, was ich vorhabe.“

„Du machst es spannend, Marcus“, seufzte Poppina. „Gut, ich warte bis zum Abend. Werden viele Gäste erwartet?“

„Nein, nur die Familie, Mutter.“ Marcus drückte Euricke noch einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich liebevoll von seiner Mutter. „Bis heute Abend!“

Mit einer knappen Handbewegung deutete er an, dass Maritimus vor ihm auf die Straße treten sollte. „Ruh dich aus, Bote. Ich finde den Weg schon allein.“

„Danke, Herr. Aber Valerius wird mich züchtigen lassen, wenn ich zu lange in der Stadt verweile. Ich folge euch zu Fuß“, sagte der Sklave.

„Dieses Ross kann auch zwei Männer tragen, Maritimus“, meinte Marcus. „Steig auf!“

„Danke, Herr“, flüsterte der Sklave unterwürfig. Mit so viel Güte hatte er offenbar nicht gerechnet. Zögernd schwang er sich hinter Marcus in den Sattel.

„Gaius, bitte meinen Vater, heute den Laden geschlossen zu halten. Ich werde erst am Abend zurück sein.“

„Ja, Herr.“ Der Sklave verneigte sich.

Im Galopp ging es durch die engen Gassen der Stadt, bis zum westlichen Tor, wo der Weg zum Weingut von Valerius führte. Die Straße Via dell Abbondanza, welche von Marcus Haus bis zur Via Stabiana führte, war an diesem Morgen nur von wenigen Menschen bevölkert. Noch immer hatten die Einwohner Pompejis mit dem Erdbeben und seinen Folgen zu kämpfen, so dass für Spiel und Spaß wenig Zeit blieb. Marcus ritt an halb zerstörten Häusern vorbei, die von ihren Bewohnern wieder neu aufgebaut wurden. Flinke Hände trugen Schutt ab und gruben Wertgegenstände aus. Staub und Lärm drang bis auf die Straße, und oft musste der Arzt kurz sein Pferd zügeln, wenn wieder ein Bautrupp überflüssigen Bauschutt auf die Straße trug, wo er von den armen Einwohnern Pompejis sofort für eigene Bauvorhaben abtransportiert wurde. 

Kaum hatte er die Via Stabiana hinter sich gelassen und war in die Via Consulare eingebogen, welche bis zum Porta di Ercolano führte, wurde es deutlich ruhiger. Hier waren weniger Häuser betroffen und die Pompejianer gingen ihren normalen Alltagsgeschäften nach. Marcus sah Händler, die Brot und andere Speisen verkauften. Es roch nach Knoblauch, Zwiebeln und Kohl in den Gassen. Schmuck und Tuche lagen in den Auslagen und Prostituierte boten ihre Dienste an, über ihnen die Laterne in Form eines Phallus.

Ein untersetzter Mann grüßte Marcus und eilte sich dann, die Straße zu verlassen, um den Arzt vorbei reiten zu lassen.

„Geht es der Gattin wieder gut, Lucius“, erkundigte sich Marcus.

„Ja, sie hat sich erholt“, antwortete der Mann. „Danke für die schnelle Hilfe.“

„Kein Problem“, meinte Marcus und erreichte endlich das Tor, um hinaus in die Ebene zu reiten.

In der Ferne konnte er schon das große Weingut seines Freundes sehen, dass eingebettet zwischen den Feldern und Weingärten lag.

Auf der Straße waren einige Maultierkarren unterwegs, die Gemüse und Getreide in die Stadt brachten.

Aber, nach dem Verlassen des Stadttores kam Marcus schneller voran, er konnte sogar im Galopp reiten. Zügig näherte er sich dem großen Gut, wo er Sabina schon wartend, unter den Arkaden, stehen sehen konnte. Als sie Marcus entdeckte, lief sie zum Eingang im Osten des Hauses, um ihn zu begrüßen.

„Wie gut, dass du kommst“, rief sie ihm zu. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Nach dem Auftauchen von Valerius gestern, geht es ihm gesundheitlich immer schlechter. Schon seit den Abendstunden liegt er im Fieber.“

„Ich grüße dich, Sabina“, meinte Marcus und rutschte aus dem Sattel. „Wo war Valerius denn? Hatte er geschäftlich in Herculaneum zu tun?“

„Sei auch gegrüßt, Marcus“, antwortete die zierliche Griechin freundlich, wie es der Brauch war. „Nein, geschäftlich war er nicht unterwegs. Das wüsste ich. Ich kann dir nicht sagen, wo er die letzten Tage, seit dem Erdbeben, war. Plötzlich war er einfach verschwunden und kehrte erst gestern, schwer krank, zurück.“

„Du sagtest, er habe Fieber? Ist dir noch was anderes aufgefallen?“ Mit großen Schritten folgte er der kleineren Frau ins Innere der Villa. Durch schattige Atrien und Räume führte sie ihn zum Schlafgemach ihres Gatten, welches im Westen lang und Meerblick besaß.

„Nun, er wirkt blass. Wie ausgezehrt“, überlegte Sabina. „So habe ich ihn noch nie gesehen.“

„Ich sehe nach ihm. Wie geht es dir“, forschend musterte Marcus Valerius Frau. Ihm war die bläuliche Färbung unter ihrem rechten Auge nicht entgangen. „Schlägt er dich?“

Zögernd schwieg Sabina und wandte den Kopf ab. „Es ist nichts, was sich zu erklären lohnte“, sagte sie dann.

„Du weißt, mir kannst du alles sagen, Sabina. Wenn er dir Gewalt antut, setze ich mich für eine Trennung ein. Das musst du dir nicht gefallen lassen.“

„Nein, es ist nichts“, flüsterte sie. „Bitte, kümmere dich um Valerius.“

Marcus fand seinen Freund auf dessen Bett, wo er schweißnass und röchelnd lag. Eine Sklavin, Pola, kühlte sein Gesicht mit einen feuchten Lappen, den sie immer wieder in eine Schüssel mit Wasser tunkte und auswrang.

„Valerius“, sprach Marcus ihn an und legte seine Hand auf die Stirn seines Freundes. Dieser stöhnte leise und ein Schwall säuerlich riechender Atem wehte dem Arzt entgegen.

„Er ist seit dem Abend nicht mehr wach geworden, Herr“, meinte Pola und blickte besorgt auf ihren Herrn. „Er stöhnt und redet wirres Zeug. Manches verstehe ich nicht.“

„Sein Fieber ist sehr hoch. Ruhe dich aus, Pola. Ich untersuche ihn und bleibe, solange er mich braucht.“ Marcus nahm Polas Platz neben dem Bett ein und begann mit seinen Untersuchungen. Zuerst hob er die Augenlider und blickte in verdrehte Pupillen, die nichts von der Umgebung wahrnahmen. Dann tastete er den Bauch und die Gliedmaßen ab, konnte aber keine großen Verletzungen finden. Nur Schnittwunden und Prellungen. Er fühlte den Puls, der unter seinen Fingerspitzen nur so raste und lauschte dem Herzschlag.

Eine kleine Wunde am Hals fiel ihm auf, zwei Punkte nur, wie eine Biss Spur.

„Ist er von den Hunden angefallen worden“, fragte Marcus Sabina.

„Nein, davon weiß ich nichts“, meinte diese.

„Ich sehe mir noch den Rücken an“, überlegte Marcus und bat Pola, ihm zu helfen. Als er Valerius auf die Seite drehen wollte, begann dieser zu krampen und sein Körper versteifte sich für einen Augenblick. Dann zuckte sein Gesicht, die Augen öffneten sich und gaben die verdrehten Augäpfel frei. Speichel lief aus seinem Mund und der Kopf zuckte hin und her.

„Valerius, wir müssen dich drehen“, begann Marcus, als ihn ein Fausthieb mitten ins Gesicht traf. Marcus zuckte zurück und hielt sich die blutende Nase, bis der Blutfluss nach ließ.

„Das war nicht nett, Valerius“, meinte Marcus und hoffte, dass sein Freund ihn hörte.

Auch beim zweiten Versuch schlug Valerius unkontrolliert zu, dabei stöhnte er, als ob sein letztes Stündlein geschlagen habe. Marcus und Pola hatten den Fausthieb kommen sehen und waren vom Bett zurück getreten. So ging er ins Leere, und traf nur das Bettgestell.

„Valerius“, sprach ihn Sabina an. „Es ist nur Marcus. Er will dir bloß helfen!“

Valerius wand sich auf dem Lager, seine Füße und Hände zuckten. „Hilfe“, kam aus seinem Mund, doch die Augen hatte er fest geschlossen. Schweiß rann ihm den Körper herab, als Marcus Pola bedeutete, ihren Herren endlich auf die Seite zu drehen.

Kaum hatte Marcus Valerius berührt, umklammerte dieser dessen Arme und krallte seine Fingernägel in die Haut.

In Marcus Arm explodierte der Schmerz, als seine Haut aufriss und sich sein Blut mit dem von Valerius mischte.

 Hecktisch versuchte er, den festen Griff zu lösen, was ihm erst im zweiten Anlauf gelang. Deutlich waren nun die Kratzspuren, von Valerius Fingernägeln, auf seinen Armen zu sehen.

„Du blutest“, meinte Sabina und wies Pola an, ein sauberes Tuch zu bringen. „Er hat dich gekratzt. Warum?“

„Ich weiß, er hat hohes Fieber. Aber, es scheint noch etwas anderes zu sein. War er schon mal in diesem Zustand?“

Sabina schüttelte den Kopf. „Nein. Bisher nicht. Du kennst ihn ja, er war immer gesund und stark.“

Marcus nickte ernst. „Ja, ich erinnere mich. Er war immer der stärkere von uns beiden. – Ich denke, er hat das Sumpffieber. Wir können nur warten und hoffen, Sabina.“

„Wird er wieder gesund?“ Hoffnung und Zweifel schwangen in der Stimme der Griechin mit.

„Du musst beten.“ Marcus wollte ihr nicht die Hoffnung rauben, auch wenn er ahnte, dass Valerius womöglich den nächsten Tag nicht erleben würde. „Ich bleibe, bis es ihm besser geht.“

„Danke. Pola wird sich um dich kümmern. Dionysios sei mit dir, Marcus.“ Sie reichte ihm ein sauberes Tuch, welche ihr Pola gebracht hatte und zog sich in ihre Gemächer zurück.

„Ich warte draußen, Herr“, sagte Pola und ließ Marcus mit Valerius alleine. „Ruft, wenn ihr etwas braucht.“

Noch immer glühte die Haut seines Freundes und Schweiß bedeckte sein Gesicht. Mit dem feuchten Tuch kühlte Marcus Valerius Stirn und seinen Oberkörper. Bis zum Morgengrauen veränderte sich Valerius Zustand nicht, dann aber wurde aus Hitze eisige Kälte und Marcus meinte schon, seinen Freund verloren zu haben, als dieser anfing zu sprechen. Wortfetzen zuerst, dann ganze Sätze, die das Geheimnis enthüllten, warum Valerius in diesem Zustand war. Marcus hörte zu und ihm stellten sich die Nackenhaare vor Furcht auf, als er beim Anbrechen des Tages das Geheimnis gelüftet wusste.

„Nicht!“, schrie Valerius und hob abwehrend die Arme. „Adriana. Bitte, nicht!“ Wie im Kampf warf er sich hin und her. „Leben. Lass mich leben!“ Seine Hände fuhren zu seinem Hals. „Sterbe! Keine Luft!“ Keuchend drehte er sich auf die andere Seite. „Nein, nein. Ich sage nichts. Adriana, bitte ….“ Und er schluchzte wie ein Kind. „Nicht beißen. Nein! Ich will nicht.“ So ging es bis zum Morgen, als er plötzlich verstummte. Valerius flehte, bettelt und stöhnte, dann ließ ihn ein letzter Krampf bläulich und steif werden. Marcus, der müde nach seinem schlaffen Arm griff, fühlte die Kühle seiner Haut, doch der Puls schlug kräftig und zeigte an, das Valerius noch lebte.

„Pola“, rief Marcus nach der Sklavin. „Kümmere dich um deinen Herrn.“ Als er ihren entsetzten Blick sah, setzte er hinzu: „Keine Sorge, er lebt. Du musst ihm wärmen. Wickele ihn in Decken, so dass die Kälte seiner Haut schwindet.“ Müde und erschöpft stand Marcus auf. „Ich werde etwas schlafen und kehre dann später zurück.“

„Ja, Herr. Die Herrin fragte schon nach euch. Sie erwartet euch in ihren Gemächern. Alphios wird euch begleiten“, antwortete Pola und deutete auf einen Mann, der an der Tür wartete.

„Danke. Ich kenne mich hier aus“, antwortete Marcus gähnend, folgte aber dann doch dem Sklaven, der ihn zu seiner Herrin brachte.

Die Gemächer Sabinas waren luxuriös ausgestattet, mit großen Bildern an den Wänden und bequemen Sesseln.

Als Marcus, gefolgt von Alphios, ihr Schlafgemach betrat, schloss Sabina gerade die Tür zum Nebenraum. Kurz erhaschte der Arzt einen Blick auf den verbotenen Ritus des Dionysos an den Wänden, einst sehr verbreitet, doch nun nur noch von wenigen Menschen ausgeführt.

„Du hängst dem Kult also immer noch an“, bemerkte Marcus und Sabina nickte.

„Wirst du mich verraten“, fragte sie und blickte ihn fest an. „Seit ich hier lebe, ist mir nicht viel geblieben. Kinder haben wir keine und Valerius ist viel unterwegs, um Geschäfte zu machen. Der Kult erinnert mich an meine Heimat.“

Marcus lächelte leicht. „Es ist deine Sache, Sabina. Nie würde ich den Oberen etwas darüber sagen. - Wie ich sehe, willst du die Wände umgestalten?“ Zeichnungen lagen auf einem Tischchen, das in der Mitte des Raumes stand.

„Ja. Das Erdbeben hat einige Gemälde zerstört. Die Gelegenheit, die Wände neu zu verputzen und zu bemalen.“ Sie bot ihm mit einer Handbewegung Platz auf einem Schemel an und winkte dem Sklaven, den Raum zu verlassen. „Wie geht es Valerius?“

„Das Fieber sinkt. Aber, er ist noch nicht außer Lebensgefahr.“ Nachdenklich musterte er Sabina und fragte sich, wieviel sie von dem wusste, was ihm Valerius im Fieberwahn erzählt hatte. „Weißt du, wo Valerius in den vergangenen Tagen gewesen ist? Hast du Vermutungen?“

„Hat er etwas gesagt“, erkundigte sich Sabina und nahm gegenüber Platz.

„Nein, er sprach wirr. Das Fieber.“

„Nun, er sagte mir nie, wohin er ging. Ich vermutete, er hat irgendwo eine Geliebte“, sie zuckte die Achseln. „Egal, es ist seine Sache. Sicher bin ich mir aber nicht.“

„Ich weiß nicht, was von dem zutrifft, was er mir gesagt hat. Aber, wenn er überlebt, sei vorsichtig. Die Krankheit wird ihn verändern.“

„Hat das Fieber sein Gehirn angegriffen?“

Marcus nickte langsam. „Ja, könnte man so sagen. Ich weiß, er war nie einfach. Jetzt wird er unberechenbar werden. Bitte, sei vorsichtig.“

„Warum sagst du mir das“, fragte Sabina und blickte ihn offen an. Blau leuchtete der Fleck unter ihrem Augen und Marcus entdeckte weitere Flecke auf ihren Armen.

„Ich will nur helfen, Sabina“, antwortete der Arzt sanft. „Ich kenne Valerius seit der Kindheit und kann ihn einschätzen. Du hattest es nie leicht mit ihm.“

Sie lachte bitter. „Das ist noch untertrieben. Aber, er ist mein Mann. Was kann ich tun?“

„Wenn es dir zu viel wird, steht mein Haus dir offen.“

„Du legst dich offen mit ihm an“, fragte Sabina erstaunt.

„Ich versuche, nur die Menschen zu beschützen, die mir wichtig sind. Ich mag dich und ich bin nicht blind, Sabina. Wie gesagt, mein Haus kann dir eine Zuflucht sein.“

„Danke, ich werde daran denken. – Mein Sklave wird dir ein Zimmer herrichten, denn du bist müde. Brauchst du sonst noch etwas?“

„Bitte, schicke einen Boten nach Pompeji und verständige meine Familie. Sie werden sich Sorgen machen.“

Sabina nickte. „Wie lange bleibst du?“

„So lange, wie mich Valerius braucht. Noch ist sein Zustand kritisch. Wenn es ihm besser geht, reite ich zurück.“

„Danke, danke. Du weißt nicht, wieviel mir das bedeutet.“ Sie klatschte einmal kurz in die Hände und der Sklave Alphios betrat das Zimmer.

„Herrin?“

„Bring den guten Marcus Lucrezia in das südliche Gästezimmer und bereite ein Frühstück für ihn zu. Er wird sich um meinen Mann kümmern.“

Der Sklave nickte zustimmend und Marcus verabschiedete sich von Sabina. „Möge dein Tag gut werden, Sabina.“

„Mögest du in diesem Haus gut ruhen“, meinte Sabina und genügte so der Höflichkeit.

Marcus folgte dem Sklaven durch den angrenzenden Garten, mit seinem Springbrunnen.

Auch das Gästezimmer, ein Raum, der auf der anderen Seite des Gartens lag, war mit bunten Gemälden geschmückt. Griechische Götter tummelten sich an den Wänden, Liebespaare in eindeutigen Posen bevölkerten die Decke und die Türen.

„Euer Frühstück kommt sofort, Herr“, sagte Alphios und zog sich dann leise zurück.

Müde warf sich Marcus auf das Bett. Sein Tag war lang gewesen, so wie die Tage seit dem Erdbeben auch. Nun spürte er die Last, die er Tag für Tag trug. Mit dem Blick zur Decke begann er einzudösen, als es leise klopfte und der Sklave sein Frühstück brachte.

Aber der Arzt hatte keinen großen Appetit, obwohl er seit dem letzten Tag nichts gegessen hatte. Sein Körper forderte Ruhe und dem konnte er nun endlich nachgeben.

Wie lange er geschlafen hatte, wusste er später nicht zu sagen. Draußen, im Garten, war es noch hell und der Duft nach Rosen strömte in sein Zimmer.

Wach wurde er durch ein Brennen in seinen Armen. Es schien ihm, sie würden in Flammen stehen. Als er die Haut betrachtete, sah er die roten Flecken, dort, wo Valerius ihn gestern gekratzt hatte. Die Entzündung war schon bis in seine Oberarme aufgestiegen und die Haut fühlte sich an der Stelle heiß an.

Ich hätte den Kratzer säubern müssen, dachte er. Jetzt ist es zu spät dafür.

Langsam setzte er sich auf, denn das Zimmer drehte sich vor seinen Augen. Es dauerte, bis er wieder klar sehen konnte.

Die Müdigkeit!! Wie lange habe ich geschlafen? Nur eine kurze Zeit. Und dann die lange Nacht an Valerius Seite. Kein Wunder, dass mein Körper verrücktspielt, überlegte er.

Sorgsam wusch er die Wunden in der Waschschüssel, die ihm der Sklave in der Frühe gebracht hatte. Danach aß er etwas und trank ein wenig Wasser, denn nach Wein war ihm nicht zu Mute.

Vor der Tür wartete bereits Alphios.

„Bring mich zu deiner Herrin.“

„Sehr wohl.“

Sabina schien genauso frisch und ausgeruht, wie am Morgen.

„Hast du gut geschlafen“, erkundigte sie sich, nach dem er ihr Zimmer betreten hatte.

„Sehr gut, danke.- Wie geht es Valerius?“

„Er schläft. Heute Mittag hat er etwas Suppe und Brot gegessen. Das Fieber scheint weg zu sein! Pola erzählte mir, er würde frieren. Sie hat ihn in Decken gewickelt, wie du es ihr befohlen hast.“

„Das hört sich gut an. Ich sehe gleich nach ihm.“

„Den Boten habe ich auch in die Stadt geschickt. Dein Vater war sehr dankbar, für eine Nachricht. Er hat sich schon Sorgen gemacht, weil du nicht zur Feier zurückgekehrt bist.“

„Oh, ja. Die Feier“, murmelte Marcus und dachte an Euricke, der er ein Versprechen gegeben hatte. Als er aufblickte, sah er in Sabinas nachdenkliche Augen.

„Sagst du mir, was du zu feiern hast“, fragte sie ihn, doch Marcus schüttelte nur den Kopf.

„Nicht wichtig.“

„Wenn du meinst? Alphios wird dich zu Valerius bringen.“ Sie wirkte ein wenig verletzt, sagte aber nichts weiter und ließ Marcus gehen.

Valerius wirkte schmal und blass, in seinem großen Bett, als der Arzt das Zimmer betrat. Pola saß neben ihm, auf einem Schemel, und bewachte seinen Schlaf.

„Wie geht es ihm, Pola?“

„Er hat gegessen und schläft seit dem Mittag, Herr. Das Fieber ist nicht zurückgekehrt, dafür friert er. Ich habe ihn gut zugedeckt, aber er murmelt, es sei ihm noch immer kalt.“

„Hast du es mit einer Feuerpfanne versucht“, fragte Marcus und dachte an den Tontopf, der mit glühender Asche gefüllt, dann verstopft und ans Bettende gelegt wurde, um es anzuwärmen.

„Nein, Herr. Aber ich besorge sofort einen“, meinte Pola und stand auf.

„Ja, mach das. Hat er sonst noch etwas gesagt?“

„Nein, Herr. Seit dem Essen schläft er. Nur stöhnt er, hin und wieder, fürchterlich.“

„Gleich wird es besser“, meinte Marcus und ließ sich neben dem Bett nieder. „Ich bleibe bei ihm.“

Kaum war Pola aus dem Raum, öffnete Valerius die Augen, aber sein Blick schien den Freund nicht zu erkennen. Er blicke nicht Marcus an, sondern starr zur Decke.

„Valerius“, sprach ihn Marcus an, aber der Kranke zeigte keine Reaktion. Leicht legte der Arzt seine Hand auf Valerius Arm. Dieser fühlte so kalt an, wie bei einer Leiche. „Valerius?“

Ein leises Stöhnen entrann seinem Mund, dann schlossen sich die Augen wieder.

„Valerius, ich bin es. Marcus“, versuchte es der Arzt erneut. Keine Reaktion.

Kurz darauf tauchte Pola mit dem Feuertopf auf, den sie sorgsam am Fußende positionierte, um keine Verbrennungen zu verursachen. „Ist das gut so, Herr?“

Marcus nickte. „Gleich wird es ihm warm. Du kannst schlafen gehen, ich bleibe heute Nacht bei ihm.“

„Danke, Herr.“ Leise zog sich die Sklavin zurück.

Die ganze Nacht wachte Marcus an Valerius Bett, und am Morgen hatte er das Gefühl, das sein Freund auf dem Weg der Besserung war, was er auch Sabina sagte.

„Für mich gibt es hier nichts mehr zu tun“, erklärte er ihr. „Ich kehre nach Pompeji zurück.“

„Du siehst müde aus, Marcus. Willst du nicht noch ein wenig schlafen? Wir haben Platz genug, besonders für liebe Freunde“, meinte sie lächelnd.

„Nein, ich muss zurück. Aber, danke. Grüß deinen Mann von mir, wenn er erwacht.“

„Mache ich. Alphios bringt dir dein Pferd, mein Freund. Danke für deine Hilfe. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich getan hätte.“

„Valerius ist mein Freund, und ich lasse ihn nicht im Stich“, antwortete Marcus, und fühlte sich auf einmal schwach und schlapp. Es kostete ihn Mühe, den Weg zu gehen.

Sabina begleitete ihn noch bis nach draußen, vor dem Eingang. „Mögen dich die Götter begleiten, Marcus.“ Sie sah ihm nach, bis er auf seinem Pferd zwischen den Feldern verschwunden war. Dann kehrte sie zu ihrer Arbeit zurück.

 

Marcus klammerte sich, derweil, an sein Pferd, denn nun spürte er das Fieber, das seinen Körper zu verzehren drohte. Sein Kopf tat weh und die Wunden an den Armen brannten wie Feuer. Nur mit viel Willenskraft schaffte er es, nicht aus dem Sattel zu rutschen und heil an seinem Haus anzukommen.

Dort rief er nach Gaius, der ihn ins Haus und in sein Schlafgemach brachte. Müde und mit Schmerzen im ganzen Körper fiel er aufs Bett, wo er augenblicklich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel, aus dem ihm nur die Stimme Eurickes an den Rand des Bewusstseins holte. Dann sah er Feuer, das seinen Körper zu verbrennen drohte und hörte die Worte Valerius, die ein grausiges Geheimnis offenbarten. „Es wird nie wieder so sein, wie es war“, verhöhnte ihn sein Freund und Marcus stöhnte auf.

Am anderen Tag, als das Licht durch die Läden schien, hatte er Krämpfe, die seinen ganzen Körper erfassten und ihn völlig ans Bett fesselten. In den kurzen, wachen Phasen, erkannte er weder seine Mutter noch Euricke, die an seinem Bett wachten. Als sie seine schweißnasse Stirn kühlen wollten, hatte Marcus die Vorstellung, sie wollten ihn erstechen und er konnte die blitzende Klinge in ihrer Hand sehen. Blitzartig hob er die Arme und wehrte den Angriff ab. „Nein, nein!“, rief er und ein neuer Krampf ließ ihn schmerzlich aufstöhnen.

„Marcus“, flüsterte es leise und Marcus erkannte Eurickes Stimme.

„Hilf mir“, krächzte er. „Ich verbrenne.“

„Bringt kaltes Wasser. Sonst geht das Fieber nie runter.“ Die Stimme seiner Mutter war sehr streng und drängend.

„Mutter“, Marcus konnte kaum sprechen, so ausgetrocknet waren seine Lippen.

„Möchtest du etwas trinken?“

„Wasser. Ich sterbe.“

„Du stirbst nicht, Marcus“, die Hand seiner Mutter lag kühl auf seiner Stirn. „Du hast das Sumpffieber. Antonius Cicero meinte, du seist stark genug, es zu überleben.“

„Antonius ist ein Spinner, der keine Ahnung von Krankenpflege hat“, flüsterte Marcus. „Es ist nicht das Sumpffieber. Das weiß ich genau.“ Er hustete. „Valerius! Er hat mich angesteckt. Ich hätte nicht dort sein sollen.“

„Er ist dein Freund.“

„Ja, aber bald nicht mehr. Er wird sich verändern, das hat er gesagt. Hütet euch vor Valerius!“ Erschöpft sank Marcus wieder in die Kissen. Konnte er das Geheimnis offenbaren? Was hatte er schon verraten, von dem, was sein Freund gesagt hatte?

„Valerius! Wie geht es ihm“, fragte er leise.

„Sabina schickte einen Boten. Sie lässt ausrichten, Valerius ginge es besser und er wird leben.“

„Das sind gute Neuigkeiten“, flüsterte Marcus und sank wieder in den Schlaf.

Wie lange er geschlafen hatte, wusste er später nur aus Erzählungen seiner Familie und Eurickes, die an seinem Bett wachten und seinen Körper mit feuchten Tüchern herunter kühlten. Nach dem Feuer kam das Eis und er wurde einfach nicht warm, so sehr sich sein Umfeld auch mühte, das Bett anzuwärmen. Selbst Euricke, die nachts eng an seinem Körper lag, konnte ihn nicht aufwärmen. Marcus hatte das Gefühl, in einer ewigen Eiszeit gefangen zu sein.

Dann kehrten die Wärme und das Leben in seinen Körper zurück, wenn er auch noch zittrig und schlapp war. Euricke half ihm, sich aufzusetzen und ein wenig Brühe und weißes Fleisch zu essen. Es stillte seinen Hunger nur unzureichend, denn es gelüstete ihn nach Blut und er musste sich beherrschen, sie nicht zu beißen.

„Erzähl mir von meiner Krankheit, Geliebte“, bat er Euricke. Denn er wollte wissen, was er während des Fiebers gesagt hatte.

„Was möchtest du genau wissen, Marcus?“

„Habe ich was gesagt? Im Fieber?“

„Ja, aber es waren nur Worte. Du hast immer wieder von Feuer gesprochen und verbrennen. Sonst stöhntest du nur, sobald man dich berühren wollte.“

„Es fühlte sich wie Feuer an, Euricke. Nie spürte ich einen derartig starken Schmerz. Ich dachte, mein Körper wäre nur schwarze Asche.“ Müde wischte sich Marcus über die Stirn. „Ich hoffe, nie wieder so eine Marter zu spüren.“

„Es ist vorbei, Marcus. Du wirst wieder gesund. Das ist wichtig. Möchtest du noch ein wenig Suppe?“ Sie deutete auf ein Tischen, auf dem eine dampfende Schale stand.

„Nein, danke, Liebste. Ich bin so müde, ich schlafe noch etwas.“

 

Tage vergingen und schon bald schien Marcus wieder der Alte zu sein. Doch etwas nagte an ihm, dass er sorgsam vor seiner Familie verbarg. Die Worte von Valerius gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn, und er befürchtete, Opfer seines Wahnsinns geworden zu sein.

In den dunklen Stunden der Nacht, wenn Euricke tief und fest neben ihm schlief, befiel ihn eine Sehnsucht nach Blut und Mordlust. Dann wünschte er sich, alle Ketten seiner Herkunft zu sprengen und die Menschen, die er liebte, verlassen zu können, um sie zu schützen.

Noch gab es für den Arzt genug zu tun, denn noch nicht alle Opfer des Erdbebens waren ausgegraben worden und benötigten Hilfe, seine Hilfe. So verrichtete er am Tage seine Arztbesuche, sah nach den Verletzten, schiente Brüche, verband Schnittwunden und verordnete Tränke gegen Durchfall und Fieber. In den Nächten haderte er mit sich und überlegte, wie er aus diesem Teufelskreis frei kam.

Aber es sollte noch Tage dauern, bis ein Ereignis ihm klar machte, Pompeji sofort zu verlassen und nie wieder zu kehren.

Es begann als ganz normaler Tag, Marcus eilte durch die Stadt, um Verletzte zu versorgen und nach seinen Patienten zu sehen, als ihn ein Maultiertreiber, der bei seinem Freund Valerius arbeitete, ansprach.

„Herr, ihr seid doch ein Freund von Valerius Maximus?“, fragte er.

„Ja. Warum?“

„Habt ihr von den Morden gehört, die auf dem Weingut geschehen sind?“

„Morden?“

Der Mann nickte eifrig. „Ja, Herr. Zwei Sklavinnen und ein Maultiertreiber, Tullius Gnaeus, wurden in den Feldern nahe des Gutes gefunden. Mit durchschnittener Kehle.“

„Hat man den Schuldigen schon gefunden?“

„Nein, bisher nicht. Florus Ceres, der Präfekt der Stadt, untersucht den Fall noch.“

„Ein guter Mann“, murmelte Marcus. „Gab es Streitigkeiten auf dem Gut?“

Der Mann schüttelte energisch den Kopf. „Nicht solche, die tödlich enden. Die Herrin Sabina ist außer sich vor Sorge. Sie fürchtet um ihr Leben.“

„Das denke ich mir. Danke, für die Neuigkeit. Ich überlege, dass ich auf das Gut reiten und dort nach dem Rechten sehen werde.“ Marcus verabschiedete sich und eilte zurück in seine Villa.

„Gaius, bring mir mein Pferd. Ich muss Valerius besuchen.“

„Was ist mit ihm“, erkundigte sich Euricke, die ihm die Tür geöffnet hatte. „Ein Rückfall?“

„Nein, drei Morde sind auf dem Gut geschehen. Ich will wissen, wie es der Familie geht.“

„Oh, ja. Ich hörte davon, dachte aber, es sei in einem anderen Ort.“

„Ich erzähle dir davon, wenn ich zurück bin.“

Euricke nickte. „Komm schnell zurück“, sagte sie ernst. „Und gesund.“

„Ich bleibe nicht lange“, meinte Marcus und küsste sie. „Versprochen!“ Ich bin ihr noch was schuldig, dachte er. Aber die Hochzeit habe ich nicht vergessen, nur verschoben.

„Du wirst meine Frau“, flüsterte er und Euricke lächelte ihn zärtlich an.

„Ich weiß, Marcus. Du warst sehr krank. Ich kann warten, Liebster.“

„Danke. Das bedeutet mir sehr viel, Euricke.“ Er stieg auf sein Pferd und ritt aus der Stadt.

Auch an diesem Tag waren Händler auf der Straße unterwegs, doch auch Soldaten und die Stadtwache.

Überall schienen die Morde auf dem Weingut, außerhalb der Stadt, das Gesprächsthema zu sein. Marcus folgte einem Maultiergespann, welches Wolle und Tücher zum Gut brachte und hörte dem Kutscher einen Augenblick zu, bevor er ihn endlich überholen konnte.

„Ich sage dir, Sidonius, es wird kein gutes Ende nehmen, mit Valerius und seiner Frau. Schon jetzt schließt sie sich nachts in ihrem Zimmer ein, wenn ihr Gatte unruhig durch die Flure läuft.“

„Hat sie Angst, ihr Leben zu verlieren? Schließlich wurden drei Menschen ermordet.“

„Ja, das hat sie. Ich habe munkeln hören, dass der Hausherr für die Toten verantwortlich sein soll. Die gute Acca, Köchin auf dem Gut, erzählte mir, der Herr sei seit seiner Genesung ziemlich unberechenbar. Die Herrin ist die erste, die darunter leiden muss. Warum sie ihn nicht verlässt, ist mir schleierhaft. Jeden Tag sehe ich sie mit blauen Flecken. Ok, seine Frau zur Raison zu bringen, ist eine Sache, sie aber ständig zu verprügeln, eine andere.“

„Recht hast du. Meine Paulla tut auch so, was ich ihr sage, ganz ohne Schläge. Aber sie ist ja auch was ganz Besonderes“, lachte Sidonius und sprach weiter von den Vorzügen seiner Ehefrau.

Marcus fand endlich die Gelegenheit, das Gespann zu überholen und eilte sich, zum Gut zu kommen.

Heute erwartete ihn Sabina nicht an der Eingangstür und es war Pola, die ihm die Türe öffnete.

„Guten Morgen, Pola. Hat die Herrin etwas Zeit für mich?“

„Ich sagte ihr, dass sie da sind, werter Marcus Lucrezia. Kommen sie herein.“

Er folgte ihr ins Innere des Hauses, durch die bemalte Eingangshalle, in einen der hinteren Räume.

„Darf ich etwas zu trinken anbieten“, fragte Pola, bevor sie den Raum verließ.

„Nur Wasser, Pola. Danke. Ist der Hausherr auch zu sprechen?“

„Er überwacht die Ernte auf den Feldern“, antwortete Pola und Marcus störte der merkwürdige Ausdruck in ihren Augen. Was wusste sie, was sie ihm nicht sagen wollte?

„Wann wird er zurück sein?“

„Das kann ich nicht sagen. Herr, er ist nicht mehr der, der er vor der Krankheit war.“ Pola sagte nicht mehr und verschwand in dem Labyrinth des Hauses.

Kurz darauf trat Sabina freudestrahlend in den Raum.

„Marcus! Schön, dass du uns besuchst! Wie geht es dir? Ich hörte, du seist schwer krank gewesen!“

„Ja, aber nun geh es mir gut. Wie geht es dir? Ich hörte von den Todesfällen und dachte mir, ich sehe nach euch.“

Sie schwieg einen Augenblick und nickte dann. „Ja, es ist schlimm. Cesira, Lucina und einer der Maultiertreiber sind tot. Bisher wurde noch kein Schuldiger gefunden, was mir Angst macht. Wer kommt als nächster dran?“

„Ich hoffe, keiner mehr. Und? Wie geht es dir“, fragte Marcus und musterte Sabina forschend. Sie wirkte müde, mit dunklen Ringen unter den Augen und einigen rötlichen Flecken am Hals, wie Fingerspuren.

„Es geht. Wie du siehst, lebe ich noch. Ich weiß, du hattest mich gewarnt, aber es ist viel schlimmer, wie gedacht. Valerius hat sich total verändert. Tagsüber geht er nur selten raus, so wie heute. Dafür streift er nachts durch die Gegend, ruhelos und wie getrieben. Ich mache mir Sorgen um ihn. Gibt es kein Mittel, Kräuter, die ihn beruhigen?“

Marcus schüttelte traurig den Kopf. Er hatte gehofft, dass seine Vermutung nicht wahr werden würde, aber er täuschte sich gründlich. Valerius war zu einem Getriebenen geworden, dem immer mehr Menschen zum Opfer fallen würden, wenn ihm nicht Einhalt geboten wurde.

„Nein, dagegen gibt es kein Mittel“, antwortete er nachdenklich.

„Du weißt, was mit ihm ist“, erkundigte sich Sabina, Marcus forschend ansehend.

„Ja, er sprach im Fieber. Worte nur, auf die ich mir einen Reim machen konnte. Sei vorsichtig mit ihm, er ist gefährlich.“

„Was soll ich tun?“

„Am besten, du gehst zu deiner Familie zurück, Sabina. Verlass ihn, wenn du leben willst.“

„Das geht nicht“, meinte Sabina und schüttelte energisch den Kopf.

Bevor Marcus antworten konnte, klopfte es sachte an die Tür und Pola brachte eine Karaffe und zwei Becher, die sie auf einem Tischchen abstellte.

„Darf es noch etwas sein“, fragte sie, aber Marcus und Sabina schüttelten nur den Kopf. Pola verneigte sich und verließ daraufhin leise den Raum, so wie sie gekommen war.

„Denk darüber nach“, sagte Marcus und goss sich einen Becher Wasser ein.

„Wer soll das Gut leiten, wenn ich gehe? Nein, die Leute hier brauchen mich. Valerius ist nicht fähig, es zu führen. Das war er nie.“ Nachdenklich starrte sie aus dem Fenster, das zum Garten ging und in dem die schönsten Blumen blühten.

„Es ist deine Entscheidung, Sabina. – Gibt es schon einen Schuldigen, in den Mordfällen?“

„Nein. Die Umstände werden noch untersucht. War es Streit, Eifersucht? Ich weiß es nicht, Marcus. Ich hoffe, sie klären die Morde schnell auf.“ Müde schloss sie einen Augenblick die Augen und Marcus erinnerte sie an eine alte Frau, die am Ende ihres Lebens zurück blickte. Doch Sabina war noch nicht alt, kaum jünger als er. Was hatte dieser Valerius bloß aus ihr gemacht?

Marcus erinnerte sich an die lebensfrohe Frau, die ihm sein Freund vor Jahren als Braut vorgestellt hatte. Stolz erzählte Valerius damals, endlich die richtige Herrin für das Gut gefunden zu haben. Und die große Liebe. - Doch seitdem war viel Zeit vergangen und aus Sabina war eine reife Frau geworden, die viel mitgemacht hatte. Die Leichtigkeit, die ihr damals anhaftete, war verschwunden, stattdessen saß vor ihm eine Frau, die älter wirkte, als sie war.

Valerius weiß sie nicht zu schätzen, befand Marcus.

„Danke für deine Gastfreundschaft, Sabina“, meinte Marcus und erhob sich aus dem Sessel. „Da Valerius nicht zu sprechen ist, gehe ich besser.“

„Ich könnte ihn rufen lassen, wenn es wichtig ist?“

„ Nein, es ist nicht wichtig. Ich wollte nur nach euch sehen. - Einen friedlichen Tag noch, Sabina.“

„Dir auch. Danke für deinen Besuch. Komm, ich bringe dich zur Türe.“ Sie folgte ihm in den Flur und bis zum Eingang.

„Du weißt, mein Haus steht dir offen, Sabina“, sagte Marcus draußen. 

„Ich danke dir dafür. Aber mein Platz ist hier“, antwortete Sabina leise. „Geh in Frieden, mein Freund und grüß die Familie.“

„Du passt auf dich auf, Sabina.“

Sie nickte. „Das tue ich, seit ich hier lebe, Marcus.“

Ein Sklave brachte sein Pferd und Marcus schwang sich in den Sattel. Aber bevor er das Gut verlassen konnte, weckte eine Szene auf den Feldern seine Aufmerksamkeit.

In der Ferne konnte er einen Mann sehen, der sich mit einem der Arbeiter stritt. Immer heftiger wurde der Streit, bis der Mann, es war Valerius, wie ein Berserker über den Sklaven herfiel und ihn zu Boden rang. Der Unterlegene wehrte sich heftig, doch sein Herr war so in Rage, dass er ihn fast zu Tode würgte.

Marcus sah zuckende Arme und Beine, und trieb daher sein Pferd zum Galopp an.

„Valerius, lass den Mann in Frieden“, brüllte er ihn an. „Egal, was er getan hat, ein Mord ist es nicht wert.“

„Es ist mein Land. Ich kann machen, was ich will. – Der hier ist ein Dieb und Betrüger“, zischte Valerius zurück, ließ aber von dem Mann ab. Keuchend hielt der sich die Kehle und versuchte, aufzustehen.

„Was du erst beweisen musst, Valerius! Wenn er tot ist, verlierst du einen guten Arbeiter.“

„Was geht dich das an, Marcus? Hier bin ich der Herr. Und ich sage, er ist schuldig.“ Valerius hatte sich nun ganz aufgerichtet und Marcus sah ein einen ungepflegten, bleichen und hohlwangigen Mann, der seinem Freund nur im Weitesten ähnelte.

„Das mag sein, mein Freund. Trotzdem ist es falsch, ihn zu töten.“

„Wenn du es sagst, Marcus? Da, nimm ihn. Verbrecher kann ich hier nicht gebrauchen“, fauchte Valerius und versetzte dem Sklaven einen festen Schubs, so dass er vor die Beine des Pferdes flog. Dieses tänzelte nervös rückwärts und versuchte, dem Hindernis auszuweichen.

„Du bist doch verrückt, Valerius. Bestraf ihn, wenn er schuldig ist, aber bring ihn nicht um“, rief Marcus und beruhigte sein Pferd wieder.

„Verschwinde von meinem Land. Besserwisser und Querulanten kann ich hier nicht gebrauchen. Nie will ich dich hier mehr sehen. Geh, Marcus und komm nie wieder“, schrie Valerius und Marcus sah Wahnsinn in seinen Augen. Schaum trat ihm vor dem Mund und kurz darauf wälzte sich sein Freund krampfend auf dem Boden.

Marcus glitt aus dem Sattel, wollte Valerius helfen. Aber der Unglückliche schlug wild um sich, so dass sich der Arzt zurückziehen musste.

„Sklave, sorge dafür, dass Valerius sicher ins Haus getragen wird. Er ist schwer krank und nicht Herr seiner Sinne“, wandte er sich an den Sklaven, den Valerius zuvor gewürgt hatte.

Der Mann verneigte sich. „Danke, Herr. Für die Hilfe.- Ich sorge dafür.“ Er wandte sich um und trommelte zwei weitere Sklaven zusammen, die Valerius unter den Achseln packten und ihn ins Haus schleifen.

Marcus, der ihnen folgte, sah Sabina wartend am Eingang stehen. Offenbar hatte sie alles mitbekommen, denn sie befahl, ihren Gatten sofort in sein Gemach zu bringen und durch drei starke Männer bewachen zu lassen.

„So ist er, seit seiner Genesung, Marcus“, meinte sie zu dem Arzt. „Ich frage mich, ob der Tod nicht besser gewesen wäre. Gibt es nicht doch ein Mittel, das ihn ruhig stellt?“

„Ich schaue in meine Bücher, Sabina. Mein Bote sendet dir dann das Gewünschte.“

„Danke.“ Das Lächeln, das sie ihm schenkte, war nur flüchtig, aber aufrichtig.

Marcus verließ nachdenklich das Gut. In Gedanken ging er seine eigene Krankheit durch und verglich sie mit der von Valerius. Dabei kam er zu dem Schluss, dass es besser wäre, sein Haus sofort zu verlassen. Denn auch er hegte Gewaltphantasien, dachte an Blut und Mord. Bisher konnte er diese dunklen Triebe zügeln. Doch, was wäre, wenn er nicht mehr dagegen kämpfen konnte? Wen würde er verletzten? Euricke, die Frau, die er liebte? Seine Mutter? Sklaven? Nein, das durfte nie geschehen!

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