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Feilkode 418

Royal Darkness: Die Hexe von Kyr

Royal Darkness: Die Hexe von Kyr · Romane

Eine Frau will eine Regentin und Freundin aus Kindertagen schützen, deren Gesetze ihren Tod fordern, weil sie eine Hexe ist.

Hva vil du med boka?

Wir leben in einer Welt voller Ausgrenzung, Vorurteilen und daraus resultierenden Straftaten. Armut und Hunger sind in vielen Ländern an der Tagesordnung. Menschen gehen auf die Straße, rebellieren. Ich möchte in dieser Geschichte all die Themen aufgreifen. Meine Protagonistin ist eine starke Frau, die aufgrund ihrer versteckten magischen Begabung nicht nur zum Außenseiter werden sondern ihr Leben verlieren würde. Nur männliche Magier werden anerkannt. Die Gesetze wurden von einer Königsfamilie ins Leben gerufen, deren aktuelle Königin mit Boshaftigkeit regiert und das Volk hungern lässt. Doch diese Königin war einst ein anderer Mensch, und die Freundschaft der beiden so unterschiedlichen Frauen bewegt die Protagonistin dazu, die Regentin und das Land retten zu wollen. Die Geschichte soll sich nicht mit dem Thema Emanzipation und der Gleichstellung der Frau befassen, sondern mit den Gründen, die eine Masse dazu bringt, sich mit der Ausgrenzung einzelner Individuen wohlzufühlen. Es geht um Loyalität, Mut und darum, dass jede Geschichte aus zwei Richtungen betrachtet werden kann. Gleichzeitig soll sie zeigen, dass Menschen - und wenn sie noch so unterschiedlich sind und mit völlig verschiedenen Werten großgezogen wurden - ihre Vorurteile niederlegen und einander schätzen und lieben lernen können. Manchmal lassen wir uns fehlleiten. Das ist in Ordnung. Wichtig ist nur, dass wir bereit sind, uns zu ändern und mit Mut für unsere Überzeugungen einzustehen.

Om forfatteren

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Seit April 2017 veröffentliche ich Romane in den Genres Romance & Fantasy. Seit 2020 unterstütze ich außerdem als Bloggerin andere Autoren. Neben dem Schreiben habe ich einen Vollzeitjob und zwei zuck...

Prolog

 

Sorgsam legte Rinee ihre Kleidungsstücke in die Truhe und sah im Augenwinkel, wie die Diener währenddessen weitere Gepäckstücke hinaustrugen. Durch das große Fenster gleich neben ihr beobachtete sie, wie sie all ihr Hab und Gut auf die Kutsche luden. Nach all der Zeit erschien es ihr wie ein Traum, aufzubrechen. Niemals hätte sie damit gerechnet, doch noch als Hofdame der Königin anerkannt zu werden. Nicht, nachdem man ihre ältere Schwester dazu auserkor und sie Jahre zuvor in eben diese Kutsche gestiegen war. Rinee hatte sie danach nie wieder gesehen. Die Briefe, die sie ihr beinahe jeden Tag seit ihrer Abreise geschrieben hatte, waren das einzige, das von ihrer Schwester geblieben war. Denn die Nachricht, dass man Rinees Ankunft am Hof erwartete, kam zeitgleich mit der, dass ihre Schwester bei einem Angriff auf das so sicher geglaubte Schloss der Königin ihr Leben verloren hatte. Rinees Herz war gebrochen, und das ihrer Eltern auch. Insbesondere, weil sie nun auch ihr letztes Kind in den Dienst der Königin stellten. Doch es war eine Ehre, an den Hof berufen zu werden, und deshalb widersprach keiner von ihnen. Denn Rinees Familie bestand aus einem der vier Adelsgeschlechtern, das vom Königshaus als achtbar genug angesehen wurde, mit ihm verbunden zu sein.  

Seufzend starrte Rinee auf die sattgrünen Wiesen neben der Kutsche hinunter. Es war neun Jahre her, dass sie die Königin zuletzt gesehen hatte. Damals waren sie noch elfjährige Kinder gewesen. Unschuldig, ohne Last auf ihren Schultern. Doch dann verübte jemand ein Attentat auf den gütigen König und seine wunderschöne Königin und raubte deren Leben. Zu ihrer eigenen Sicherheit schickte man das so junge Kind – gerade zur Königin gekrönt – in die Obhut eines anderen Landes und ließ an ihrer statt einen Onkel als Regent ihren Platz einnehmen – so lange, bis die Gefahr als gebannt galt. Einige Jahre später konnte der Attentäter enttarnt und hingerichtet werden, und als man Rinees Schwester an den Hof beorderte, kehrte auch die Königin dorthin zurück. Seither stand diese vor einer großen und scheinbar nicht zu bewältigenden Aufgabe, denn allerorts tuschelten die Stimmen, dass die Königin ihr Land zugrunde richte.

Nun war es an Rinee, die Regentin zu unterstützen und in die Fußstapfen ihrer älteren Schwester zu treten. Doch die beiden jungen Frauen – vermochten sie seit ihrer Geburt liebende Schwestern gewesen sein – waren von Grund auf verschieden. Kalinas schlichtes Wesen und durchschnittliches Äußeres hatten stets dazu beigetragen, dass sie sich nahezu unsichtbar am Hof bewegen konnte. Doch Rinee war die Schönheit ihrer Mutter in die Wiege gelegt worden – die Augen, die wie Bernstein funkelten, und das Haar in einem so dunklen Braun, dass es beinahe schwarz wirkte. Zudem hielt sie etwas in ihrem Inneren vor Fremden verborgen. Dieses Geheimnis wahrte sie schon seit ihrer Kindheit. Und der einzige Mensch, der sich dieser Tatsache außer ihr bewusst war, war ausgerechnet ein Freund ihrer Eltern und der Mann, den diese baten, ihre Tochter wohlbehalten an den Hof zu bringen.

»Bist du soweit?« Vitus betrat in eben dem Moment Rinees Gemach – eingehüllt in schwarze, stilvolle Gewänder. Sie kennzeichneten ihn als das, was er war: ein Magier.

»Bereit, meinen Kopf zu riskieren?«, erwiderte Rinee, schlug den Deckel der letzten Gepäcktruhe zu und hob daraufhin entschlossen den Kopf. »Für Penelope jederzeit.«

»Lang lebe die Königin.«

»Und lang möge sie regieren.«

 

Kapitel 1

Kutsche, Ulendra, auf der Landstraße in Richtung Myrgar, am Morgen des dritten Tages im Sommer

 

Das gleichmäßige Schuckeln der Kutsche hielt Rinee davon ab, in den Schlaf zu fallen. Immer, wenn sie den Kopf zur Seite lehnte, schlug dieser bei jeder Unebenheit des Bodens gegen das Holz. Sie hatte es einige Male versucht, es dann aber aufgegeben, da sie nicht mit Kopfschmerzen am Hof eintreffen wollte. Generell behagte es ihr nicht, auf ihrer Reise die Augen zu schließen. Obwohl sie und ihr Begleiter durchaus in der Lage waren, sich bei einem möglichen Überfall mit Leichtigkeit zur Wehr zu setzen, würde sie nicht die Ruhe finden, die sie sich wünschte. Und wenn Rinee tief in sich hineinhorchte, wollte sie von diesem großen Schritt in ihrem Leben auch keine Sekunde verpassen.

Der Abschied von ihren Eltern war herzlich ausgefallen. Rinee schmerzte er sehr, doch gleichzeitig fühlte sie sich mit jedem Meter Richtung Hof ihrer Schwester ein kleines bisschen näher und verbundener. Ein dummer Gedanke, das wusste sie. Ihre Schwester war tot, und sie würde sie nie wiedersehen. Aber ihren Platz am Hof einzunehmen, würde sie in gewisser Weise am Leben erhalten. Zumindest in Rinees Herz.

»Bist du aufgeregt?«, fragte Vitus, nachdem sie den kilometerlangen Wald hinter sich gebracht hatten und nun die scheinbar nie enden wollende Landstraße durch das Tal passierten.

»Eigentlich nicht«, antwortete Rinee knapp. Das war zwar keine Lüge, aber auch nicht ganz die Wahrheit. Dieses Gefühl in ihrem Inneren war keine Nervosität. Vielmehr war sie neugierig auf das, was sie erwartete. Auf das Leben am Hof und vor allem darauf, wie sich Penelope seit ihrer Kindheit entwickelt hatte. Wenn sie Worten, die hinter vorgehaltenen Händen geflüstert wurden, Glauben schenkte, war aus der jungen Prinzessin mit dem sonnigen Gemüt eine kaltherzige Frau geworden. »Und bist du gespannt darauf, die Magier der Gilde zu treffen?«, fragte sie im Gegenzug, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen.

»Nicht im Geringsten«, erwiderte Vitus. »Ich hatte noch nie viel Faszination für sie übrig.«

»Bist du deshalb nie ein Thane geworden? Weil du kein Teil der Gilde sein wolltest?«

»Dann wäre ich jetzt nicht besser dran als die meisten der Magier, die am Hof leben. Abgestellt zum Schutz einer Königin, für die ich mich nicht sonderlich interessiere.«

»Also nur weil du ein freier Magier sein wolltest, darfst du nicht so reden!«, ermahnte Rinee ihren Freund sofort. »Sie ist die Königin von Kyr, und wenn du hier lebst, solltest du sie anerkennen.«

»Weil sie zufällig aus dem richtigen Schoß gekommen ist?«, entgegnete er belustigt. »Ich werde wohl nie verstehen, wieso ausgerechnet du sie so sehr verehrst. Es sind die Gesetze dieses Landes, ihre Gesetze, die deinen Kopf verlangen, weil du Magie in dir trägst.«

»Aber niemand außer dir weiß, dass es so ist«, setzte sie hinzu. »Außerdem denke ich nicht, dass sie mich für etwas verurteilen würde, was ich nicht kontrollieren konnte.«

»Sehr optimistisch«, erwiderte Vitus abschätzig. »Selbst wenn die Königin es nicht als schlimm erachten würde, für die Welt bist du als Hexe ein Gendefekt und etwas Verabscheuenswürdiges.«

Da konnte Rinee ihm nicht widersprechen. Seit sie erkannt hatte, dass sie eine Hexe war, verstand sie nicht, wieso die Bewohner von Kyr magische Fähigkeiten bei einer Frau als etwas Schlechtes ansahen. Was unterschied sie denn von den Magiern der Gilde – außer ihrem Geschlecht? Sie war nicht das Verdorbene, das man in ihr vermuten würde. Sie war eine ganz normale Frau mit Gefühlen und Wünschen für ihr Leben.

»Ich kann doch nur das, was ein Thane auch kann. Was du kannst«, flüsterte sie.

»Und man würde dich dafür hassen und köpfen lassen, weil du eben kein Mann und kein Magier bist.« Wie immer gelang es Vitus, diesen Fakt schonungslos zu offenbaren.

Rinee nahm es ihm nicht übel. Als sie herausgefunden hatte, dass sie anders war – früh in ihrer Kindheit – versuchte sie, es zu verheimlichen. Doch es gelang ihr nicht gut, und Vitus hatte ihre geheime Begabung entdeckt. Anstatt sie zu verurteilen, sie auszuliefern, nahm er sich ihrer Fähigkeiten an und unterrichtete sie darin. Mit seiner Hilfe hatte sie schnell gelernt, die Magie zu kontrollieren und in ihrem Inneren zu verbergen, wenn es sein musste. So war es ihr schließlich gelungen, ihr Geheimnis vor der Außenwelt zu wahren – sogar vor ihrer eigenen Familie. Vitus war ihr Mentor geworden, ihr Lehrer, und eines Tages sogar mehr als ein bloßer Freund. Für Rinee war er ein Teil der Familie.

»Du siehst müde aus«, bemerkte Vitus nach einem Moment des Schweigens. »Willst du nicht doch versuchen, zu schlafen?«

»Nein, lieber nicht.«

Nicht nur, dass sie nichts von ihrer Reise verpassen wollte, sie schlief seit einigen Tagen schlecht. Die Träume, die sie heimsuchten, sobald sie die Augen schloss, verursachten ein ungutes Gefühl in ihrem Bauch. Obwohl sie sich nach dem Aufwachen an nichts aus ihren Träumen erinnerte, spürte sie jedes Mal Unheil herannahen. Auch davon hatte sie Vitus erzählt, doch der hatte eine plausible Erklärung dafür.

»Die Trauer wegen deines Verlustes wird mit der Zeit schwinden und dann werden auch deine Träume dich nicht mehr trüben.«

Wie sehr wünschte sie sich, dass er damit richtig lag. Doch eine Stimme in ihr schrie unaufhörlich, dass der Tod ihrer Schwester erst der Anfang war.

 

***

Dorf

Myrgar, am Mittag des dritten Tages im Sommer

 

Ein plätscherndes Geräusch drang Rinee in die Ohren. Neugierig steckte sie den Kopf aus dem Fenster der Kutsche, um einen Blick auf die Umgebung zu werfen. Soeben passierten sie einen niedrigen Bach, was das Geräusch erklärte. Unweit dahinter entdecke sie ein massives Holztor und einen hohen Zaun.

»Wir sind fast da«, bemerkte sie.

Es war nicht das erste Dorf, das sie durchquerten, doch dieses Mal sah sie weit hinter den unzähligen niedrigen Dächern den großen Palast emporstechen. Ein prachtvoller Anblick war das. Doch als sie mit der Kutsche in das Dorf fuhren, ließ Rinee sich gleich davon einnehmen. Reges Treiben herrschte auf den Wegen. Alle Menschen schienen schwer ihrer Arbeit nachzugehen und doch nahm sich nahezu jeder von ihnen kurz die Zeit, um aufzublicken und Rinee mit einem prüfenden Blick zu begegnen.

Unweit von ihnen entfernt lag der Hafen. Der Geruch von Fisch stieg Rinee in die Nase. Sofort verspürte sie Hunger. Seit ihrem Aufbruch am frühen Morgen hatte sie nichts mehr zu sich genommen. Dann sah sie den Markt, und die neuen verschiedenen Gerüche, die sie erreichten, verstärkten das Gefühl des Hungers in ihr.

»Stoppt die Kutsche!«, rief sie laut.

Vitus, der inzwischen eingedöst war, schrak auf und sah irritiert hin und her. »Was ist los?«

»Ich werde ab hier zu Fuß gehen«, äußerte Rinee ihren Entschluss.

Bevor Vitus in der Lage war, sich zu sammeln und darauf zu reagieren, rutschte sie bereits von ihrem Sitz. Sie wartete nicht mal darauf, dass der Kutscher abstieg, um ihr die Tür zu öffnen. Mit einem entschlossenen Griff an den Rock ihres Kleides, hob sie es an und hüpfte auf die staubige Erde.

Vitus folgte ihr mit ungläubigem Blick. »Was hast du vor?«

»Wenn ich erst den Palast erreiche, wird mein ganzer Tag darin bestehen, am Hof zu bleiben und mich dort wie die Lady zu benehmen, die ich bin«, erwiderte sie. »Ich will wenigstens einen kurzen Moment noch die normale Frau sein, die niemandem als Hofdame der Königin auffällt.«

»Besonders unscheinbar sind wir aber nicht«, setzte Vitus bloß hinzu, denn diesem fiel gleich auf, dass die Dorfbewohner teils mit neugierigen aber auch verachtenden Blicken zu ihnen starrten. Ob es an Rinees adeligem Äußeren lag oder an seinem Gewand, das ihn deutlich als Magier hervorhob, konnte er nicht sagen.

»Kutscher, bringt mein Gepäck an den Hof und teilt dort mit, dass wir am Nachmittag eintreffen werden«, befahl Rinee freundlich, dann wandte sie sich ab und steuerte zielsicher auf das rege Treiben auf dem Markt zu.

Anstatt ihrer Anweisung nachzukommen, folgte der Mann ihr mit unsicherem Blick. »Lady Rinee«, sprach er sie an und verschluckte dabei beinahe ihren Titel, als fürchtete er sich, ihn in dieser Umgebung laut auszusprechen. »Ihr solltet nicht hier unten im Dorf verbleiben.« Er deutete mit einer leichten Kopfbewegung auf die Menschen, deren Aufmerksamkeit sie sich bereits versichert hatten. »Es ist hier nicht sicher für Euch. Nicht ohne eine Wache des Schlosses.«

»Ihr meint einen Thanen?«, hakte Rinee mit einem sanften Lächeln nach. »Wie gut, dass ich jemanden bei mir habe, der den hohen Magiern in nichts nachsteht.«

Nun wechselten Vitus und der Kutscher einen nachdenklichen Blick, doch sie schienen beide einzusehen, dass sie nicht gegen die Sturheit einer Lady ankamen. Und so nickte der Mann, stieg wieder auf das Podest der Kutsche und trieb das Pferd an, woraufhin es sich in Bewegung setzte. Vitus zog sein Gewand straff und wirkte dabei sichtlich angespannt, als erwarte er den Ärger, den der Kutscher befürchtete.

 

***

Marktplatz

Myrgar, am Mittag des dritten Tages im Sommer

 

Einen Apfel später und mit nun vollerem Magen, ließ Rinee sich nur ungern von Vitus dazu drängen, endlich zum Palast aufzubrechen. Immer wieder lief sie ihm davon und zu Vitus’ Bedauern näherten sie sich stetig einer Gasse des Dorfes, die in keiner Weise vertrauenserweckend war. Finster dreinblickende Männer tummelten sich darin, Kinder mit durchlöcherter Kleidung und Frauen, die Rinee schon von weitem ins Auge gefasst hatten und sie mit abschätzigem Blick musterten.

Ihr fiel das nicht auf. Sie war so vertieft in das Neue, das sie erlebte, und Vitus zweifelte mit jeder verstreichenden Minute mehr daran, dass sie ihre Schwester lange überleben würde. Zu gerne würde er seinen geplanten Aufenthalt verlängern, um die Frau, die wie eine Nichte für ihn war, länger im Auge behalten zu können. Aber er wurde schon am nächsten Tag in Ulendra zurückerwartet und war noch dazu angehalten, Rinees Eltern von der sicheren Ankunft ihrer Tochter zu berichten.

»Du solltest dich, soweit es dir möglich ist, von den Magiern am Hof fernhalten«, sprach Vitus an und versuchte, der jungen Frau nicht von der Seite zu weichen. »Nicht, dass sie erkennen, dass du den Gendefekt in dir trägst.« Rinee nickte bloß. »Am besten hältst du dich weitestgehend von allen fern. Vom Personal, den anderen Hofdamen …«

»Ich könnte mich ja unsichtbar zaubern, nicht?«, erwiderte sie nur für ihn hörbar und mit einem Grinsen.

»Noch findest du das amüsant, aber wenn sie dich als Hexe überführen, wirst du dich an meine Worte erinnern«, ermahnte ihr Freund sie streng.

Rinee wusste, dass er Recht hatte. Sie musste wirklich aufpassen, insbesondere in der Nähe der Magier, denn diese hatten mit Sicherheit ein Gespür für die Magie in ihr. Aber sie hatte ja nicht vor, sich ständig in deren Nähe aufzuhalten, also glaubte sie nicht, dass es Schwierigkeiten geben würde.

»Wirst du ein paar Tage bleiben?«, erkundigte sie sich dann, um das Thema zu wechseln.

»Ich werde wohl diese Nacht am Hof in Kauf nehmen, aber gleich morgen breche ich wieder auf.«

»Und das nur, weil du die Magier meiden möchtest?«, wunderte sie sich.

»Nein«, erwiderte er. »Ich verbinde mit Myrgar nur nicht unbedingt die tollsten Erlebnisse meiner Vergangenheit.«

Ganz dunkel erinnerte Rinee sich daran, dass er als junger Magier Aufträge in dieser Gegend angenommen hatte. Damals gehörte er einem Bund von freien Magiern an, die getrennt von der Gilde arbeiteten. Er verlor bei einem dieser Aufträge einen Freund und lebte fortan als ungebundener Magier sein Leben. Sie wollte diese alte Wunde nicht wieder aufreißen, indem sie ihn noch länger zwang, darüber zu reden.

»Wir sollten wirklich aufbrechen«, murrte Vitus in diesem Moment.

Rinee wollte gerade um mehr Zeit bitten, als auch ihr auffiel, dass sie beobachtet wurden.

In einigen Metern mündete der Marktplatz in einer Gasse, die sie selbst als Hexe nicht gewillt gewesen wäre, zu betreten. Eben aus dieser traten zwei Männer, sichtlich und deutlich riechbar mit zu viel Met gefüllt.

»Sieh an, sieh an«, lallte einer von ihnen und kam wackelig auf Rinee zugesteuert. »Seit wann verirren sich denn die edlen Damen in unser Revier?«

Rinee war zu wenig Dame, um an sich zu halten. Zu seinem Bedauern wusste Vitus das und hörte ihre Stimme im selben Moment.

»Euer Revier?«, entgegnete sie, reckte das Kinn und versuchte, eine Eleganz auszustrahlen, die in Vitus’ Augen an diesem Ort keinesfalls von Nöten war. »Eure Füße stehen auf dem Land der Königin von Kyr.«

»Auf schwarzem Grund einer verdorbenen Hure!«, platzte es aus dem anderen heraus.

Rinee stellte fest, dass sogar ihr Freund für einen Augenblick überrascht dreinblickte. Bei all dem fehlenden Respekt, den er selbst für das Königreich innehatte, in dem er lebte, würden solche Worte sicher niemals seinen Mund verlassen. So viel Met gab es auf der ganzen Welt nicht.

»Ihr dürft solche Worte nicht aussprechen«, mahnte Rinee die fremden Männer, die ihr inzwischen bedrohlich nahegekommen waren. »Die Königin auf diese Weise zu verspotten, wird euch noch die Zunge kosten.«

Zwar hatte Rinee nie viel Zeit in Myrgar verbracht, doch die Gesetze kannte sie seit jungen Jahren so gut wie niemand sonst. Immerhin stand sie mit ihrem Gendefekt ziemlich weit oben auf der Liste der Geächteten. Sie zuckte, als sich die Finger des Mannes fest in ihren Oberarm gruben und er sie so nah an sich zog, dass ihr von seinem Mundgeruch übel wurde.

»Wofür brauche ich noch meine Zunge, wenn es kein Essen gibt, das sie berühren könnte?«, raunte er ihr zu. »Wenn ich an den meisten Tagen nicht mehr zu Trinken habe als verschmutztes Wasser oder meine eigene Pisse?«

Rinee empfand schlagartig Schmerz. Nicht wegen des festen Griffes, der ihr das Blut im Arm abzuschnüren begann. Da war etwas in den Augen dieses Mannes, das Mitleid in ihr hervorrief. Seine Wangenknochen stachen deutlich in dem ausgemergelten Gesicht hervor und die knochigen Finger, die sie hielten, waren wohl nur kräftig genug dafür, weil sie durch Schrammen und Dreck zeigten, dass sie harte Arbeit gewohnt waren. Dieser Mann litt Hunger. Ebenso sein Freund. Und als Rinee den Blick umherschweifen ließ, fiel ihr das erste Mal auf, das dies auf die meisten Menschen in ihrer Nähe zutraf. Einige der Blicke trafen sie so feindselig wie der des Mannes vor ihr, andere ruhten traurig und müde auf ihren schicken Kleidern, dem Schmuck, den sie trug, und dem wohlgeformten Körper, der unter dem Stoff zu erahnen war.

»Genug«, platzte es nun ungeduldig aus Vitus hervor und er richtete sich bedrohlich auf.

Im selben Moment, in dem er eingreifen und Rinee aus den Fängen des Mannes winden wollte, verlangten Hufgeräusche nach ihrer aller Aufmerksamkeit.

Drei Männer kamen in ihre Richtung geritten und verließen sich darauf, dass jeder rechtzeitig aus dem Weg wich, der zuvor damit beschäftigt gewesen war, die Szene zu beobachten. Kaum kamen die Pferde unweit von Rinee zum Stehen, waren zwei der Männer bereits heruntergesprungen.

Erst jetzt merkte Rinee, dass sich der feste Griff an ihrem Arm gelöst und der betrunkene Mann sich deutlich entfernt hatte. Wie gebannt sah sie zu dem Reiter hinauf, der nicht von seinem Pferd gestiegen war. Er war unweigerlich ein Thane, das erkannte sie sofort. Und dieser Fakt erklärte auch das plötzlich eingeschüchterte Verhalten der Dorfbewohner. Männer, die vor kurzem noch feindselig dreingesehen hatten, senkten ihre Häupter. Frauen versteckten ihre Kinder hinter ihren zierlichen Körpern. Rinee wusste, dass die Thanen mächtige Magier und außerdem starke Krieger waren, doch sie war überrascht, dass man sie viel weniger zu respektieren schien als zu fürchten.

Anders als Vitus trug der Mann auf dem Pferd kein schwarzes Gewand. Sein Aussehen war dem kriegerischen Teil von ihm viel eher angepasst. Er trug ein silberfarbenes Hemd aus einem seidenen Stoff, das eng an seiner Brust lag, an den Armen allerdings locker fiel und erst durch einen knappen Lederstreifen an den Handgelenken geschlossen wurde. Die schwarze Hose schmiegte sich an seine Beine und verschwand an den Waden in ebenfalls schwarzen Stiefeln. Er trug ein Amulett um den Hals, auf dem das Zeichen der Gilde abgebildet war – ein Feuervogel. Ein passendes Zeichen, fand Rinee, denn diese seltenen Wesen galten als überaus mächtig und waren der Inbegriff der Magie in Kyr.

Der Blick des Thanen ruhte zuerst prüfend auf der Situation, streifte dann für einen kaum nennenswerten Moment Vitus und traf schließlich den der Frau vor sich, deren Hand wie von selbst an die schmerzende Stelle ihres Oberarms wanderte, an der sie noch vor wenigen Sekunden grob gepackt worden war. »Lady Rinee, Ihr werdet am Hof erwartet«, äußerte er knapp. Dann wanderte sein strenger Blick zu dem Mann, der sie noch vor kurzem festgehalten hatte. Er deutete mit einem Nicken auf ihn, was ein erschrockenes Raunen der Umherstehenden zur Folge hatte.

»Nein, bitte nicht«, begann der Mann sofort zu flehen. »Habt Erbarmen!« Sein schlagartig angsterfüllter Blick suchte in der Menge nach Hilfe und traf schließlich Rinees. »Mylady, ich wollte nicht … Ich hätte Euch nichts getan … Ich-«

Sein Flehen verstummte schlagartig, als sich der Thane auf dem Pferd erneut zu Wort meldete. »Ihr habt Hand an eine Dame gelegt. An eine der Hofdamen der Königin. Das wird euch eben diese Hand kosten und eine Woche im Kerker einbringen.«

Wie von selbst löste sich nun einer der Thanen am Boden aus seiner Starre, ergriff den Mann und legte ihm etwas um die Handgelenkte, das wie ein Seil aussah. Das andere Ende führte er durch eine Schlaufe an seinem Sattel und knotete es fest.

Der Schock hielt Rinee noch einige Sekunden in seinen Fängen, dann fand sie ihre Sprache wieder und wandte sich an den Reiter. »Ihr verhaftet diesen Mann?«, entfuhr es ihr.

»Und ich werde ihm persönlich in sieben Tagen die Hand abschlagen, weil er sie an Euch gelegt hat«, entgegnete er kühl. »Nun steigt auf das Pferd, damit wir zum Schloss aufbrechen können.«

Ein Thane zeigte großzügig auf sein Pferd, um es Vitus anzubieten, der bereitwillig hinaufstieg. Der andere, der den Mann gefesselt und festgebunden hatte, deutete nun auf sein eigenes Pferd und bot Rinee mit einer Geste an, ihr in den Sattel zu helfen.

»Nein«, sprach sie entschieden aus. »Das lasse ich nicht zu. Dieser Mann und ich haben eine Unterhaltung geführt. Er hat mich nicht verletzt. Ihr könnt ihn nicht mitnehmen und verstümmeln, weil er seine Meinung gesagt hat.«

»Ihr irrt«, belehrte der Thane sie mit Gleichgültigkeit im Blick und der Stimme. »Widersprecht mir, widersprecht Ihr der Königin. Jemand wird dafür büßen.«

»Dann bestraft mich!«, forderte Rinee laut. Und um ihren Worten Ausdruck zu verleihen, trat sie an das Pferd heran und löste den Knoten des Seils vom Sattel, um den Mann davon zu befreien. Mit Selbstbewusstsein, das auf den Thanen vermutlich weit mehr wirkte wie Trotz, starrte sie ihm entgegen. Erst zu spät realisierte sie, dass der betrunkene Mann die ihm geschenkte Chance nutzte und losrannte, die Hände noch immer aneinandergefesselt.

Ohne eine weitere Anweisung setzte sich der Thane, der ihn zuvor festgebunden hatte, in Bewegung und nahm die Verfolgung auf. Beide verschwanden aus Rinees Blickfeld. Es dauerte keine Minute, da drang ein Schmerzensschrei zu ihr durch, der ihr das Herz zerriss. Eine weitere Minute verstrich und der Thane kehrte zu ihnen zurück – allein.

Rinees Augen füllten sich mit Tränen.

»Ich sagte Euch, jemand wird büßen.« Die Worte des Thanen erreichten Rinee nur oberflächlich, zu sehr kämpfte sie um ihren Stolz, nicht vor aller Augen zu weinen. »Der Tod für den, der vor dem Gesetz zu fliehen versucht. Ich hoffe, Ihr empfindet Eure Einmischung rückblickend als nicht so klug wie ihr dachtet. Und nun steigt auf das Pferd, Mylady, bevor Yann hier nachhelfen muss.«

Mit einem kräftigen Druck seiner Stiefel zu beiden Seiten, spornte er sein Pferd an. Auch das von Vitus setzte sich in Bewegung und wurde geführt von dem Thanen, dem es eigentlich gehörte.

Für einige Sekunden verharrte Rinee jedoch an Ort und Stelle, konnte sich nicht rühren.

»Lady Rinee«, sprach Yann Thane beinahe sanftmütig. »Betrachtet meine Hilfe nicht als Drohung, sondern als Gefallen.«

»Ihr habt ihn umgebracht«, hauchte sie es nur und versuchte, das Beben ihrer Lippen zu stoppen.

»So ist das Gesetz.«

»So war es nicht immer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Frau, mit der ich meine Kindheit verbracht habe, solche eine Grausamkeit duldet.«

»Dann kennt Ihr Eure Königin nicht gut«, erwiderte er nur knapp, fasste Rinee mit beiden Händen an der Hüfte und hob sie in den Sattel.

Kapitel 2

Palastgelände

Myrgar, am Mittag des dritten Tages im Sommer

 

Schon von weitem erkannte Rinee die schneeweiße Treppe, die zum Palasteingang hinaufführte. Die Tür war verziert mit purem Gold, was ihr wieder einmal verdeutlichte, in was für einem wohlhabenden Land sie aufgewachsen war. Nach ihrer Erfahrung auf dem Marktplatz hielt ihr das aber nur noch vor Augen, dass die leisen Stimmen allerorts rechthaben könnten. Der Palast hatte seinen Glanz in all den Jahren nicht verloren, doch die Untertanen der Königin leideten Hunger. Irgendetwas lief hier schief, daran bestand kein Zweifel.

Als sie sich gemeinsam mit Vitus und den Thanen den Stufen näherte, öffnete sich die prachtvolle Tür und zwei Menschen traten heraus – der eine folgte unterwürfig dem, der sich mit erhobenem Haupt, geschwellter Brust und einem strahlenden Lächeln präsentierte.

Die Arme ausgebreitet nahm er schnellen Schrittes die Stufen und steuerte mit dieser einladenden Geste auf seine Gäste zu, um sie zu empfangen. »Endlich!«, rief er. »Wir dachten schon, du seist verloren gegangen.«

Rinee kannte diesen Mann, das wusste sie. Und doch war sie überrascht wegen seines Umgangstones, denn als sie ihn zuletzt gesehen hatte, war sie noch ein Kind gewesen. Das hinderte den Mann nicht daran, sie nur wenige Sekunden später in die Arme zu schließen und an seine Brust zu drücken, kaum dass Yann sie aus dem Sattel gehoben hatte.

Rinee spielte nicht mit dem Gedanken, es laut zuzugeben, aber diese Umarmung brauchte sie nach den Geschehnissen im Dorf ebenso sehr wie die Luft zum Atmen.

»Lord Emiras«, grüßte sie ihn freundlich, wenngleich ihre Stimme unter dem Druck seiner Umklammerung erstickt klang. Als er Rinee endlich wieder freigab, zupfte sie an ihrem Kleid, um es zu straffen, und lächelte dann verhalten.

»Deine Leibwache?«, erkundigte sich Emiras, nachdem er Vitus einem prüfendem Blick unterzogen hatte.

Ihm konnte unmöglich entgehen, wer soeben vom Pferd gestiegen war. Einem Magier sah man stets an, dass er einer war. Wenngleich Vitus sich offenbar von den Magiern der Gilde nicht nur in seinem Äußeren unterschied, sondern vor allem in seiner Ansicht der Königin gegenüber.

»Nein, Vitus ist ein Freund der Familie«, antwortete sie.

Neben ihr bezogen in diesem Augenblick die drei Thanen Stellung und warteten offenbar darauf, dass man ihnen das Wort erteilte. Während Rinee sie still für sich verfluchte und mit allen Schimpfwörtern belegte, die sie kannte, hatte Vitus sich offenbar bereits selbst gebührend vorgestellt, denn in Emiras Gesicht entdeckte sie Überraschung.

»Ein ungebundener Magier«, bemerkte er gerade. »Sieht man ja auch nur allzu selten.«

Sie wusste nicht, ob diese Bemerkung freundlich oder kritisch gemeint war, aber sie wollte nicht darauf eingehen. In diesem Moment trat nämlich der unhöfliche Reiter hervor und räusperte sich.

Rinee bedachte ihn mit einem feindseligen Blick.

»Hast du zuvor schon mal einen Magier der Gilde gesehen?«, fragte Emiras, um sie aus ihrer Starre zu holen, und ging nicht auf den Magier ein.

»Wenn, dann ist es so lange her, dass ich mich nicht daran erinnere«, antwortete sie.

»Nun, damals stellte die Gilde noch niemanden der Ihren ab zum Schutz der Königin«, erwiderte Emiras. »Aber als sich die Zeiten änderten, mussten neue Maßnahmen her. Ein Thane gilt stets als loyal und ist durch einen Eid nicht nur seiner Gilde sondern auch dem Reich verschrieben.«

Praktisch, dachte Rinee, denn die Magier wären durchaus im Stande das ganze Reich zu stürzen, wenn sie wollten.

»Dieser ist Yann Thane.« Emiras deutete auf den Mann gleich neben ihr. Der Mörder, dachte sie im Stillen. »Er ist schon seit vielen Jahren meine Leibwache. Als ich hörte, dass du im Dorf verblieben bist, habe ich ihn mitgeschickt, um dich wohlbehalten herzubringen.«

Rinee lächelte höflich, doch gleichzeitig wunderte sie sich über die Vorstellung. In Büchern hatte sie bereits davon gelesen und auch Kalina hatte es einst in ihren Briefen erwähnt. Ein Magier der Gilde verlor bei seinem Beitritt seine alte Identität. Ob es ein Titel war oder ein schlichter Familienname, er ersetzte ihn durch den Begriff, der aussagte, was er fortan war: Ein Thane.

»Und deine zukünftige Leibwache hast du ebenfalls bereits kennengelernt«, fuhr Emiras fort und deutete auf den Reiter, der noch immer darauf wartete, sprechen zu dürfen. Rinees wegen dürfte er ja an seiner eigenen Zunge ersticken. »Das ist Vito Thane.«

Dieser näherte sich nun einen seitlichen Schritt und stellte sich mit nahezu perfekter, aufrechter Körperhaltung direkt an ihre Seite, ohne sie dabei anzusehen. »Es ist mir eine Ehre.«

»Ja?«, wunderte Rinee sich und ihr war es egal, ob man ihr Verhalten nun als frech empfand. »Kann ich mir kaum vorstellen. Seit wann werden denn die Hofdamen mit eigenen Leibwachen geschützt?« Die Frage ging weitaus freundlicher als ihre Worte zuvor an Emiras.

»Nun …«, zögerte er. »Seit dem letzten Vorfall sah die Königin die Notwendigkeit und änderte einige Gepflogenheiten im Palast. Dazu zählt unter anderem die persönliche Leibwache ihrer Hofdamen.«

»Ihr meint, sie hat die Regeln geändert, weil ich nicht so enden soll wie meine Schwester«, bemerkte Rinee knapp.

»Kalina auf diese Weise zu verlieren, war ein harter Schlag für den Hof«, pflichtete Emiras bei. »Aber Vito wird darauf achten, dass du unbeschadet einen Tag nach dem anderen erlebst.«

»Natürlich, das Leben lassen dann die anderen wegen Nichtigkeiten«, entfuhr es Rinee, bevor sie darüber nachdachte. Dann jedoch fand sie keinen Grund, wieso sie es hätte verschweigen sollen.

Vito räusperte sich erneut. »Mylord.«

»Sprich.«

»Es gab einen Vorfall auf dem Marktplatz. Ein Mann wurde handgreiflich gegenüber Lady Rinee und wollte fliehen.«

Sie hätte zu gerne betont, dass der Mann nicht handgreiflich gewesen war, aber eigentlich stimmte das nicht. Er hatte Hand an sie gelegt, wie der Thane bereits auf dem Platz betonte. Aber Rinee sah noch immer nicht die Notwendigkeit darin, jemandem dafür die Hand abzuschlagen.

»Ich habe ihn aufgehalten, Mylord«, meldete Yann Thane sich mit einem Tonfall, der so klang, als würde er dafür noch eine Belohnung erwarten.

Emiras nickte und schien nicht überrascht wegen des Geständnisses zu sein. Das wiederum entsetzte Rinee so sehr, dass sie sich nicht zurückhalten konnte.

»Dieser Mann war betrunken und hat sich deshalb ein klein wenig gehen lassen. Das war aber kein Grund, ihm die Hand abzuschlagen und ihn in den Kerker zu werfen. Und schon gar nicht, ihn umzubringen.«

»Er ist vor dem Gesetz geflohen und darauf steht die Hinrichtung«, warf Vito tonlos ein.

»Es ist also nicht bloß ein feiger Mord, einem kaum gehfähigen und noch dazu gefesselten Mann die Straße hinterherzueilen und ihn dann … was? Habt ihr ihn erstochen, Yann Thane? Ihm die Kehle aufgeschnitten?«

Bevor dieser dazu kam, etwas auf die Frage zu erwidern, schob Vitus sich in ihr aller Blickfeld. »Verzeiht, die Reise war sehr lang und Rinee fällt es schwer, ihre Emotionen im Zaum zu halten, wenn sie übermüdet ist.« In seinen letzten Worten schwang eine Mahnung mit.

Emiras wirkte zuerst verdutzt. Rinee wusste nicht, ob er sie tief im Inneren für ihre Kritik verfluchte oder ob er die Ausrede des Magiers für zu platt empfand. Dann setzte er aber ein Lächeln auf. »So sind sie, die jungen Damen. Solch ein sanftes Gemüt, das sie gerne Opfer ihrer eigenen Empfindungen werden. Ich vermag nicht darüber urteilen, was in diesem hübschen und von der langen Reise erschöpften Kopf vor sich geht.« Emiras wandte sich nun direkt an Rinee, der beinahe das gezwungene Lachen im Hals steckenblieb. »Du solltest dich dringend ausruhen, bevor die Königin zum Tee bittet.« Er winkte den jungen Mann, der am oberen Treppenansatz stand, zu sich heran.

Rinee nickte bloß. Was blieb ihr als emotionsgesteuertes Weibchen auch anderes übrig? Sie richtete ihren Blick auf die Person, die sich ihnen näherte. Sehr jung war er, bestimmt einige Jahre jünger als sie selbst. Seine Haut war braun gebrannt, als hätte er die letzte Woche in der Sonne verbracht. Ganz anders als ihre eigene, da jeder um sie herum stets darauf achtete, dass sie sich keinen Brand holte. Deshalb machte ihre blasse Haut auch dem Weiß der Treppe in einigen Metern Entfernung Konkurrenz.

 »Und wer ist das?«, fragte sie.

Fast im selben Moment preschte die Antwort aus ihrer Leibwache hervor. »Niemand, nur ein Diener.«

Rinee war insgeheim beinahe beeindruckt, wie sehr Vito Thane offenbar bemüht war, sich bei ihr unbeliebt zu machen.

»Du!«, sprach sie den jungen Mann an, der von nahem nun nicht älter aussah als vielleicht sechzehn. »Wie ist dein Name?«

Zögernd hob er den Blick, und Rinee war im selben Moment fasziniert von seinen eisblauen Augen. Vielleicht strahlten sie nur deshalb so sehr, weil sie sich von den schwarzen Haaren hervorhoben, aber er war schon beim ersten Hinsehen äußerst ansehnlich.

Seine Statur hingegen war beinahe so schlank wie die der Dorfbewohner, eingeengt in der schlichten Kleidung, die er trug. Obwohl er nun leicht lächelte, konnte Rinee sich nicht vorstellen, dass er sich in dieser Situation wohlfühlte.

»Die Lady hat dir eine Frage gestellt«, ermahnte Vito ihn brüsk, obwohl mit Sicherheit er und seine herrische Art der größte Grund waren, wieso der arme Junge kein Wort herausbrachte.

»Myka, Mylady«, antwortete er höflich, aber so leise, dass Rinee ihn kaum hören konnte.

»Und weiter?«, hakte sie nach. Zuhause pflegte ihre Familie einen respektvollen Umgang mit den Dienstboten. Rinee war es nicht gewohnt, sie so deutlich herabzusetzen, deshalb wollte sie am Hof auch nicht damit anfangen.

Emiras räusperte sich. »Nur Myka, Liebes. Er ist das Mündel der Köchin, daher hat er keinen Familiennamen.«

»Wieso nennt man ihn dann nicht nach ihr?«, fragte sie verwundert. »In Ulendra hatte die Wirtsfrau auch ein Mündel und das junge Mädchen trug ihren Namen.«

»Myka kam erst vor einem Jahr her«, erklärte Emiras. »Er war bereits ein herangewachsener Mann, da ist es nicht üblich, ihn in der Familie aufzunehmen.«

Merkwürdig, fand Rinee. Wo war er denn auf einmal hergekommen, ohne Familie, ohne Namen? Und überhaupt war er nicht wirklich ein Mann, vielmehr noch ein Junge.

»Du solltest dich nicht länger damit plagen«, setzte Emiras hinzu und wandte sich dann an den Burschen. »Los, bring das Gepäck der Lady in ihr Gemach und sag der Köchin, sie soll ein Tablett mit Tee für die Gäste hinaufschicken. Etwas, um die Nerven zu beruhigen.« Er wandte sich wieder an Rinee. »Wenn du dich ausgeruht hast, findest du mich in der Bibliothek. Wir gehen dich dann bei der Königin vorstellen.«

Rinee widersprach nicht. Sie hinterfragte auch nicht, wieso man sie vorstellen musste, wo sie und die Regentin doch dasselbe Alter hatten und gemeinsam aufgewachsen waren. Sie protestierte auch nicht, als Myka beinahe unter der Last der ersten Kiste zusammenbrach. Sie war emotional genug verstimmt, um zu begreifen, dass Schweigen vorerst die klügere Option war.

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