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Drachengeflügelt

Drachengeflügelt · Sci-fi und Fantasy

Ein Drachengeflügelter und ein entkommenes Menschenopfer kämpfen um den Frieden, indem sie ein Drachenei zum Drachenvolk zurückbringen.

Was möchtest du mit dem Buch bewirken?

Die Fantasie der Lesenden anregen und Geschichten wie Träume zum Leben zu erwecken ist mein Ziel. Ich möchte spannende, abenteuerliche und zugleich romantische Geschichten präsentieren, die zeigen, dass auch Erzählungen mit queeren Charakteren und Diversität im Plot diese Kriterien erfüllen, ohne großartig politisch zu werden. In "Drachengeflügelt" möchte ich präsentieren, dass es in anderen Welten durchaus möglich ist, dass diese Themen in der Gesellschaft vorkommen, ohne dass diese Dinge der Grund für die Probleme der Charaktere sind. Mein Wunsch ist es, dass die Lesenden in eine Welt entführt werden, die sich in gesellschaftlichen Vorstellungen unterscheidet und dennoch mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat. Man kennt Drachenreiter zur genüge, aber meine Drachengeflügelten sind noch einmal etwas anderes und ich bemühe mich meist bekannte Themen mit etwas ganz Neuem zu verknüpfen.

Über den/die Autor:in

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Aufgewachsen im Bergischen Land hat Anna Kleve schon früh ihre Liebe zu Büchern entdeckt. Kein Wunder, da eine Wand ihres Kinderzimmers mit einem großen Bücherregal vollgestellt war, in dem alle Büche...

Die Chronik von Dagarth:

Das Jahr 25 nach Ankunft der Menschen in Dagarth.

Zehntes Jahr der Herrschaft von Königin Elaya von Loyan.

Es begab sich zu jener Zeit, dass große Not und Pein das Land plagten. Das einst so fruchtbare und blühende Land dorrte. Die Quellen versiegten. Das Vieh verdurstete. Die Pflanzen welkten dahin. Das Volk litt.

Elaya liebte ihr Volk und fühlte mit ihnen. Sich ihrer Verantwortung überaus bewusst, gewehrte sie den Menschen Zugang zu den königlichen Vorräten und schickte ihre Magier ans Meer um mit deren Kräften das Wasser für das Volk trinkbar zu machen.

Bald blieb nur noch die Hoffnung auf eine Besserung der Situation, aber der Winter ging vorbei und auch im Frühjahr besserte sich die Lage nicht. Der Regen kam nicht. Die verschiedenen Stämme gerieten in Streit um das Wenige, was noch geblieben war.

Ströme von hungernden Menschen zogen durchs Land und nahmen, was sie kriegen konnten. Nichts außer Verwüstung blieb nach diesen Raubzügen noch übrig.

Königin Elaya berief die Weisesten der Weisen zu sich, aber weder Magier, noch Seher konnten einen Rat nennen, der dem Volk geholfen hätte.

Es erschien den Menschen, als hätten sich alle Gottheiten von ihnen abgewandt. Die Opfergaben in den Tempeln verdorrten wie das übrige Land. Die Winde verstreuten den Rauch, der zu den Gottheiten aufsteigen sollte.

Das Flehen der Leidenden verklang ungehört.

In dieser Zeit wandten sich viele Menschen von den alten Gottheiten ab und einer dunkleren Gottheit zu, der sie blutige und grausame Opfer brachten.

Und dieser Gott erhörte jene Menschen, die ihm ihre blutigen Dienste erwiesen. Für sie regnete es. Sie hatten wieder Tiere und ihre Pflanzen wuchsen.

Jedoch nur für sie und zu einem üblen Preis, denn bald war unschuldiges Blut zum Erhalt dieser Gaben von Nöten.

Das immer blutigere Treiben stieß Königin Elaya sehr ab und sie setzte alles daran ihm ein Ende zu setzen, doch immer weniger Menschen wollten ihr die Treue halten.

Da erschien eines Nachts ein kleines Echsenwesen mit brennender Haut in ihren Gemächern und überbrachte eine Nachricht von einem geheimnisvollen Volk in den Bergen von Zugerak, die niemand je betreten hatte und zurückgekehrt war, um davon zu berichten.

Trotz aller Gefahren und Warnungen folgte Elaya den Echsenwesen in diese Berge und traf auf ein Volk, das schon lange vor den Menschen in Dagarth lebte: Die Drachen!

Sie lebten in den Bergen und den Landen jenseits davon, die nie ein Mensch betreten hatte.

Ihre Macht überstieg alles Dagewesene und sie boten der Königin einen besonderen Ausweg, denn auch sie hatten das Leid und die blutigen Pfade so vieler Menschen gesehen.

Und so wurde ein mächtiges Bündnis geschmiedet. Die Drachen riefen ihre uraltesten Kräfte wach, um Einfluss auf das Wetter zu nehmen und erhoben sich über dem Land der Menschen.

Dafür gab Königin Elaya das ewig währende Versprechen, dass niemals jemand das Land der Drachen einzunehmen versuchen würde.

Menschen und Drachen kämpften Seite an Seite gegen die Menschen, die der dunklen Gottheit ihre blutigen Opfer brachten, bis sie die letzten von ihnen in die Wüste von Daria trieben und von ihnen nichts mehr gehört wurde.

Um auf ewig an den Pakt zu erinnern und die Erfüllung des Versprechens aufrecht zu erhalten, überließ eines der Drachenvölker eine Anzahl an Eiern dem kleinsten der menschlichen Stämme, den Siath. Sie gingen mit den schlüpfenden Drachen einen magischen Bund ein.

Von diesem Tage an wurden die Siath auch als die Flügelmenschen bezeichnet.

Die anderen Stämme kamen in dem neu erblühten Land wieder ihren angestammten Pflichten nach.

Von da an wurde dem Pakt, dem Frieden und der Güte ihrer Königin zu Ehren der Name der Hauptstadt des Reiches geändert und von da an nach ihr benannt – Elaya.

Clay – Unerwartet geflügelt

Die Aufregung war regelrecht greifbar, als ich an diesem Morgen mein Lager verließ. Dafür konnte es nur einen Grund geben. Das Schlüpfen stand kurz bevor.

Lächelnd trat ich durch das Tor und blickte zum strahlenden Himmel empor, an dem die Frühjahrssonne gerade über den Horizont gestiegen war. Gerade hatte ich echt Glück, denn ich war für diesen Tag zum Dienst an den Schlüpfhäusern eingeteilt.

Vielleicht würde ich sogar einen Blick auf den frischen Schlüpfling werfen können. Das wäre das Beste von allem gewesen.

Mein Herz pochte vorfreudig. Hoffentlich bekam ich es wirklich zu sehen.

Eilig zog ich noch einmal meine Kleidung zurecht und machte mich auf den Weg. Meine Gedanken wanderten zum letzten Monat zurück. In diesen 30 Tagen lagen die Eier nun schon in der Glut.

Mit jedem Tag hatten die jungen Siath sich unruhiger verhalten. Immerhin war ihre Ausbildung fast abgeschlossen. Um in den erlesenen Kreis der Geflügelten aufgenommen zu werden, fehlte ihnen oft nur noch eines: Ein eigener Drache.

Im Grunde hätte sich fast jedes Kind in Elaya gewünscht einen eigenen Drachen zu haben und zu fliegen, aber nur die Siath hatten die magische Veranlagung dazu.

„Aus dem Weg, Dienstbote", wurde ich angeschrien und auch schon beiseite gestoßen.

„Eilige Sache", ertönte eine andere Stimme.

Ich rieb mir die pochende Seite, in die ich gestoßen worden war. Auf einen Bastard wie mich nahm definitiv keiner Rücksicht. Nicht auf das Kind der Hure aus dem Stamm der Geis, bei dem nicht einmal klar war, aus welchem Stamm der Vater stammte.

Überhaupt zu Überleben war mit meiner Herkunft schon unfassbar gewesen. Ein Krieger, wie beim Stamm meiner Mutter oft üblich, konnte ich als Mischling auch nicht werden.

Und so hatte ich zumindest Glück eine Anstellung in der Drachnerei gefunden zu haben, auch wenn es nur als Laufbursche war, der jeden Tag woanders eingesetzt werden konnte.

Ich ignorierte die Rekruten, die mich ohnehin nie für voll nehmen würden und setzte meinen Weg fort.

„Mach das Fleisch fertig, Clay. Eines der Eier ist komplett ausgehärtet", wies mich Tobin der Drachenwirtschafter an, sobald ich den Versorgungsraum betrat.

Das hatte ich schon mal gemacht und so musste er sich um mich nicht weiter kümmern. Wahrscheinlich hatte ich die Aufgabe deshalb erhalten.

Eilig machte ich mich an die Arbeit. Das Fleisch möglichst klein schneiden, ein paar Kräuter dazu und erwärmen, aber so dass es weder kochte noch anbriet.

„Du, Tolpatsch", schrie Tobin aufgebracht, kaum war das Scheppern und Klirren verklungen.

Ein klatschendes Geräusch folgte.

Ich zuckte zusammen und drehte mich langsam herum. Einer der Neuen – der Name wollte mir einfach nicht einfallen – hatte offenbar einige Schalen fallen gelassen, die am Boden zerbrochen waren. Fleischreste lagen dazwischen.

Er hielt sich die Wange und ich war ziemlich sicher, dass der Drachenwirtschafter ihm eine Ohrfeige verpasst hatte.

Das erinnerte mich unsanft an die erste Regel, als Dienstbote in der Drachnerei: Lerne schnell, sonst wird es schmerzhaft.

„Zu nichts zu gebrauchen", schimpfte Tobin und drehte sich finster in meine Richtung. „Mit dem Jungen ist nichts anzufangen, Clay. Du musst die Schale zu Schlüpfhaus 7 bringen.“

„Mache ich.“

Innerlich jubilierte ich richtig. Das war genau die Chance, auf die ich gewartet hätte. Zwar hatte ich gehofft, aber nicht gedacht, dass ich wirklich so nah an ein Ei oder sogar an einen Schlüpfling herankommen würde.

Äußerlich zeigte ich von meiner Aufregung jedoch nichts, denn das hätte mir die Möglichkeit vielleicht sofort wieder genommen.

Noch einmal prüfte ich, dass das Fleisch nicht zu kalt war, bevor ich die Schale aufhob. Es sollte schon Schlüpflinge gegeben haben, die sich die Feuerdrüsen verkühlt hatten und später Schwierigkeiten hatten Feuer zu speien. Das wollte definitiv keiner.

Außerdem konnte so etwas für mich sogar schwerwiegende Konsequenzen haben.

Das Schlüpfhaus 7 lag ganz hinten und wies ein grünes Dach auf. Jedes der Schlüpfhäuser hatte eine andere Farbe als Dach. Früher hatten darin sogar die Dracheneier die dazu passende Farbe gehabt, aber das war längst nicht mehr so. Die Schuppen der Drachen hatten mittlerweile viel mehr Farben, als in den früheren Zeiten.

Vor der Tür blieb ich einen Moment stehen und holte tief Luft. Vorsichtig klopfte ich an.

Nach einem Augenblick öffnete sich die Tür und eine Welle drückender Hitze schlug mir entgegen.

Zur selben Zeit, wie ein bärtiges Gesicht in der Tür erschien, erklang ein knackendes Geräusch.

„Es schlüpft", rief eine Jungenstimme aufgeregt.

Der Bärtige schien mich vollkommen vergessen zu haben und drehte sich schnell herum, trat auf den großen, runden Tisch zu.

Da niemand auf mich achtete, bewegte ich mich selbst hinein, auch wenn es im Inneren des Bruthauses stickig war und der beißende Gestank von Schweiß in der Luft hing.

Leise bewegte ich mich hinein und blickte auf das Schauspiel, das am Tisch zu sehen war. Es hatte etwas leicht amüsante. Etwa ein halbes Dutzend junger Leute hatte sich um den Tisch versammelt und sie starrten darauf. Dabei bewegten sie sich unruhig und flüsterten aufgeregt miteinander.

Als ich näher hinsah, erkannte ich lauter Eierschalen, die über den Tisch verstreut waren.

Und dazwischen hockte ein kleines, geschupptes Wesen mit recht labberig wirkenden Flügeln, die an den Seiten herunterhingen. Erst im Laufe der Zeit würden sie größer, fester und kräftiger werden. Stark genug, um sogar einen Menschen in die Luft zu heben.

Der kleine Drache kam mir gerade überaus unschlüssig vor, welchen der Rekruten er wählen sollte.

Als diese anfingen nach ihm zu rufen, schaltete sich der Bärtige mit scharfer Stimme ein: „Ruhe. Er muss die Entscheidung selbst treffen.“

„Jetzt", rief einer der Anwärter und lehnte sich vorwärts. „Au. Verflucht.“

Da hatte ihm der Schlüpfling doch glatt mit dem Schweif auf die Nase gehauen. Ich musste mir tatsächlich das Lachen verkneifen.

Noch immer fluchend wich der Rekrut zurück und rieb sich die Nase, während die anderen darüber lachten.

Trotz allem bewegte ich mich vorsichtig näher, um es genauer zu sehen. Es sollte mich nur keiner bemerken. Zum Glück waren die anderen viel zu sehr auf den Jungdrachen konzentriert, um auf etwas anderes zu achten.

Derweil wagte ich es kaum zu atmen, um nicht doch noch die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

„Er kommt zu mir.“

„Nein, zu mir.“

Kurz hintereinander folgte zwei Schmerzensschrei. Der Schlüpfling hatte einfach zugebissen, als sich ihm so plötzlich Hände entgegen gestreckt hatten.

Verstehen konnte ich das nur zu gut. Er musste ja schon völlig durcheinander sein bei allem was gerade los war.

Warum fiel das den Rekruten nicht auf? Sie waren doch genau wie ich etwa 13 Sommer alt.

Statt darüber nachzudenken drängelten sie und beugten sich wieder über den Tisch.

„Nicht anfassen", ermahnte der Bärtige die jungen Leute scharf.

Schade, denn ich hätte zu gerne gewusst, wie sich die Schuppen eines Drachen anfühlten, aber das war ohnehin ein unerfüllbarer Wunsch.

Da krächzte das kleine Wesen auf, was merkwürdig kläglich klang.

Ein Mädchen gab ebenfalls einen Schmerzenslaut von sich und fluchte dann. Auf der anderen Seite ging es einem Jungen ganz ähnlich.

Der Schlüpfling biss zu oder schlug mit dem Schweif nach ihnen.

„Merkwürdig", sagte der Bärtige und rieb sich dabei über den ausgeprägten, dunklen Bart.

Er wirkte unerwartet nachdenklich. Vielleicht dauerte das alles sonst wesentlich weniger lang.

„Will er zwischen euch durch?“, fragte der Mann dann.

Er fuhr genau wie die anderen herum und alle starrten mich sprachlos und feindselig an.

Meine Wangen brannten vor Scham und wünschte mich einfach nur noch weg von diesem Ort. Das würde bestimmt Ärger geben. Verbannung? Kerker? Welche Strafe stand darauf die Zeremonie zu stören?

Ich konnte mich kein bisschen rühren, bis ich sah, dass der Schlüpfling an der Kante des Tisches schwankte.

Die Schale glitt aus meinen Händen und schlug scheppernd auf dem Boden auf, als ich bereits vorwärts sprang.

Hastig streckte ich die Hände an der Tischkante aus und fing den kleinen Drachen auf, der genau in dem Augenblick hinunterstürzte.

Mir war, als würden alle im Schlüpfhaus die Luft anhalten, während ich für kurz Zeit nur eines wahrnahm: Frayra.

Der Schlüpfling kuschelte sich derweil in meine Hände. Sein, nein, ihr Körper fühlte sich erstaunlich warm an. Mehr als ich erwartet hatte. Sie blinzelte angestrengt und gähnte dann.

„Was… mache ich jetzt mit Frayra?“, fragte ich mit nervös pochendem Herzen und wagte es kaum irgendjemanden anzusehen.

Mein Verstand wollte noch nicht wirklich begreifen, was mein Gefühl und der Name in meinem Kopf mir bereits mitgeteilt hatten.

Der Blick des Bärtige war voller Staunen. Seine Brauen zogen sich zusammen. Überrascht? Oder doch zornig?

Darunter fühlte ich mich klein und unzulänglich, als hätte ich den größten Fehler meines Lebens gemacht.

Um mich begann es sich zu drehen und meine Beine drohten nachzugeben. Die Blicke der Rekruten waren absolut feindselig und ich hätte nach etwas gegriffen, wenn der Schlüpfling nicht gewesen wäre.

Dann wurde mir auch schon schwarz vor Augen.

„Er kommt wieder zu sich", war das Erste, was ich wahrnahm.

Langsam schlug ich die Augen auf und blickte in das bärtige Gesicht des Mannes, der mir vorher die Tür geöffnet hatte und dann doch komplett abgelenkt gewesen war.

„Was ist mit Frayra?“, fragte ich mit krächziger Stimme.

Aufgewühlt blickte ich mich um.

Der Bärtige lachte fröhlich auf.

„Immer zuerst an den Drachen denken. Das müssen wir dir als angehender Flieger nicht beibringen", stellte er sichtlich zufrieden fest.

Erstaunt blickte ich ihn an, erkannte dabei jedoch auch die fassungslosen Blicke der Rekruten im Hintergrund.

„Niemand stellt die Entscheidung eines Drachen in Frage", verkündete der Bärtige. „Willkommen bei den Geflügelten.“

Dane – Blutiges Ritual

Ich wagte es nicht den Blick zu heben. So sah ich nur die weißen Stiefel, mit den roten Schnallen, die alle Priester trugen.

Angestrengt blinzelte ich, denn die Schritte des Hohepriesters wirbelten etwas Sand auf, der meine Beine umwehte und teilweise bis an die Augen herankam.

Die brennende Sonne erhob sich nur langsam, zögerte unser Schicksal hinaus und doch würden ihre Strahlen es besiegeln, wie die Schreie der Geier das Ende.

Leicht scharrenden Hufe von Dromedaren zeigten, dass sie unsere Unruhe deutlich spüren konnten. Sie schnaubten auch leise und ich schluckte.

Langsam wurde es heller und heißer. Es würde bald soweit sein.

Die Strahlen der Sonne würden es zeigen. Die alten Narben auf unseren Armen. Die Brandzeichen einer besonderen Bestimmung. Die hellen Strähnen im Haar, die sich Jahr um Jahr verstärkten, zeigten wer wahrhaft auserwählt war.

Freude und Furcht zugleich konnte ich um mich herum spüren. Gefühle, die in mir einen Wirrwarr an eigenen Empfindungen auslösten, der mich schwindelig machte.

Ohne aufzublicken wusste ich, dass der Hohepriester uns der Reihe nach musterte. Er würde die alten Zeichen betrachten, aber noch viel mehr würden ihn die magischen in unserem Haar interessieren.

Ich spannte die Muskeln an und kämpfte gegen das Zittern an, das mich zu durchlaufen drohte. Dabei war es die höchste Ehre und gleichzeitig das endgültige Ende.

Schon immer hatte ich es gewusst. Dieser Tag war immer in Reichweite gewesen.

Die Ehre löste Freude und Melancholie in der Familie aus. In allen Familien. Glück und Trauer.

„Der", verkündete der Hohepriester und ich sah jemanden ein paar Schritte rechts von mir zusammenzucken.

Na ja, nur die ruckenden Beine, musste ich zugeben.

Nicht einmal ansprechen taten sie uns. Wozu auch? Wir waren nur die ehrenvollen Opfer.

Alle, die gewählt wurden, würden bald sterben, wie es das Schicksal von uns allen war, die als Kinder gezeichnet worden waren.

Trotz aller Freude konnte ich ein leises Schluchzen vernehmen. Wie immer. Die letzten beiden Zeremonien bereits, an denen ich auf diesem Platz gestanden hatte.

Es war wie ein Todeslied. Sensenklang. Blutgesang.

Der Hohepriester schritt weiter an der Reihe entlang. Langsam, uns musternd, die Zeichen prüfend.

„Die", entschied er wieder und setzte die Auswahlzeremonie fort.

Noch drei Kinder wurden gewählt, bevor eine glühende Hand mein Kinn packte und meinen Kopf anhob.

Sein Blick war so eiskalt, dass mir ein Schauer über den Rücken lief und plötzlich hatte ich einen verrückten Gedanken im Kopf: Ich will das nicht.

Eine Hand griff in mein Haar, packte eine der hellen Strähnen und ließ mich schlucken.

„Der", verkündete er nun auch und ich schloss resignierend die Augen, sobald er mich los ließ.

Dabei hatte ich immer gewusst, dass es so kommen würde.

Er ging weiter die Reihen ab, wählte sorgsam aus, während ich irgendwie versuchte nicht in Hoffnungslosigkeit zu versinken und die Tränen nicht fließen zu lassen.

Mein Schicksal war schon immer besiegelt gewesen, doch erst in diesem Moment spürte ich es wirklich. Mein Glieder fühlten sich unheimlich schwer an.

Das Rasseln von Ketten war zu hören. Das Klirren von Metall ebenfalls.

Dann spürte auch ich es, wie es sich schon aufgeheizt um meine Handgelenke schloss. Mit einer Kette wurde ich wie alle Auserwählten zu den Dromedaren gezerrt und hinter ihnen festgemacht.

Niemand würde sich darum kümmern, um das Waisenkind, das nur überlebt hatte, weil es als Opfer auserwählt worden war, als es noch ein Baby gewesen war. Um mich.

Der Hohepriester stieg auf sein Dromedar und trieb es an. Auch die anderen Tiere setzten sich in Bewegung.

Der Sand stob heftig unter den Hufen auf und ich war nicht der Einzige, der Husten musste, während wir rücksichtslos hinterher gezogen wurden.

„Der große, erhabene Calador gewährt diesen Kindern die heilige Ehre ihn mit ihrem Blut und ihrer Seele zu stärken und uns damit die Kraft des Lebens schenken", rief der Hohepriester noch, bevor die Dromedare beschleunigten.

Trommeln und Gesang erfüllten das gewaltige Tempelgelände, auf dem wir uns zwei Tage nach der Auswahlzeremonie befanden. Aufgereiht auf dem Platz, der vom Himmel brennenden Sonne ausgesetzt.

Die Stimmen der Priesterschaft bildeten einen Choral des Todes. Ihre Trommelschläge schienen wie die Boten des dunklen Schicksals in mir nachzuhallen.

Die anderen Kinder bebten ebenfalls.

Nervös sah ich zu ihnen hinüber. Mein Herz raste.

Fast wünschte ich mir, dass ich mit dem Mädchen an der ersten Position hätte tauschen können. Dann wäre mein Schicksal als erstes besiegelt gewesen und ich hätte anderen nicht dabei zusehen müssen.

Oft hatte ich davon gehört. Was für eine Freude und Ehre es war. Dass wir es waren, die dem Land und den Menschen mit der Besiegelung unseres Schicksals Leben und Kraft schenkten.

Angst hatte ich dennoch. Große sogar.

Doch ich war erst ziemlich weit hinten in der Reihe dran. Das Zeichen, die Macht, die unsere Haare in unterschiedlicher Intensität verfärbte, signalisierte auch die Reihenfolge, auch wenn kein Gezeichneter jemals erwachsen werden würde. So hatte es der große Gott Calador vorgesehen.

Zischend entflammten Fackeln um uns auf, erhöhten die Hitze noch weiter und Schweiß strömte schnell über meinen Körper. Alles, was uns in irgendeiner Form unrein machen konnte, sollte durch den Schweiß ausgetrieben und davongespült werden.

Und immer lauter klangen die Trommeln und der Gesang, dröhnten bald in meinen Ohren.

Es verstummte erst, als der Hohepriester nur in Lendenschurz bekleidet an den großen, steinernen Altar herantrat. Ein Dolch blitzte beängstigend in seiner linken Hand auf.

Zwei weitere Priester traten vor und packten das Mädchen. Die erste in der Reihe.

Sie wurde hinaufgeführt und schließlich mit Gurten auf dem Altar festgeschnallt.

Ich schluckte. Mein Herz überschlug sich vor Hektik geradezu. Glühend wie die Klaue eines Ungeheuers packte mich die Angst im Nacken und rieselte durch meine Adern.

Was geschehen war. Was ich gelernt hatte. Was mir von klein auf gezeigt worden war. Das alles, war wie ausgelöscht und wieder war da dieser Gedanke: Ich will das nicht.

Der Dolch blitzte über dem Altar auf. Unheimlich und glänzend. Vorbote des Todes.

Übelkeit verkrampfte meinen Magen.

Warum nur konnte ich die Ehre nicht mit Freude im Herzen annehmen? Ich würde doch Teil der mächtigen Gottheit werden.

Du bist mehr wert als das., vernahm ich eine fremde Stimme, wie ein Echo in meinem Kopf.

Ein Schrei lenkte mich an. Mein Herzschlag setzte schlagartig aus.

Ruckartig blickte ich zum Altar. An der Seite floss Blut hinab. Nur ein wenig. Es musste vom rechten Bein stammen.

Die Trommeln schlugen wieder, aber langsamer, ruhiger als zuvor.

Der Dolch fuhr herab. Einmal, zweimal, immer wieder.

Schreie zerschnitten die Luft.

Jubel war ebenfalls zu hören.

Das Opfergeschrei zu Ehren Caladors. Verbunden mit dem immer stärker fließenden Blut auf dem Altar. Der zuckende Körper eines Kindes. Nicht älter als ich.

Alles in mir rebellierte dagegen. Doch außer mir schien es niemandem so zu gehen. Selbst die anderen Gezeichneten wiegten sich hin und her, huldigten auf diese Weise der mächtigen Gottheit, die auf uns wartete.

Höher als zuvor wurde der Dolch erhoben. Mit beiden Händen des Hohepriesters gehalten. Es fuhr herab. Das Blut spritzte auch auf ihn. Der Körper des Mädchens zuckte nur noch einmal und regte sich nicht weiter.

Die Gurte wurden gelöst.

Der leblose Körper erhob sich im strahlenden Sonnenschein in die Luft immer höher und dann fort. Auf ein Plateau in der Nähe.

Die Geier würden die Teile des Körpers zur großen Gottheit Calador empor tragen.

In mir brannte es. Mein Atem ging unglaublich schwer.

Eine heilige Ehre, die mir die Luft abschnürte.

Ich will das nicht.

Ein Junge wurde zum Altar geführt. Ich konnte nicht anders als hinzusehen. Das Blut hatte etwas faszinierendes und gleichzeitig abstoßendes an sich.

Und im nächsten Moment explodierte ein Teil des Tempels. Grelle Flammen schlugen empor.

Erschrocken zuckte ich zusammen.

Panische Schreie waren zu hören. Das gehörte definitiv nicht dazu.

Unwillkürlich überkam mich eine ungewöhnliche Ruhe. Für kurz Zeit.

Doch hart grub sich etwas schmerzhaft in meine Schultern. Hart legte sich etwas wie ein festes Band um meine Hüfte. Etwas drückte sich gegen meinen Rücken.

Ich schrie teils vor Schmerz, teils vor Überraschung auf.

Ein heftiger Ruck riss mich empor und ich hatte mit einem Mal so gut wie keinen Halt mehr. Meine Beine baumelten frei in der Luft.

Ängstlich fing ich an zu zappeln und geriet heftig ins Trudeln.

Beruhige dich. Ich bin Yakan und ich bin hier um dir zu helfen. Lass dich treiben und von mir führen., vernahm ich die Stimme in meinem Kopf wieder, nur klarer als zuvor. Du wirst heute nicht sterben.

Ich hätte im Nachhinein nicht sagen können, was mich dazu brachte ihm zu vertrauen ohne ihn zu kennen. Aus irgendeinem Grund hielt ich still, ließ mich tragen und treiben. Fort vom Tempel und einem dunklen Schicksal, dem Pfad des Todes.

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